Ingo Volckmann denkt über den Verkauf von Atlético Baleares nach - Was ist der Fußballverein auf Mallorca wert?

Der Berliner ist nun doch bereit, sich Angebote anzuhören. Wir sprachen mit einem Experten, wie viel der Club kosten könnte

Ingo Volckmann bei einer Trainingseinheit.

Ingo Volckmann bei einer Trainingseinheit. / ATB

Ralf Petzold

Ralf Petzold

Atlético Baleares trudelt immer weiter dem Abstieg entgegen. Der Fußball-Drittligist hatte vergangene Woche das Heimspiel gegen den Tabellennachbarn San Fernando mit 0:2 verloren. Auswärts gegen Alcoyano gab es am Sonntag (24.3.) ein 1:1. Die Mallorquiner sind seit sechs Spielen sieglos. Für den Klassenerhalt müsste des Team des deutschen Eigentümers Ingo Volckmann neun Punkte Rückstand in neun Spielen aufholen.

Der Berliner hatte schon angekündigt, dass es im schlimmsten Fall Änderungen in der sportlichen Leitung geben wird. Sprich die Jobs von Sportdirektor Patrick Messow und dessen Assistenten Jordi Roger sind in Gefahr. Gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) bestätigte Volckmann darüber hinaus nun erstmals, dass er über einen Verkauf des Vereins nachdenkt. "Wenn einer kommt und ein gutes Angebot macht, dann bin ich jetzt zum ersten Mal so weit, dass ich sagen würde: Okay, dann geht der Verein weg", zitiert RND den Clubeigentümer.

Doch wie liefe ein Verkauf ab und was ist Atlético Baleares wert? Die MZ hat bei Knut Schulz nachgefragt, dessen Consulting-Unternehmen brain4SPORTS Profifußballclubs strategisch berät.

Knut Schulz kennt sich im Fußballgeschäft aus.

Knut Schulz kennt sich im Fußballgeschäft aus. / Privat

Welche Faktoren beeinflussen den Preis eines Fußballvereins?

Das ist ein wenig wie bei den Immobilien. Land und Lage sind wichtig. Dann der Zustand der vorhandenen Infrastruktur. Fehlen Gebäude, und müssen neue gebaut werden? In welchem Zustand befindet sich das Stadion? Auch die sportliche Situation spielt natürlich eine Rolle, sprich in welcher Liga spielt der Verein? Zuletzt ist da noch die finanzielle Lage: Hat der Club Schulden?

Wie sieht es mit den Spielern aus?

Man schaut sich den Kaderwert an und guckt, welche Talente Potenzial haben. Ältere Spieler mit Ein-Jahres-Verträgen sind weniger relevant. Die Gehaltsstruktur ist aber für die laufenden Kosten wichtig.

Ist ein Traditionsverein mehr wert?

Das spiegelt sich dann im Markenwert und der Anzahl der Fans wider. Die Traditions-clubs haben meist einen großen Anhang. Davon kann man sich dann Einnahmen durch den Verkauf von Tickets und Merchandising versprechen. So etwas lässt sich bei Vereinen wie RB Leipzig oder Hoffenheim nur beschwerlich aufbauen.

Sie haben die Lage angesprochen. Gibt es generelle Preisunterschiede zwischen Spanien und Deutschland?

Eher weniger. Wobei auf Mallorca sicherlich die Insellage ein Faktor ist, da man zu jedem Auswärtsspiel mit dem Flugzeug oder der Fähre reisen muss. Unter Umständen bleibt dem Verein dadurch weniger Zeit für das Training, was das Projekt potenzieller Investoren beeinträchtigt. Von den Ligen her ist die Primera División zwar der Bundesliga in einigen Statistiken voraus, der deutsche Fußball gilt aber aus Investorensicht als stabiler. In der dritten Liga gibt es insofern Unterschiede, dass es in Spanien zwei Staffeln gibt und der Aufstieg nicht so einfach ist. Im Vergleich zu Deutschland existieren mehr Drittligisten, weswegen die spanischen Clubs da etwas weniger wert sind.

Mallorca als Urlaubsinsel macht den Fußballverein nicht attraktiver?

Das ist kein Knackpunkt. Höchstens bei einem deutschen oder englischen Investor, der Bezug zum Massentourismus hat. Das wäre aber eine ziemliche spezielle Form des Marketings, bei der es Fantasie bedarf.

Was wäre folglich Ingo Volckmanns Atlético Baleares wert?

Es wäre nicht seriös, wenn ich jetzt eine Schätzung abgeben würde. Ich müsste zuvor eine gründliche Prüfung durchführen und die Bilanzen anschauen. Dann ist die Frage, wie realistisch der Klassenerhalt noch ist. Ein Abstieg könnte gewissermaßen verbrannte Erde hinterlassen und die Fans vor lauter Enttäuschung von einem Stadionbesuch abhalten. Wenn ich dann in der vierten Liga in einem großen Stadion vor wenigen Zuschauern spiele, kann ich kaum die Unterhaltskosten davon bezahlen. Vor leeren Rängen zu spielen, ist auch für die Spieler nicht schön. Das würde ganz klar den Preis mindern.

Im November hatte Volckmann einen Bericht der MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca“ noch dementiert. Dort hieß es, er hätte Angebote in Höhe von sieben Millionen Euro abgelehnt und würde zwölf Millionen fordern.

Das ist völlig utopisch. Für zwölf Millionen Euro ging zuletzt Viktoria Pilsen über den Ladentisch. Das ist ein tschechischer Erstligist mit Ambitionen auf den internationalen Wettbewerb. Atlético Baleares ist im Moment nur das Stadion wert. Da ist die Frage, ob das mitverkauft wird. Der Preis für den Verein ohne die Immobilie hält sich in Grenzen. Das wiegt sich dann mit den Kosten auf, die entstehen. Ein Wert in Millionenhöhe würde mich da wundern. Oft ist es so, dass ein Verein dann für einen symbolischen Euro verkauft wird und der neue Investor die Schulden übernimmt. Wobei das bei Atlético Baleares wohl nicht der Fall wäre. Bei den Verkäufern gibt es in der Regel zwei Typen: den Mäzen und den Investor. Der Mäzen will etwas aufbauen und hat den Gewinn nicht so im Fokus. Wenn dann nach zehn Jahren die Lust vergeht und der Einsatz zurückgeholt werden soll, ist das meist nicht möglich. Ein Investor hat von Anfang an die Finanzen im Blick.

Welche Vorgänge laufen rund um einen möglichen Verkauf im Hintergrund ab?

Es ist, wie wenn man ein Haus verkauft. Interessenten melden sich und besichtigen den Verein. In einem datensicheren Raum werden die Bilanzen und laufende Kosten gezeigt. Dann taxiert die Käuferseite einen Preis. Es würde mich wundern, wenn Volckmann ein Preisschild an seinen Club hängt. Dann wird verhandelt, und beide Seiten versuchen sich anzunähern. Mal gelingt das, mal nicht.

Was sind das für Leute, die heutzutage Fußballvereine kaufen?

Die vergangenen 20 Jahren überwogen die Mäzene, und unter ihnen stachen insbesondere die Oligarchen heraus. Ich denke da etwa an Roman Abramowitsch. Das sind Leute, die sagen, ich habe eine Yacht, jetzt darf es auch gerne noch ein Fußballclub sein. Sie sind aber weniger geworden. Vorne dabei, wenn es darum geht, im Sport Geld zu investieren und große Summen in die Vereine zu stecken, sind heute die US-Amerikaner. Hinzu kommen die Araber, deren Motivation Marketinggründe für ihr eigenes Land sind und die auf der Fußballweltkarte auftauchen wollen. Im Trend sind außerdem ganze Investorengruppen, die sich die Rosinen für relativ kleines Geld rauspicken. Das wird sich in drei, vier Jahren ändern. Dann steigen die Preise und die Investoren müssen Schlange stehen, ehe ein solider Club für sie frei wird.

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