Dass sich der Jugendstil in Palma nicht nur auf das 1903 gebaute Gran Hotel beschränkt, ist bekannt. Und dass es in Sóller wegen seiner zahlreichen wohlhabende Frankreich-Emigranten besonders viel in dieser Hinsicht zu bestaunen gibt, auch. Aber vielen dürfte nicht klar sein, dass dieser erst mit mehr als zehnjähriger Verspätung aus Katalonien auf die Insel gelangte Kunst- und Baustil bis Inca (Centro Agrícola), Manacor (Can Pocoví) oder Llucmajor (Hotel España) vorstieß.

Der bereits mit zahlreichen Büchern und insbesondere einer mehrbändigen Reihe zu den herrschaftlichen possessions in Erscheinung getretene Autor Tomàs Vibot (41) schildert in seinem neuen, auf Katalanisch verfassten Buch „El Modernisme a Mallorca" (El Gall Editor, Pollença, 23,50 Euro), wie verbreitet der Jugendstil auf der Insel war. „Das liegt daran, dass es sich damit früher verhielt wie heute mit Autos oder Smartphones", so der Autor zur MZ. „Die neureichen Angehörigen der Bourgeoisie definierten sich durch Statussymbole, und dazu gehörte ab den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts auch dieser völlig neuartige, verspielte Kunststil mit Drachenfiguren, Blumenranken und Frauenköpfen." Wer unter Unternehmern etwas auf sich hielt, ließ sich sein Haus etwa mit Kacheln und Schmiedeeisen gestalten immer getreu der Maxime tanto

muestras, tanto vales (du bist so viel wert, wie das, was du zeigst).

Die Mode dauerte länger als etwa in Paris oder Brüssel, wo schon vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 Schluss war. Bis Mitte der 30er schwor man auf der Insel auf den modernismo.

So verfuhr auch die wohlhabende, auf den zeitweise zu Spanien gehörenden Philippinen zu Geld gekommene Familie Galmés in Bunyola. Für die baute Architekt Guillem Puig i Salvà - ein Schüler des auch auf Mallorca wirkenden Katalanen Antoni Gaudí - 1908 ein Domizil namens Villa Francisca (s. o. links). Mit anderen Stilrichtungen wie Ostasiatischem versetzt ist es „so eklektisch wie viele Jugendstil-Bauten auf der Insel", sagt Tomàs Vibot. Auch die Industriellen-Familie Bestard aus Santa María del Camí besann sich des Jugendstils und ließ ein wuchtiges Mausoleum auf dem örtlichen Friedhof errichten (s. o.). „In diesen Kreisen las man unter anderem die französische Zeitschrift ´Dragon´, die den Ton angab", weiß Tomàs Vibot.

„Der Jugendstil auf Mallorca wurde in der Regel nicht nur mit anderen Stilen gemischt, er findet sich vor allem in Details", so der Autor weiter. Das liegt daran, dass auch nicht so wohlhabende Angehörige des Bürgertums danach dürsteten, ihre Häuser zumindest mit ein paar Ornamenten zu schmücken, sei es auf Balkons, an Treppengeländern oder punktuell an Fassaden oder in Fenstern. „Wie heute auch wollte manch einer reicher erscheinen, als er tatsächlich war."

Wo man was zu Gesicht bekommt, beschreibt Vibot in sechs Kapiteln und Routen: das historische Zentrum Palmas, das Viertel Santa Catalina mit Gebäuden wie Can Pujol (s.o. re.), die Viertel El Terreno und Génova, Sóller, weitere Orte auf der Insel und kurioserweise auch das Kloster Lluc. Dort verewigte sich unter anderem der katalanische Jugendstil-Bildhauer Josep Llimona (1864-1934) mit religiösen Plaketten.

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