„Um ein paar Mauern auszubessern, könnte man den ganzen Tag hier arbeiten, ach was, Wochen könnte man damit zubringen", sagt Tomeu Ordinas und blickt über das Flusstal Coanegra, das sich zwischen Santa Maria del Camí und Orient durch einen Stein­eichenwald schlängelt. Die Morgensonne blinzelt durch die Äste, man horcht in die große Stille hinein. Das Auto mussten wir auf der Finca Son Pou zurücklassen und die hundert Meter zum Flusstal zu Fuß zurücklegen.

Wir stehen vor einer circa vier mal zehn Meter breiten Trockensteinmauer, in der ein großes Loch klafft. „Genug Arbeit für zehn bis zwölf Freiwillige", sagt der Maurermeister aus Santa Maria del Camí, der zusammen mit dem Archäologen Marc Ferré den Workshop „Pedra en Sec" ausgeschrieben hat. In 56 Stunden bekommen die Teilnehmer Praxis und Theorie vermittelt und eine Mini-Ausbildung zum marger, wie die Handwerker heißen, die Stein um Stein ohne Mörtel zu einer Mauer aufschichten. Am Ende des Kurses gibt´s für jeden ein Zertifikat. Wer nur mal schnuppern möchte, arbeitet ein Wochenende lang am Mauerbau mit, samstags von 9 bis 18.30 Uhr und sonntags von 9 bis 14 Uhr - ein paar Plätze sind noch frei.

Den Workshop organisiert der Verein „Més que pedra", den Marc, Tomeu und andere Trockensteinmauer-Fans, darunter Architekten, Lehrer, Geologen und Maurermeister, im Frühjahr 2013 gründeten. Sie wollen ein Stück der inseltypischen Baukunst bewahren, auch wenn es zu viele Mauern sind, um alle zu erhalten. Aber anfangen, für Aufmerksamkeit sorgen, ein paar Arbeits­plätze schaffen und das Vertrauen der Rathäuser gewinnen, die Geld zum Projekt dazu schießen - das sei ein guter Anfang, glaubt Marc.

Mallorcas Trockensteinmauern sind ein Erbe der Talayot-Kultur, ihre Baukunst wurde bis ins 20. Jahrhundert immer weiter verbessert. Man unterscheidet zwei Arten: In der Serra de Tramuntana stehen vor allem paredes, Stützwälle, die Steilhänge absichern, das Wasser filtern und Land bebaubar machen, dazu gibt es ein Netzwerk von Trockenmauer­wegen, die Hirten, Waldarbeiter und Wanderer nutzen. In den flachen Gebieten im Süden und Osten der Insel teilen dagegen niedrige, frei stehende Mauern das Land in Parzellen, grenzen Grundstücke für Tiere und Menschen ab. „Die Bauern sammelten bei der täglichen Feldarbeit die losen Steine und schichteten sie an Ort und Stelle auf", sagt Marc.

Der Feldstein im Insel­süden ist heller und poröser als das ­Hartgestein der Tramuntana, die Bauweise der Mauern aber dieselbe. Eine Reihe großer Steine wird für die Basis ausgesucht und etwa 90 Zentimeter breit ausgelegt - je breiter, umso stabiler. Der marger verlegt von beiden Seiten parallel zwei Steinreihen, die sich nach oben hin einander zuneigen. Die Steine müssen nicht auf den Zentimeter genau gesetzt werden, die Querfugen sollten nur in etwa waagerecht verlaufen. Der Hohlraum wird mit Erde und Geröll von Hand aufgefüllt. Einen perfekten Abschluss bilden flache, gleichmäßige Steine.

Um die zerstörte Mauer im Coanegra-Tal wieder aufzubauen, muss zunächst die Baustelle von Erdreich und Steinen frei geräumt werden. „Die Steine werden wieder benutzt, man breitet sie wie Teile eines Puzzles aus und sortiert sie der Größe nach", erklärt Tomeu. Das Werkzeug des margers ist überschaubar, er braucht einen Korb, Hammer, Handschuhe und Schutzbrille. Damit die Mauer gerade wird, spannt er

eine Schnur parallel zum Hang, an der er sich orientiert.

Die Teilnehmer arbeiten in Zweiergruppen: Steine sammeln, zur Mauer bringen, übereinander setzen. Nach ein paar Stunden wechseln die Aufgaben. Wie man den Hammer richtig hält, Steine beschlägt und welche sich überhaupt zum Modellieren eignen, auch das lernt man. „Die Tramuntana-Mauern sind eher rustikal", so Tomeu, „für eine Trockensteinmauer im eigenen Garten sucht man länger nach dem passenden Stück." Oder beschlägt einzelne Steine so lange, bis sie die richtige Form haben.

Tomeu weiß: „Der Job des margers ist körperlich anstrengend. Und am Sonntagabend legt man sich am besten in die heiße Badewanne."

Mitmachen

Der nächste Kurs Trockenstein-mauer findet am 11.-12.10. und 18.-19.10. statt. Preis für ein Wochenende (14 Stunden) 60 Euro, Residenten 50 Euro. Anmeldung: Tel.: 652-20 04 59, www.mesquepedra.org