Seit September 2023 können Eltern ihre Kleinkinder kostenlos in Kitas auf Mallorca und den Nachbarinseln betreuen lassen. Doch die von der Landesregierung getroffene Entscheidung zieht noch immer einen ganzen Rattenschwanz von Problemen mit sich. Nachdem in den vergangenen Monaten aus mehreren Inselgemeinden Hilferufe von Eltern zu hören waren, die wegen der gestiegenen Nachfrage keine Kita-Plätze mehr ergattern konnten, zeichnet sich nun ab, dass die öffentlichen Einrichtungen auch im kommenden Schuljahr (ab September 2024) vielerorts nicht genügend neue Plätze anbieten werden.

Kooperation mit privaten Einrichtungen

Grund dafür ist laut dem zuständigen balearischen Bildungsministerium die Weigerung vieler Gemeinden, neue Kitas bauen zu lassen. Schließlich müssen diese auch weiter instandgehalten werden, der organisatorische und finanzielle Aufwand ist enorm. Um der gestiegenen Nachfrage an der Betreuung der Null- bis Dreijährigen dennoch nachkommen zu können, setzt die Landesregierung nun vermehrt auf die Zusammenarbeit mit privaten Kindertagesstätten. Kooperationsverträge mit den privaten Trägern sollen dazu führen, dass auch hier vier Stunden Betreuung pro Tag für die Familien kostenlos angeboten werden können. Insgesamt werden laut Landesregierung 102 private Betreuungseinrichtungen bald zu halbstaatlichen (concertadas) umfunktioniert, sie bieten 3.950 Plätze an. In öffentlichen Einrichtungen sollen dagegen nur 102 neue Plätze angeboten werden, das ist ein Zuwachs von nur einem Prozent. Der Anteil der Plätze der concertadas beträgt dann bald rund 40 Prozent aller Horte.

Im Gespräch mit MZ-Schwesterzeitung "Diario de Mallorca" sehen zahlreiche Experten aus dem Bildungsbereich diese Entwicklung kritisch. Die Bildungsgewerkschaft STEI beispielsweise warnt vor einer "verdeckten Privatisierung" des Sektors, der ehemalige Leiter des Instituts für Frühkindliche Erziehung, Vicenç Arnaiz, betont, dass es wichtig sei, dass trotzdem die Ansprüche an das Personal und die Betreuungsschlüssel eingehalten würden. Auch geben Kritiker zu bedenken, dass in nicht-öffentlichen Einrichtungen oft viele Zusatzkosten anfallen (für längere Betreuungszeiten, Frühstück oder Mittagessen), die in öffentlichen Einrichtungen oft von den Rathäusern bezuschusst oder übernommen würden. Wenn die anfallenden Kosten doch auf die Familien zurückfielen, bestehe wieder die Gefahr, dass sozial Schwächere vom Angebot ausgeschlossen würden - obwohl ja eigentlich genau das durch die Gratis-Betreuung verhindert werden sollte.

Geld aus Brüssel

Dass nicht mehr öffentliche Kitas gebaut oder neue öffentliche Plätze geschaffen werden, stößt vor allem deshalb bei Kritikern auf Unverständnis, weil die Balearen von der Europäischen Union Fördergelder in Höhe von 24,6 Millionen Euro bekommen haben, die dazu bestimmt sind, bis zum Jahr 2025 knapp 2.100 neue öffentliche Kitaplätze zu schaffen. Bisher sind aber nur 23 Prozent davon ausgegeben worden. Dass viele Gemeinden sich trotz der Bezuschussung aus Brüssel dagegen sträuben, neue Einrichtungen zu bauen, liegt auch daran, dass ein Anteil der Kosten von den Rathäusern selbst aufgebracht werden muss.

Streik-Drohung

Derweil gibt es auch Ärger mit den zukünftig halbstaatlichen Kitas: Wie am Dienstag (7.5.) bekannt wurde, klagen viele der Einrichtungen darüber, dass die bürokratischen Mühlen zu langsam malten. Die Umschreibung sei kompliziert, in vielen Fällen sei nicht sicher, ob sie tatsächlich ab September die Kernbetreuungszeit kostenlos anbieten könnten. Man denke daher über Streiks nach, um die öffentlichen Institutionen auf die Dringlichkeit hinzuweisen. Vor allem der Inselrat sei mehreren Absprachen nicht nachgekommen, man hänge bezüglich der Kooperation im kommenden Schuljahr in der Luft, so die Kritik der Privat-Kitas. /somo