Mallorca Zeitung

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Sehnsuchtsort Finca auf Mallorca: So viel mehr als nur ein Ferienhaus

Eine Finca auf Mallorca, das ist Sehnsucht und Urlaub, Verklärung und Identität, Geschäft und Lebensqualität. Erkundung eines Phänomens

Moderner Pool, gepflegter Garten, alte Natursteinfassade – das sind die Komponenten, die das Herz vieler Urlauber höher schlagen lassen. Sophie Mono

Warm scheint die Abendsonne durch die Zweige der Palme am Pool und taucht die Natursteinfassade des Hauses auf Mallorca in goldenes Licht. In der Ferne bellt ein Hund. Ein angenehmer Duft liegt in der Luft. Von der Minze, die neben der Terrasse wächst und gleich in die Cocktailgläser gemischt wird. Durch die offene Verandatür weht der Geruch gebackener Rosmarinkartoffeln, selbst geerntet, im Gemüsegarten hinterm Haus. Der Tisch im Freien ist gedeckt. Zeit fürs Abendessen, an einem Ort, der idyllischer kaum sein kann.

Fast fünf Jahre sind seit diesem Moment vergangen, doch die Erinnerung wirkt nach. An das Entzücken beim ersten Anblick der urigen Finca zwischen Steineichen und Feigenbäumen, irgendwo im Nirgendwo im Gemeindegebiet Manacor. An die Vorfreude beim Kofferschleppen durch die hübschen Räume. Vorfreude darüber, an diesem traumhaften Ort, nur rund 30 Autominuten von der Wahlheimat Cala Ratjada entfernt, eine unbeschwerte Urlaubswoche mit alten Schulfreunden verbringen zu können, die extra aus Deutschland angereist sind. Abseits der Hektik und Pflichten des Alltags, in der Natur. Genau so hatten wir uns Finca-Urlaub auf Mallorca vorgestellt. Wir – und vermutlich auch alle anderen Zigtausend Deutschen, die jährlich auf die Insel kommen, und sich bewusst gegen den Hotelaufenthalt an der Küste entscheiden.

Bauernhof-Flair gibt es auf den Fincas nur noch in Ausnahmefällen. Sophie Mono

Die Kombination der Begriffe ‚Mallorca‘ und ‚Finca‘ funktioniert wunderbar“, sagt Ralf zur Linde, der einst die Agentur fincallorca.com gründete. Und das auf vielerlei Ebene: Mental setzen diese Begriffe bei uns Deutschen ein wahres Kopfkino in Gang – egal, ob man nun schon einmal selbst auf so einer Finca war oder nicht. Es sind Worte, die eine tiefe Sehnsucht auslösen. „Und im Internet sind sie ein Klickgarant“, erklärt Finca-Experte zur Linde.

Dabei ist eine Finca im spanischen Sprachgebrauch genau genommen gar nicht das, was wir Deutschen darunter verstehen. Der Begriff finca bezeichnet zunächst ein Grundstück – mit dem Zusatz urbana auch durchaus innerorts. Eine finca rústica ist ein Landgut oder ländliches Anwesen. Bezieht man sich explizit auf ein darauf befindliches Gebäude, sprechen die Spanier eher von casa rural oder casa de campo. Unter den Mallorquinern ist auch der Ausdruck casa de fora vila geläufig. Wenn wir Deutschen von einer Finca sprechen, dann meinen wir – ja, was denn eigentlich?

Außen urig, innen stylish

„Für viele ist es einfach der Inbegriff von Idylle, ein Haus auf dem Land“, sagt Ralf zur Linde. Der Hesse erlag selbst der Sehnsucht nach der Mallorca-Finca, damals, Ende der 90er-Jahre und das nicht nur als Urlauber. Durch die Entwicklung einer Lernsoftware war er zu Geld gekommen, er entschied sich für den Kauf. „Den Trend, als Deutscher eine Mallorca-Finca zu erwerben, befeuerte 1997 eine Kataster-Reform, die zuließ, dass man auf Grundstücken von nur 7.000 Quadratmetern Fincas bauen durfte. Vielen Deutschen, die Mallorca als Urlauber kannten, kam das entgegen“, erinnert sich zur Linde.

Da er seine Finca nicht ganzjährig nutzte, baute er eine „ganz kleine Homepage“ auf. „Eigentlich nur, um dort meine eigene Finca zur Ferienvermietung anzubieten. Aber immer mehr Leute baten mich, ihre Fincas ebenfalls dort aufzunehmen. Die Seite wurde groß, ohne dass es meine Absicht war.“ Heute ist fincallorca.com unter deutschen Urlaubssuchenden der führende Anbieter ländlicher Ferienhäuser auf Mallorca. Als zur Linde das Unternehmen 2019 weiterverkaufte, waren rund 2.000 Ferienvermietungsobjekte im Portfolio. Sie alle wurden von Mitarbeitern von fincallorca begutachtet. Aktuell sind es rund 1.500 Objekte, gut 1.000 davon Landhäuser.

„Im Laufe der Jahre habe ich bestimmt 4.000 Fincas auf Mallorca angeschaut. Manche Häuser wären nie und nimmer vermietbar, da geht man rückwärts wieder raus“, sagt zur Linde. Mit Lehmboden in der Küche, ohne fließend Wasser oder einfach nur antiquiert – und damit dann doch nicht ganz der Sehnsuchtsort, von dem es sich im grauen Deutschland so schön träumen lässt. „Viele deutsche Finca- Urlauber sagen, sie suchen das Authentische. Aber damit sie sich wohlfühlen, müssen die Häuser dann doch modernisiert sein.“

„Von außen am liebsten ursprünglich und mit Natursteinfassade, von innen komplett durchgestylt“, resümiert auch Victoria Llobera die Wünsche der deutschen Finca-Urlauber. Llobera arbeitet aktuell als eine von vielen Kundenbetreuern bei fincallorca.com. „Viele suchen das Romantische, Ursprüngliche, wollen dann aber doch Luxus und eigentlich genau das, was sie auch bei sich zu Hause haben.“ Die gleiche Kaffeemaschine, Fußbodenheizung, einen großen Fernseher.

In ihrer Abschlussarbeit an der Tourismusfakultät der UIB untersuchte die Mallorquinerin das Reiseverhalten der Deutschen während der Pandemie. „Zu Corona-Zeiten gabe es einen Finca-Boom, weil man dort sicherer Urlaub machen konnte als in Hotels. Der ist mittlerweile abgeklungen, auch wegen der steigenden Flugpreise. Trotzdem ist die Nachfrage groß. Und vielen Kunden geht es um diese Idylle, die sie im Kopf mit einer Mallorca-Finca verbinden.“ Es sei eine andere Art von Urlaubern als jene, die etwa All-inclusive in einem Clubhotel buchen. „Sie sind interessierter an der Insel und der Tradition, wollen mehr sehen, fragen auch immer nach den örtlichen Sehenswürdigkeiten“, sagt Victoria Llobera. Manche reize auch der Wunsch, zwei Wochen so zu leben wie die Einheimischen auf dem Land. Oder zumindest so ähnlich. „Natürlich ohne die Plackerei der Ernte. Aber das Zitrönchen fürs Wasserglas, das pflückt man dann doch gerne selbst“, sagt Ralf zur Linde.

Landwirtschaft gut in Szene gesetzt: So mögen es die typischen Finca-Urlauber. Sophie Mono

Gar nicht so umweltfreundlich

Diese etwas weltfremde, aber doch irgendwie sympathisch klingende Form des Tourismus, die sich durchaus mit dem in der Politik gern gesehenen „Qualitätstourismus“ überschneidet, hat ihre Folgen. In den vergangenen Jahren war ein wahrer Bauboom auf dem Land zu beobachten. Denn die Bestandsimmobilien allein können die hohe Nachfrage nicht befriedigen. Die 2020 in Kraft getretene Gesetzesänderung, die nur noch kleinere Bebauungen auf größeren Grundstücken erlaubt, lässt den Trend zu Neubauten auf suelo rústico bisher nur langsam zurückgehen – viele der Baugenehmigungen waren noch vor der Änderung ausgegeben worden. „Nicht zu vergessen die Pooldichte, die auf dem Land immer höher wird“, sagt Margalida Ramis, Sprecherin der Umweltschutzorganisation GOB. Sie betrachtet die Flut von Neubauten auf dem Land kritisch – ebenso wie den Finca-Urlaub an sich. So löblich es sei, dass viele Finca-Urlauber sich nicht nur für den Ballermann interessieren, sondern in gewisser Weise auch für das typische Mallorca: „Was die Umweltbilanz angeht, sind sie in der Regel schlimmer als typische Hoteltouristen“, so die Umweltschützerin. Alleine schon, weil ohne Mietwagen auf der abgelegenen Finca gar nichts geht. Hinzu kämen die Wasser- und Abfallproblematik in den Gebieten, die nicht an die öffentliche Versorgung angeschlossen sind. „Und mit der Landwirtschaft ist der Finca-Tourismus auch nicht immer kompatibel. Landwirte klagen über Urlauber- Beschwerden, weil sie der Lärm der Traktoren oder der Kuhgestank stört. Das ist dann verkehrte Welt.“

Flucht vor mentalem Stress

Doch der Finca-Tourismus hat durchaus auch seine Vorteile für die Insel. So mancher Mallorquiner springt auf den Romantisierungstrip auf – und bespielt damit eine gewinnbringende Nische. Wie beispielsweise auf dem Anwesen Son Sureda Ric bei Manacor. Die Besitzer der riesigen, mehrere Jahrhunderte alten possesió, die Familie Jara, wirbt auf der Internetseite mit eben jenen Reizwörtern, die das Herz des deutschen Individualurlaubers schneller schlagen lassen. "Wir möchten, dass Sie sich wie zu Hause fühlen und die Ruhe, die Geräusche und den Duft der mallorquinischen Landschaft genießen”, heißt es dort. “Gerade Deutsche, aber auch skandinavische oder nordamerikanische Touristen suchen das. Sie verbinden das ländliche Mallorca mit Idylle”, so Javier Jara. Schlafen kann man in dem altehrwürdigen Gutshaus von Son Sureda Ric zwar nicht, dafür bietet das Familienunternehmen aber Führungen in kleinen Gruppen über das Gelände und durch das alte Gemäuer. Alles nur Kulisse, um den Schein zu wahren? Wohl kaum. Tatsächlich ist das Gebäude oringinalgetreu erhalten, antike Einrichtungsstücke von einst lassen hier noch erahnen, wie das Leben auf dem Land früher wirklich zuging. Und auf den Feldern wird wieder echter Wein angebaut. “Natürlich war es in vielerlei Hinsicht noch im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts sehr hart, hier zu bestehen und das verheimlichen wir nicht. Aber die Menschen waren damals auch mehr mit der Natur verbunden, hatten eine andere Ruhe als wir heute. Früher ermüdete sie die physische Arbeit, heute fliehen viele vor dem mentalen Stress - und finden Ruhe und Frieden eben im ländlichen Mallorca”, bewertet Jara.

Eigentlich eher bescheiden

„Ich kann diese Romantisierung verstehen, und auch, wenn Menschen gerne in einem netten alten Haus im Es Pla wohnen möchten, aber es hat wenig mit dem wirklichen Mallorca zu tun. Weder im Bezug auf früher noch auf heute“, sagt der Volkswissenschaftler Felip Munar von der Balearen-Universität. Noch vor 100 Jahren seien die oft ärmlichen und nur spartanisch eingerichteten cases de fora vila lebenswichtig gewesen, hätten den Menschen Schutz gegeben, wenn sie das Land bearbeiteten, um gegen den Hunger anzukämpfen. „Das war alles andere als luxuriös, da ging es ums Überleben“, sagt Munar. Viele der Ferienhäuser, die jetzt so gefragt sind, seien aus alten Häuschen hervorgegangen, die Großgrundbesitzer ihre Arbeiter auf unfruchtbaren Teilen ihrer Grundstücke errichten ließen. Wer in „Sa Rota“ lebte, hatte sonst nicht viel.

Und auch heute leben Durchschnittsmallorquiner eher selten in einer Luxusfinca, wie man sie sich als Nordeuropäer mal für ein paar Wochen zum Ausspannen gönnt. „Die casas rurales sind oft noch immer bescheiden, strahlen aber familiäre Wärme ab und das bedeutet den Menschen hier viel“, sagt Felip Munar. Auch er selbst verfüge über ein solches Häuschen, das er, wie viele seiner Landsleute, nicht als ständigen Wohnsitz nutzt, sondern als Rückzugsort am Wochenende oder im Sommer. Eigentlich ähnlich wie die ausländischen Teilzeitresidenten. „Wer nicht die Notwendigkeit hat, es zu vermieten oder gar zu verkaufen, der kann sich glücklich schätzen“, sagt Munar. Die Bindung der Mallorquiner zur Erde sei immer noch stark. „Viele von uns sind Wochenendbauern, haben ein einfaches Häuschen mit Grundstück, eine kleine Oase im Sommer, mit Gemüsegarten für den Eigenbedarf. Das ist ein ganz besonderes Gefühl, das sich auch in Zukunft halten wird.“

Auch Victoria Llobera von fincallorca.com fühlt sich mit dem ländlichen Mallorca eng verbunden, obwohl sie selbst immer in einer Wohnung gewohnt hat. Doch regelmäßig trifft sich ihre Familie bis heute auf einer Finca, die einst den Großeltern gehörte. Zum gemeinsamen Essen, bei dem die verschiedenen Generationen zusammenkommen. Für Llobera ein Teil ihrer Kindheit und ihrer selbst. „Ich hoffe, dass das meine Kinder eines Tages auch erleben werden“, so die 29-Jährige. Und dass das Haus, wie so viele andere, nicht zum Verkauf angeboten wird.

Luxus und Lifestyle mögen viele Finca-Urlauber besonders gern. Beloni

Beim Verkauf lockt das große Geld

Der Trend geht in eine andere Richtung. Zwar sind die meisten Finca-Vermieter noch immer Insulaner. Doch nicht alle können oder wollen ihre Immobilien halten. Nicht selten sind die geerbten oder vor langer Zeit erstandenen Landgüter das einzige verzichtbare verbliebene Vermögen. Das schnelle, und vor allem große Geld, das beim Verkauf herausspringt, lässt viele schwach werden. „Die Verkaufspreise für ländliche Fincas liegen in der Regel im siebenstelligen Bereich“, berichtet Timo Weibel von der Immobilienagentur Porta Mallorquina, die auf den Verkauf gehobener Landhäuser spezialisiert ist. Zwischen 1.200 und 1.500 Objekte hat das Unternehmen im Portfolio. Für weniger als eine Million Euro würden in der Regel nur solche Immobilien angeboten, die entweder in sehr schlechtem Zustand oder nicht ganz legal seien. „Das passiert im ländlichen Raum oft, dass nicht alle Genehmigungen vorliegen und dann keine baulichen Veränderungen mehr vorgenommen werden können“, so Weibel. Seit einiger Zeit würden immer mehr Deutsche immer mehr Zeit in ihren Fincas verbringen, Homeoffice sei Dank. „Die Gruppe derer, die sie als Erstwohnsitz oder zumindest gleichwertigen Zweitwohnsitz sehen, steigt.“

Mallorquinischer Finca-Traum

Auch Toni Galmés hat sich für das dauerhafte Leben auf dem Land entschieden und zum Kauf entschlossen – und ist als junger Mallorquiner damit eher eine Ausnahme. Gemeinsam mit seiner Freundin Magda Sastre kaufte der heute 36-Jährige vor fünf Jahren seiner Großmutter ein bescheidenes Landhaus im Hinterland von Capdepera ab, mit finanzieller Hilfe von Sastres Eltern. Allein hätten die Meeresbiologin und der Programmierer die Ausgaben nicht stemmen können. Seitdem wohnen die beiden dauerhaft in dem Häuschen auf einem rund 5.000 Quadratmeter großen Grundstück. Wasser gibt es über einen Tank, Strom nur über Solarzellen.

„Bevor wir hier lebten, stellten wir es uns wie in einem Heidi-Film vor, aber oft ist es eher ein Horrorstreifen“, sagt Galmés, allerdings mit einem Grinsen. Im Winter macht ihnen in dem schlecht isolierten Gebäude die Feuchtigkeit zu schaffen, im Sommer die brütende Hitze, und ganzjährig ist da das Unkraut, das unerbittlich wuchert. Kein Ort, an dem sich der Durchschnitts-Finca-Urlauber oder der gut betuchte Auswanderer wohlfühlen würde. Dabei sorgen die fünf Katzen, der Hund, die 35 Hühner, zwei Gänse und zwei Enten in den selbst gebauten Gehegen durchaus für nettes Bauernhof-Flair. Der alte safareig, den das Paar im Sommer als Pool nutzt, entspricht nicht den neuesten Standards, ist an Authentizität aber kaum zu überbieten. Das Beet hält Gemüse bereit, will aber gepflegt werden. „Ich bereue die Entscheidung, aus der Wohnung hierhergezogen zu sein, nicht. Magda hat solche und solche Tage“, sagt Toni Galmés. Doch wenn sie an lauen Sommerabenden in Hängematten auf der Terrasse liegen, oder an Sant Antoni Freunde ums eigene Lagerfeuer im Garten versammelt haben, wissen sie wieder, warum sie die Mühen auf sich nehmen. Ihr eigener kleiner Finca-Traum eben.

Er ist ein wenig anders als der, den wir Deutschen träumen, wenn wir uns auf die Urlaubsfinca freuen. Bodenständiger, realitätsnaher, bescheidener – mallorquinischer eben. Doch Träume dürfen ja durchaus variieren. Der Luxus der Urlaubsfinca mag mehr auf einer Inszenierung als auf Authentizität aufbauen. Eine Woche im Paradies. Doch es ist eine Illusion, die noch jahrelang die Seele wärmt.

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