Mallorca Zeitung

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Höhepunkt der Karwoche auf Mallorca: Wie sich die Menschen in Pollença auf die Kreuzabnahme vorbereiten

365 Stufen bis zur Gänsehaut: Am Karfreitag steht das „Davallament de la Creu" auf der Treppe des Kalvarienbergs an. Ein Vorabbesuch in dem kleinen Dorf in Mallorcas Nordosten

Die Treppe des Kalvarienbergs in Pollença. Nele Bendgens

In der Nacht von Karfreitag werden die 365 Treppen des Kalvarienberges in Pollença wieder Schauplatz des „Davallament de la Creu“. Entlang der von Zypressen gesäumten Treppe wird eine Christusfigur symbolisch vom Kreuz abgenommen und hinunter in das Dorf getragen. Anlässlich der traditionellen Prozession lockt es am Osterwochenende zahlreiche Besucher in das kleine Dorf in Mallorcas Norden.

Von diesem Trubel ist eine Woche vor Ostern beim MZ-Besuch noch nicht viel zu sehen. Nur wenige Touristen sitzen in den kleinen Cafés am Fuße der Treppe und genießen das frühsommerliche Wetter.

Die Urlauberfamilie

Familie Gaida aus Hannover. Nele Bendgens

Auch Familie Gaida aus Hannover hat sich an diesem Tag das Ziel gesetzt, alle 365 Treppenstufen des Kalvarienberges in Pollença zu erklimmen. Die Eltern sind mit ihrer Tochter das erste Mal zusammen auf Mallorca. „Wir wohnen in einer Unterkunft in Sa Pobla, haben aber im Internet von der Treppe hier in Pollença gelesen und wollten sie uns unbedingt anschauen“, sagt die Mutter. „Die vielen kleinen Läden und Cafés hier in Pollença gefallen uns sehr. Es hat sich auf jeden Fall gelohnt herzukommen.“

Familie Gaida hat die Osterferien als Reisezeit genutzt, weil die Insel jetzt noch nicht so voll und auch die Temperaturen noch angenehm seien. Die Osterfeierlichkeiten und die Kreuzabnahme am Karfreitag können sie leider nicht miterleben: „Wir machen nur einen Kurzurlaub und feiern Ostern leider nicht auf der Insel“, sagt die Mutter.

Die Zugewanderte

Ein paar Treppenstufen weiter oben sitzt Mariana vor ihrem Laden und wartet auf Kundschaft. Am Vormittag ist trotz des schönen Wetters noch nicht allzu viel los. Seit 2010 verkauft die Argentinierin hier Kleidung und Souvenirs. Für die Feierlichkeiten rund um das Osterfest trifft sie keine speziellen Vorbereitungen. Das Davallament am Karfreitag gehöre einfach zu Pollença dazu.

Mein Laden ist wie an jedem anderen Tag auch geöffnet. Ich nutze die ganze Saison von März bis Oktober aus“, erzählt sie. Seit Jahren erlebt Mariana die Feierlichkeiten rund um das Osterfest mit all den Vorbereitungen mit. Trotzdem erzählt die Argentinierin, sie habe das Gefühl, als würde sie nicht ganz dazu gehören: „Egal wie lange man hier lebt, man wird nie pollençí, wenn man von außerhalb kommt“, sagt sie.

Die Einheimische

Die Ladenbesitzerin Marien. Nele Bendgens

Eine, die von hier kommt, ist Marien. Die Mallorquinerin betreibt wenige Meter von Marias Laden entfernt ebenfalls ein kleines Souvenirgeschäft. Auch sie hat an den Osterfeiertagen geöffnet, denn gerade an diesen Tagen verschlage es viele Menschen nach Pollença.

Doch am Karfreitag um 21 Uhr, wenn die Prozession beginnt, schließt Marien ihren Laden. „An diesem Tag kommen die ersten Leute meistens schon um 16 Uhr, damit sie später die besten Plätze haben“, erzählt sie. Die Tradition werde von den Menschen hier sehr ernst genommen. Früher habe sie sich jedes Jahr an einen anderen Punkt auf der Treppe gestellt. Denn je nachdem, wo man stehe, sehe das Davallament anders aus.

„Ich habe damals immer zusammen mit meinen Kindern zugeschaut, heutzutage mache ich das aber nicht mehr. Ich gehe jetzt meistens nach Hause“, sagt sie. Die Mallorquinerin ist davon überzeugt, dass man mindestens einmal in seinem Leben das „Davallament de la Creu“ gesehen haben muss.

Sehenswürdigkeit im Norden: Die Treppe hinauf zum Kalvarienberg in Pollença. Nele Bendgens

Die Kreuzabnahme, an die sich eine Prozession bis zur Kirche anschließt, ist fester Bestandteil der Karwoche (Semana Santa). Auch in Pollença sind die Büßer mit hohen spitzen Kapuzen und rasselnden Eisenketten unterwegs. Die Prozession findet dabei in absoluter Stille statt, meist bei Mondschein und nur von Fackeln beleuchtet. Seit letztem Jahr dürfen erstmals auch Frauen in Gewändern teilnehmen. Die Feierlichkeiten beginnen um 21 Uhr auf dem Kalvarienberg vor der kleinen Kapelle, wo auch eine Messe stattfinden wird. Sie wird in vier verschiedenen Sprachen abgehalten: Spanisch, Katalanisch, Deutsch und Englisch. So sollen nicht nur Einheimische, sondern auch die ausländischen Residenten und die Urlauber den Worten folgen können.

Der Bürgermeister

Bürgermeister Martí March. Nele Bendgens

Unten auf der Plaza treffen die MZ-Reporterinnen zufällig auch Bürgermeister Martí March (PSOE, Sozialisten). Die Feierlichkeiten rund um das „Davallament de la Creu“ seien lange im Voraus geplant, sagt der ehemalige balearische Bildungsminister. Die Stadt halte sich dabei aber größtenteils heraus: „Die Kirche organisiert die Prozession ganz allein.“ Programm und Ablauf lägen ganz in der Hand der Geistlichen. „Die Gemeinde Pollença unterstützt lediglich mit Polizisten, die am Karfreitag die Absperrungen überwachen“, so March. Außerdem sorge das Rathaus dafür, dass die Straßen und der Ort vor Ostern gereinigt werden. So werde zum Beispiel Unkraut an der Treppe entfernt.

Als Kind habe er oft selbst an den Prozessionen teilgenommen, sagt der Bürgermeister. Heute sei es ihm aber wichtig, sein Amt und seine Tätigkeiten als Privatperson strikt zu trennen, hält sich Martí March bedeckt. Ob er in diesem Jahr zusehen wird, wisse er noch gar nicht. „Jeder muss selber entscheiden, ob er daran teilnehmen möchte oder nicht.“

Die Anwohnerin

Anwohnerin Irene. Nele Bendgens

Eine, die die Ostertradition jedes Jahr hautnah miterleben kann, ist Irene. Sie ist eine der wenigen verbleibenden Einheimischen, die noch direkt an der Treppe wohnen. Die meisten der anderen Häuser würden für die Ferienvermietung genutzt, sagt sie.

Auch wenn ihr Haus direkt an der Touristenattraktion in Pollença liegt: Die vielen Menschen, die das Dorf jährlich besuchen, stören sie nicht. „Tagsüber ist es natürlich voll, aber dafür ist es abends dann meistens wieder ruhig. Dieser Kontrast gefällt mir“, sagt Irene. Ursprünglich kommt sie aus Palma, für ihren Partner ist sie aber nach Pollença gezogen. Das „Davallament de la Creu“ kann sie jedes Jahr dadurch hautnah miterleben. „Ich habe natürlich den Vorteil, dass ich die Prozession direkt von meinem Haus aus erleben kann. Oft kommen am Karfreitag auch Freunde von mir vorbei, und wir schauen uns das gemeinsam an.“

Ab 21 Uhr werde es dann still: „Es ist ein sehr emotionaler Moment – nicht nur für die Menschen, die hier leben. Wenn die Christusfigur die 365 Treppenstufen heruntergetragen wird, herrscht eine unglaubliche Ruhe. Die Leute haben vor der Tradition sehr viel Respekt“, sagt Irene. Selbst, wenn man nicht gläubig ist, sei bei dieser Prozession am Karfreitag auf jeden Fall Gänsehaut garantiert.

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