Als vor wenigen Tagen Bilder eines Informatiklehrers aus Ghana im Internet die Runde machten, der mangels Computern das ­Interface des Schreibprogramms „Word" für seine Schüler detailgetreu auf die Tafel malte, bekam Cris Blanco den Link gleich mehrmals geschickt. Zu sehr erinnerten diese Bilder an das Stück „Bad Translation", das Blanco am 16.3. im Rahmen des Minifestivals „Constel·lació ­Creadora" für neue Dramaturgie am Teatre Principal in Palma präsentiert. Darin zu sehen: ein riesiger Computerbildschirm aus Pappe, der von Schauspielern von Hand bedient wird.

Doch der Reihe nach: Es ist anderthalb Jahre her, dass die 40-Jährige ihr Stück „El agitador vortex" im Teatre Principal aufführte. Ein ebenso brillantes wie absurdes, lustiges und originelles Ein-Frau-Theater. Es handelte von einer Schauspielerin, die einen Film drehen möchte, sich aber alle paar Minuten in einem neuen Filmgenre wieder- und zurechtfinden muss. Kurz vor dem Ende kommt die Protagonistin etwa ins Weiße Haus. Dort sitzt Kate Winslet in ihrer „Titanic"-Rolle am Schreibtisch des Oval Office als US-Präsidentin. Begleitet wird sie dabei per Video von der katalanischen Opernsängerin Montserrat Caballé und der verstorbenen spanischen Schauspielerin Ricío Jurado. Durch diverse kosmische Verwicklungen sind die drei Frauen gezwungen, alle fünf Minuten „My Heart Will Go On" als Karaoke zu singen. Und wo es schon da ist, soll das Publikum bitte schön mitmachen. Blanco filmte sich dabei selbst auf der Bühne, die Bilder wurden live auf eine Leinwand projiziert.

Freiheit, sich auszuleben

Blanco sagt, sie arbeite sich in ihren Stücken gern in Themen ein, von denen sie nicht unbedingt eine Ahnung habe. „Ich glaube, wenn man nicht alles weiß, hat man mehr Freiheit, sich auszuleben", sagt sie. Vor einigen Jahren etwa entwarf sie das Stück „Cien­cia Ficción", in dem Naturwissenschaften eine Rolle spielten. In „El agitador vortex" waren es Filmtechniken, mit denen sich die gelernte Theaterschauspielerin auseinandersetzen musste. Und in „Bad Translation" sind es die sozialen Netzwerke, die neuen Technologien im Allgemeinen, um die es geht. „Im Wesentlichen haben wir versucht, die digitale Welt ins echte Leben zu übertragen."

„Bad Translation" ähnelt „El agitador vortex" in dem Sinne, dass auch hier eine Kamera läuft und das Geschehen über der Bühne auf eine Leinwand projiziert wird. Gezeigt wird dort ein Computerbildschirm, erzählt wird die Geschichte einer jungen Frau, die im Internet surft. „Teilweise hat man das Stück als technologiekritisch beschrieben", erzählt Blanco. „Aber das ist es nur bedingt. Vielmehr ging es mir darum, zu zeigen, wie wir uns selbst präsentieren. Welche ­Lügen wir beispielsweise im Internet erzählen."Stücke leben von Fehlern

Ein wesentlicher Unterschied zum vorherigen Werk ist, dass sie bei „Bad Translation" nicht allein auf der Bühne steht. „Meine Stücke leben davon, dass immer wieder Fehler passieren können, diese teilweise sogar gewollt sind. Es nimmt mir aber die Nervosität, wenn ich nicht die Einzige bin, der diese Fehler passieren", sagt die ­Schauspielerin, die aus Madrid stammt und seit einigen Jahren in Barcelona lebt. An ihrer Seite spielen unter anderem Cris Celada und Amaranta Velarde. Celada präsentiert mit ihrer Kompagnie „El Pollo Campero" am 15.3. das Stück „Las actrices siempre mienten" (Schauspielerinnen lügen immer), eine Inszenierung, die sich mit der Rolle der Frau in der Theaterwelt beschäftigt. Und Velarde zeigt am 17.3. „Mix-en-Scene", eine Mischung aus DJ-Set und Tanztheater.

Man kann Blanco auf dem Festival aber auch solo auf der Bühne erleben: Am 14.3. präsentiert sie „Pelucas en la niebla" (Perücken im Nebel), ihr allerneustes Stück, das erst im Februar beim Festival „Salmón" in Barcelona uraufgeführt wurde. Darin widmet sie sich der Musik. „Sie ist schon immer ein Teil meines Lebens. Ich habe immer viel für mich gesungen. Aber ich habe keine Ahnung davon, in dem Sinne, dass ich keine Ahnung von Notenlehre habe." Vielmehr sei sie das Thema auf ­emotionale Weise angegangen. „Ich habe mich gefragt, warum manche Musikstücke in uns so krasse Gefühle auslösen können, dass wir beispielsweise anfangen zu weinen."

Wie bei "Stranger Things"

Herausgekommen ist ein knapp 50-minütiges Konzert, wobei der Begriff eher unangebracht ist. Vielmehr schaut man Blanco dabei zu, wie sie in ihrem stillen Kämmerchen sitzt und Musik macht. „Die Zuschauer befinden sich im gleichen Raum, aber in einer anderen Dimen­sion", versucht sich Blanco an einer Erklärung. „Ein bisschen ist es wie in der Netflix-Serie 'Stranger Things': Der Junge ist hinter der Wand, aber egal, was er versucht, er kann nicht zurück in die echte Welt. Ein bisschen so ähnlich ist die Rolle des Publi­kums in diesem Stück."

Während „El agitador vortex" und auch „Bad Translation" das Absurde zelebrieren und durch ihre originelle Darstellung auftrumpfen, sucht das neue Stück eher die Intimität. „Es gibt sicherlich auch lustige Momente, aber die ergeben sich eher dadurch, dass man Mitleid mit diesem Menschen hat, der da auf der Bühne steht." Doch es gab auch andere Reaktionen: „Teilweise haben die Leute bei den ersten Aufführungen des Stückes vor Rührung geweint. Damit hätte ich nicht gerechnet. Es zeigt, was für eine Kraft Musik haben kann."

Blanco spielt in dem Stück sowohl eigene Kompositionen als auch Stücke von anderen Musikern. „Leider glaube ich nicht, dass ich mit dieser Arbeit zu einer besseren Musikerin geworden bin."

Constel·lació Creadora, ­Teatre Principal, 14.3. „Pelucas en la niebla", 15.3. „Las actrices siem­pre mienten", 16.3. „Bad Transla­tion", 17.3. „Mix-en-Scene", jeweils 20 Uhr, Karten 15 Euro außer „Bad Transla­tion" 18 Euro. Tickets unter www.teatreprincipal.com