Sein Name ist halb Spanisch, halb Deutsch und voll europäischer (Film)geschichte. Der französische Künstler Aguirre Schwarz ist Enkel eines elsässischen Künstlers namens Schwarz und Sohn eines Filmregisseurs mit Schwäche für Werner Herzog. Er taufte seinen Sohn nach dem von Klaus Kinski verkörperten Helden des Films „Aguirre, der Zorn Gottes". Darin wird das Schicksal des spanischen Eroberers Lope de Aguirre erzählt, der sich 1560 auf der Suche nach El Dorado durch den Amazonas­urwald schlug und im Film schließlich verrückt wird. Den Vornamen eines goldgierigen Spaniers zu tragen, davon scheint der 37-Jährige zu profitieren. „Ich finde meinen Namen inspirierend", sagt er mit einem breiten Lächeln am Pool des Centro Cultural Andratx, „er klingt nach Gold, nach schwarzem Gold".

Das schwarze Gold Erdöl ist ein großes Thema in seiner Arbeit und in der für das CCA entwickelten Ausstellung „The Autobiography of Aguirre Schwarz. An exhibition by Zevs." Kurator ist der Däne Toke Lykkeberg, der Schwarz seit rund zehn Jahren kennt und den Kontakt zum CCA hergestellt hat.

Etwa acht Monate hat der in Berlin und zuletzt auch auf Mallorca lebende Künstler die Ausstellung in der Kunsthalle vorbereitet. Sie besteht aus einer Serie lackierter Drucke, die sich auf das Bild „A Bigger Splash" des US-amerikanischen Pop Art-Künstlers David Hockney beziehen. Gezeigt wird eine menschenleere, moderne Villa mit Pool, Palmen und viel Himmel. Schwarz hat in seiner Version des Bildes aus dem Jahr 1967 den ­titelgebenden Spritzer im Pool entfernt und stattdessen ein Graffiti an die Hauswand gemalt: Immer ist es das Logo eines Erdölkonzerns wie Shell, BP oder Exxon, und immer rinnt von der Wandmalerei schwarze Farbe (oder Erdöl) in den Pool. Dort bilden sich schwarze Wolken der Verschmutzung.

Der zweite Teil der Ausstellung besteht aus sechs Sonnenbänken, die die Besucher anschalten können, indem sie eine Münze in einen Automaten werfen. „Sie müssen auf Mallorca für die Sonne bezahlen", sagt Schwarz und grinst. Mehr noch: Erst das UV-Licht der Solarien macht sichtbar, was der Künstler auf kleine, zunächst monochrom wirkende Leinwände mit eigens entwickelten Pigmenten gedruckt hat. Es sind Fotos, die auf ­UV-Licht reagieren. Sie zeigen in knalligen Farben und auf ansprechende Art die Vernetzung von Banken und Börse, Tourismus und Luxus, Kultur und Lifestyle: Das Porträt des Erdölmagnaten John Davison Rockefeller hängt neben dem Porträt einer jungen Brigitte Bardot, Tintenfische, Shell-­Muscheln oder Palmen­alleen, die sich in Autoscheiben spiegeln, sind zu erkennen. Schnell wird klar: Aguirre Schwarz ist ein scharfer Kapitalismus­kritiker.

„Es geht mir um falsche Paradiese, um Luxus und den Preis, den wir dafür bezahlen", sagt er ernst. Das Thema beschäftigt ihn schon lange. Angefangen hat der große, blauäugige Mann als Graffiti­künstler Ende der 80er Jahre in Paris. Unter dem Pseudonym Zevs und anderen Decknamen umrandete er nachts die Schatten von Straßenlaternen, Bänken oder Ampeln, um sie auch tagsüber sichtbar zu machen. Die Serie heißt „Electric Shadows" und wurde vom Pariser Rathaus bald zur Kunst erklärt: Die Putztrupps sollten sie nicht mehr entfernen.

In Berlin begann er nach der Jahrtausendwende, Fotomodellen auf Werbeplakaten einen Kopfschuss auf die Stirn zu malen, oder er schnitt sie direkt aus. Als Nachricht hinterließ er die Botschaft: „Visual Kidnapping - Pay Now!". Seitdem ist der Diebstahl von Plakaten oder Postern im öffentlichen Raum mancherorts im Trend. Schwarz sagt dazu: „Ich nehme an einem interaktiven Spiel teil. Wenn die Marken unsere Aufmerksamkeit fordern, entführe ich ihre Motive und verlange eine symbolisches Lösegeld von 500.000 Euro."

Später begann er mit der Serie „Liquidated Logos": Unter bekannte Markenzeichen malte er Rinnsale in denselben Farben. Google, MacDonald´s, Levis oder Apple tropften plötzlich, schienen sich aufzulösen. Die betroffenen Firmen fanden das nicht lustig. Als Schwarz 2009 ein Prozess drohte, weil er auf die Fassade eines Armani-Ladens in Hongkong ein triefendes Coco Chanel-Logo gemalt hatte, nahm seine Karriere eine Wende: Paparazzi outeten ihn. Seitdem arbeitet er mit seinem echten Namen, nicht mehr auf der Straße, sondern in Galerien. „Die Wirkung und das Publikum sind anders, klar", sagt er, „aber die Botschaft ist dieselbe."

Die Thematik falsches Paradies passt natürlich zu Mallorca. Nach dem Besuch der Ausstellung möchte man die Insel als eine Maschine mediterraner Sehnsüchte definieren, die durch Unmengen Kerosin am Laufen gehalten wird. Das Umland und die Küste vor dem Flughafen leiden unter der intensiven Berieselung mit dem Treibstoff: Der Preis, den wir für die Idylle zahlen.

Schwarz findet Mallorca trotz aller Kunst und Kritik „schön und entspannend". Das Interview fand auf seinen Wunsch am Pool des CCA statt, wo sich bald freche Tramuntana-Ziegen über die Bepflanzung hermachten. Die perfekte Idylle für eine Großstadtmenschen.

Die Ausstellung läuft bis 5. Juli. Eintritt: 8 Euro (inklusive Münze fürs Solarium). C/. ­Estanyera 2, Andratx. www.ccandratx.com

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 2. April (Nummer 778) lesen Sie außerdem:

- Bilder, die Geschichten erzählen: Ex-Architekt und Maler Werner Wöber

- Pianist Jan Gerdes bietet Workshop auf Mallorca an