Mallorca ist für den aus Israel stammenden Dirigenten Lior Shambadal kein Neuland. Mit den Berliner Sinfonikern, deren Chefdirigent er seit 1997 ist, hat er schon mehrere Gastauftritte auf der Insel absolviert. Sogar ein gemeinsames Konzert des Berliner Orchesters zusammen mit den Balearen-Sinfonikern hat es vor acht Jahren schon gegeben. Diesmal allerdings muss Shambadal alleine nach Palma reisen.

Wie kam es zu diesem Gast­engagement auf Mallorca?

Ich habe gute Kontakte zu den ­Festivalleitern von Música Mallorca und wurde eingeladen. Eigentlich sollte wieder das ganze Orchester kommen, aber das hätte das Budget gesprengt. Wobei das momentan überall auf der Welt so ist. Wir hätten auch nach Südkorea reisen sollen, und am Ende fuhr ich alleine.

Geht es also derzeit vielen Orchestern so wie den Balearen-Sinfonikern, die monatelang auf ihre Gehälter warten und erst streiken müssen, bevor sie bezahlt werden?

Das ist sicherlich kein Einzelschicksal. Wir befinden uns in einem internationalen Krieg gegen die Kultur. In den USA ist es besonders dramatisch, in Spanien und Portugal ist die Situation aufgrund der Wirtschaftskrise zusätzlich verschärft. Aber überall werden Orchester geschrumpft, fusioniert oder ganz geschlossen. In Deutschland sind seit der Wiedervereinigung bestimmt 30 Sinfonieorchester verschwunden. An der Kultur wird immer als Erstes gespart, was ein Fehler ist, weil unsere Kinder keine musikalische Erziehung mehr bekommen, Hauptsache Chemie und Physik wird unterrichtet. Aber die Politiker werden das nicht verstehen, die Revolution muss vom Volk kommen.

In Krisenzeiten ist es aber doch nachvollziehbar, dass an der Hochkultur gespart wird, die nur ein kleiner Teil der Bevölkerung in Anspruch nimmt und die sich ohnehin nicht ohne Subventionen finanzieren kann.

Das ist richtig. Als ich Generalmusikdirektor des Pfalztheaters ­Kaiserslautern war, hatten wir immer volles Haus, konnten mit den Einnahmen aber nur 14 Prozent unseres Budgets bestreiten, den Rest musste der Staat zuschießen. Die Politik muss deshalb eine Entscheidung treffen: Will ich dafür Geld ausgeben oder nicht? Auch Palma muss sich überlegen, ob es ein Orchester möchte und ob das wichtig ist für die Menschen, die hier leben und auch all die Urlauber.

Sie sind als Dirigent viel herumgekommen. Wo werden ihrer Meinung nach Kultur und vor allem klassische Musik noch am meisten wertgeschätzt?

Momentan gibt es auf der Welt noch drei Orte, wo das der Fall ist. In Südamerika, in Chile, Venezuela oder Kolumbien sind die Menschen sehr dafür zu begeistern. Dann natürlich in Japan, wo eine Art Musik-Massenhysterie herrscht, die Leute in die Konzerte strömen und jeden beliebigen Preis dafür bezahlen. Und China, wo es mittlerweile viele Konzertsäle und auch einige gute Orchester gibt.

Im alten Europa, der einstigen Wiege der Hochkultur ist es also schlecht um diese bestellt?

Sie sagen es. Das passende Bild wäre das einer alten Frau mit sehr viel Schminke, die dennoch anfängt zu bröckeln. Und die Musiker müssen alle möglichen Jobs machen, um zu überleben. Ehrlich gesagt bin ich froh, dass meine Kinder keine Musik machen. Diese Branche hat keine Zukunft.

Wie sieht es bei Ihnen aus? Man sagt, Sie machen Ihren Job quasi ehrenamtlich?

Ich werde schon bezahlt, natürlich nicht wie früher. Ich bekomme Geld für die Konzerte. Den ganzen Rest und alles im Büro mache ich ehrenamtlich. Unsere Subventionen wurden schon vor zehn Jahren ­abgeschafft, aber wir haben ein so treues Publikum, daher spielen wir weiter. Mit unseren Tourneen im Ausland, in China und Japan, verdienen wir gutes Geld, um die Konzerte zu Hause zu finanzieren. Absurd, oder? Doch es könnte wieder aufwärts gehen, dieses Jahr sollen wir wieder Zuschüsse bekommen.

Mit Rimski-Korsakow bieten Sie den Zuhörern in Palma nicht gerade leichte Kost.

Die Musik ist wahrlich nicht leicht, aber ich finde sie passt gut zum Frühlingsanfang.

Reagiert das Publikum in verschiedenen Ländern unter­schiedlich auf die gleichen Stücke oder Komponisten?

Die Menschen sind überall gleich, und auch die von der Musik ausgelösten Emotionen sind es. Ich habe das Publikum in Palma in guter Erinnerung, begeistert, sehr freundlich und zufrieden. Eine sehr angenehme Erfahrung, deshalb komme ich gerne wieder.

Die Highlights von Rimski-Korsakoff

Lior Shambadal, Chefdirigent der Berliner Sinfoniker, leitet am Donnerstag (27.3.) das achte Konzert der Saison 2013/14 der Balearen-Sinfoniker. Der Abend steht im Zeichen des russischen Komponisten Nikolai Andrejewitsch Rimski-Korsakow (1844-1908) und drei seiner bekanntesten Werke für Orchester. Den Auftakt bildet die Ouvertüre „Russische Ostern", bevor noch vor der Pause mit dem „Capriccio espagnol" Themen aus Spanien erklingen. Nach der Pause steht die große sinfonische Suite „Scheherazade" auf dem Programm. Beginn des Konzerts ist um 20 Uhr im Auditorium Pin alma. Karten gibt es für 20 oder 30 Euro direkt am Auditorium oder im Internet unter ­auditoriumpalma.com.

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