Wenn Sheela Gathright ein Video von einem ihrer Auftritte sieht, schlägt sie spontan erst einmal die Hände vor die Augen. Und blinzelt dann durch die Finger hindurch - nur um den Kopf gleich wieder kopfschüttelnd wegzudrehen. „Das kann ich gar nicht anschauen", sagt die US-amerikanische Soul- und Jazzsängerin, die über die Jahre, gerade auch innerhalb der deutschen ­Insel-Community, zu einer veritablen Institution geworden ist.

Dabei kann sie sich über mangelnden Erfolg nicht beklagen: Mit „Palma Groove Project", das Sheela Gathright gemeinsam mit dem Produzenten und Komponisten Orlando Lund vergangenes Jahr ins Leben rief, starten die beiden durch. Das gleichnamige erste Album ist Ende Dezember erschienen - und wurde in dieser Woche vom Online-Fachmagazin „Soul Spain" mit Platz zwei der aktuellen Top Ten belohnt. „Ich wollte mal etwas anderes machen, und beweisen, dass ich auch richtig grooven kann", sagt die Sängerin, die seit über 15 Jahren auf der Insel lebt und außer für Mallorca auch noch ein ausgeprägtes Faible für Deutschland hat.

Für ihr neuestes Projekt an der Seite von Instrumentalkünstler Enno Kremser hingegen schlägt sie ruhigere Töne an: Die beiden arbeiten als „Just2" an einer Platte mit Akustik-Soul. Gathright schreibt die Texte, Kremser, mit dem sie seit vielen Jahren arbeitet und auftritt, die Musik. Die ersten Stücke haben sie schon getestet - und zwar in Deutschland. Beide Musiker sind Teil der Band Szenario, die neben normalen Konzertauftritten vor allem auf Events von großen Unternehmen wie Daimler, Deutsche Bank oder Lufthansa spielen. Zwei der Just2-Songs haben sie bereits erfolgreich auf die Bühne gebracht, im Herbst soll die erste CD erscheinen.

Seit 22 Jahren tritt sie mit Szenario auf: „Das ist die längste Beziehung, die ich je hatte", grinst sie am Küchentisch ihres Hauses in Biniali. Die regelmäßigen Auftritte mit der Band sind auch der Grund, warum sie nach wie vor eine Wohnung in Deutschland hat. Allerdings nicht mehr in Köln, wo sie lange Zeit lebte, sondern mittlerweile in Berlin-Kreuzberg. Ein echter Kontrast zum beschaulichen mallorquinischen ­Mini-Dorf mit 200 Einwohnern.

Noch deutlicher ist der Kontrast aber wohl zu ihrer Geburtsstadt New York. Dort liegen ihre breit gestreuten musikalischen Wurzeln: „Den Sommer verbrachte ich in Boston, den Winter in der Bronx - musikalisch gesehen kam ich also vom einen Extrem ins Andere". Das Talent liegt wohl auch in den Genen: Schon ihr Vater verdiente unter dem Künstlernamen Willie Wright sein Geld als Soulsänger. Den allerersten musikalischen Auftritt hatte Sheela als Backgroundsängerin bei seinem Song „I´m So Happy Now". Da war sie elf Jahre alt: „Ich kam damals kaum ans Mikrofon", erinnert sie sich. Sie sei glücklich gewesen, mit ihrem Vater singen zu dürfen - als ersten Schritt in die Gesangskarriere will sie das aber nicht verstanden wissen. „Ich wollte als Jugendliche vor allem reisen und entdecken", sagt sie.

Mit 19 kam sie nach Deutschland - und blieb. „Mir gefiel vor allem der Lifestyle und die Lebens­qualität in Europa, die vielen verschiedenen Sprachen. Dass man einfach mal übers Wochenende nach Paris fahren kann." Geld verdiente sie anfangs, wie auch schon in den USA, vor allem als Model: „Bruce Darnell und ich, wir waren praktisch die erste beiden farbigen Models in Deutschland."

Durch Zufall und gutes Zureden von anderen versuchte sie sich irgendwann als Sängerin, obwohl sie eigentlich überzeugt war, gar nicht singen zu können. „Als ich das erste Mal dafür bezahlt wurde, war das ein echter Wow-Moment". Für die Abkehr vom Modeln zur Musik sprach auch noch ein weiteres Argument: „Ich konnte endlich wieder essen, was ich wollte." Gathright sang in den 90ern mit der Band von RTL „Samstag Nacht", trat mit einer Vorgruppe bei Konzerten von Chaka Khan und Herbert Grönemeyer auf.

Nach Mallorca kam sie durch Zufall: „Ich wollte meiner Gesangslehrerin damals eine Reise nach Portugal schenken, aber das war so teuer!" Ihr damaliger Freund empfahl ihr Mallorca und konkret Deià. Sie war begeistert und kehrte immer wieder zurück. Später verliebte sie sich in Palma, kaufte eine Wohnung in der Lonja und genoss das quirlige Treiben in den engen Gassen des Ausgeh-Viertels. Sie trat im Bluesville und anderen Clubs auf und machte sich einen Namen.

Die Wohnung in Palma hat sie noch, aber in Biniali fühlt sie sich mittlerweile wohler: „Ich brauche meinen Rückzugsort". Dass sie nicht mehr ganz so oft in Clubs auftritt hat zwei Gründe: Zum einen sei es immer schwieriger, Orte für Live-Konzerte zu finden, wo die Leute wirklich zuhören und ihr Auftritt nicht zum Hintergrund­geräusch wird. Zum anderen sind es die Uhrzeiten: „Oft fangen die Gigs erst nach

23 Uhr an - das ist mir mittlerweile einfach zu spät. Ich möchte nicht den ganzen Tag auf den Auftritt zu warten." Mit dem Alter habe das nichts zu tun: „Ich werde von Jahr zu Jahr jünger", umgeht sie die Frage nach ihrem Geburtsjahr spitzbübisch, und ergänzt nur unwesentlich ernster: „Musik hat nichts mit Alter zu tun."

Generell sei die Situation für Musiker nicht mehr so einfach wie vor 15 Jahren: Viele ihrer Kollegen zögen aufs Festland, um zu überleben. Dennoch gebe es noch viele ausgezeichnete Musiker auf der Insel, mit denen sie Konzerte im privaten Rahmen veranstaltet. Man unterstütze sich gegenseitig und bilde fast so eine Art Familie. Wohl auch ein Grund, warum Gathright die Insel liebt: „Ich fühle mich dort zu Hause, wo meine Freunde sind. Und das ist hier, auf Mallorca."

Zum Frauentag singt Sheela Gathright mit Carmen Jaime am Samstag (8.3.) im Kulturzentrum Sa Taronja in Andratx (Beginn 21 Uhr, 10 Euro).

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 6. März (Nummer 722) lesen Sie außerdem:

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