Normalerweise fährt man an Manacor vorbei, will nach Porto Cristo, Cala Ratjada oder zu den Stränden im Nordosten der Insel. Seit Mitte April aber gibt es auch für Romantiker einen Grund, in der 40.000-Einwohner-Stadt auf die Bremse zu treten: Die Tourismusbehörde bietet ab sofort jeden Donnerstag eine Führung an. Vielleicht erwacht damit Mallorcas zweitgößte Stadt ja doch noch aus ihrem touristischen Dornröschenschlaf.

Wir melden uns sofort für die Tour an und stehen diesmal mittendrin, statt außenrum zu fahren. Auf der Plaça Ramon Llull, besser bekannt als Marktplatz, beginnt der zweieinhalbstündige Rundgang – gratis und wahlweise in Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Katalanisch. Ob die Stadtväter sich nun wegen der Krise Gedanken über die Imagepflege für ihre ciutat machen? „Wir möchten Manacor in der Nebensaison attraktiver gestalten und Touristen unsere Kultur vorstellen", so Antoni Servera, Leiter des städtischen Tourismusbüros.

„Alle denken, Manacor sei hässlich, aber kaum jemand kennt es", meint Stadtführerin Maria Magdalena Sureda. Dem möchte sie abhelfen, indem sie Besuchern die kulturellen Schätze ihrer Stadt näherbringt.

Na dann los! Wir laufen mit der Mallorquinerin, die sich ihr perfektes Deutsch in Münster und Manacor angeeignet hat, zur neugotischen Pfarrkirche Iglesia de Nostra Senyora dels Dolors. Ihr über 80 Meter messende Kirchturm ist der höchste Mallorcas. Wer durch den Hintereingang in die Kirche tritt, steht direkt neben dem Altar des Heiligen Gekreuzigten. „Der Legende zufolge wurde die Kreuzfigur 1260 aus einem gestrandeten Schiff vor der von Bucht Porto Cristo geborgen und in die Pfarrkirche gebracht", erklärt Maria Magdalena Sureda. „Kunsthistoriker datieren sie allerdings auf das 16. Jahrhundert."

Am Taufbecken der Kirche verweist sie auf Manacors ursprüngliches Wappen: Eine Hand, die auf den Fingerspitzen ein Herz balanciert. Man-a-cor heißt übersetzt Hand am Herz. Ihren Namen könnte die Stadt den Historikern zufolge durch die Abwandlung des Namens eines Berberstammes – der Mancur – erhalten haben, die zu arabischen Zeiten in dieser Gegend siedelten. Auf der Plaça de la Constitució zeigt uns Maria Magdalena Sureda ein modernes Stadtwappen an der Fassade eines Herrenhauses von 1921: Eine Hand hält darauf das ganze Herz umklammert.

Auch die am selben Platz erhaltene alte Markthalle ist sehenswert. Hier wird sechs Tage die Woche Obst und Gemüse verkauft. Samstags ist es besonders schön, dann bauen die Marktleute ihre Stände vor der Halle auf, weiß Maria Magdalena Sureda.

Heute, Donnerstag, ist der Platz allerdings ziemlich trostlos. Die meisten Häuser im Umkreis befinden sich in schlechtem Zustand und viele Ladenlokale stehen leer. Ein paar Straßenzüge weiter steht ein prunkvolles altes Gebäude – ehemals Hotel, Theater und Kino –, das wohl bald zusammenbrechen wird, wenn nichts geschieht. Warum rettet man solche architektonischen Juwelen nicht vor dem Verfall?

Die Frage wird überhört. Und kann wohl auch nicht so einfach beantwortet werden. Als Besucher wundert man sich einmal mehr, warum es auf der Insel so viele um teures Geld gebaute Straßen gibt, für die Renovierung denkmalwürdiger Gebäude aber keine Mittel da sind. Gelder fehlen übrigens auch für die Fertigstellung der Kirchenfassade. Seit Jahren ragen hässliche Eisenträger aus den unvollendeten Türmen am Hauptportal, die notdürftig mit Wellblech abgedeckt sind.

Ein Vorzeigeobjekt ist hingegen der Torre del Palau, die ehemalige Königsresidenz. Jaume II. ließ sich seinerzeit in Manacor eine Schlafstätte bauen, weil die Jagdreviere von Artà nicht weit waren. In der Mitte des Gebäudekomplexes, in dem früher die Perlenfabrik Perlas Majóricas untergebracht war, steht ein komplett restaurierter Turm aus Sandstein. Ein hübsches, aber leeres Gebäude. „Die Stadt denkt noch über eine sinnvolle Verwendung nach", so Maria Magdalena. Und darüber vergeht die Zeit.

Anders laufen soll es mit der ebenfalls perfekt renovierten Getreidemühle „Kleiner Mönch", die bis in die 30er Jahre in Betrieb war. Ende Mai wird darin eine Außenstelle des Historischen Museums Manacor eröffnet.

Zum Schluss der Führung werfen wir einen Blick in eine alte Konditorei mit Jugendstil-Interieur und besichtigen den Kreuzgang des ehemaligen Dominikanerklosters. Durch den 1916 fast mal eine Straße gebaut worden wäre, hätte nicht Antoni Alcover dagegen protestiert.

Mit dem bekannten Geistlichen und Linguisten aus Manacor, der unter anderem für sein Sammlung mallorquinischer Märchen bekannt ist, geht die Stadtführung zu Ende. In einer Mini-Ausstellung der Fundación Antoni Alcover kann man sich mit dem Leben des großen Denkers beschäftigen – vorausgesetzt, man versteht Katalanisch oder hat Maria Magdalena Sureda bei sich, die den Text auf den Bildtafeln perfekt übersetzt.

Manacor neu sehen: Jeden Donnerstag finden kostenlose Führungen (auch auf Deutsch) von 10.00 - 12.30 Uhr statt. Treffpunkt: Plaça Ramon Llull. Termine bis Ende Juni, dann voraussichtlich wieder ab September. Anmeldung: Touristeninformation Manacor, Tel.: 971-84 72 41, www.visitmanacor.com

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 19. April (Nummer 624) lesen Sie außerdem:

- Aktiv I: Steppen lernen

- Kindermenü: Call a Lehrerin

- Wasserwelten: Mal kurz nach Cabrera schwimmen

- Wegweiser: Tour bei Sant Elm

- Abschlag: Testrunde in Poniente

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