Die Umgebung ist felsig, die Nachricht erfreulich. Auf dem Coll d´Ariant und im gesamten Tal gebe es keinen Handy­empfang, sagt Evelyn Tewes, die Leiterin der Fundación Vida Silvestre de la Mediterrania (FVSM). Hier oben auf dem Pass bei Pollença im Norden von Mallorca beginnt die Finca Ariant. Evelyn Tewes wird uns in den nächsten zwei Stunden hindurchführen.

Erste Station ist der Torre d´Ariant. Der Ausblick auf das Tal ist grandios, nur das Gezwitscher der Vögel - sie paaren sich derzeit - unterbricht die Stille. Noch steigen vom Meer her weiße Wolken auf. Felsen, die an ihren Spitzen unbewachsen sind, schützen die jetzt im Frühjahr grasgrünen Wiesen vor Unwettern. Rechter Hand und im Rücken türmt sich der Bergklotz Puig Gros de Ternelles auf. Er sorgt dafür, dass mehrere Quellen mit reichlich Wasser versorgt werden. Sie sind es, die Ariant zu einer der fruchtbarsten Hochebenen der Serra de Tramuntana machen.

Der berühmte Garten, den Heidi Gildemeister in Ariant anlegte, ist von hier aus noch nicht zu sehen. Es sind nur vier Hektar auf einem Anwesen, das rund 1.000 Hektar groß ist, doch sie sind all jenen ein Begriff, die mit den Büchern der Schweizer Autorin lernten, mediterran und mit wenig Wasserverbrauch zu gärtnern.

Seit 2012, als die Gildemeisters der Stiftung das Anwesen übertrugen, kümmert sich die Fundación Vida Silvestre de la Mediterrania (FVSM) um Ariant. Gemeinsam mit ihrem im vergangenen Jahr verstorbenen Mann Juan José Sánchez hat sich Evelyn Tewes seit den 80er-Jahren für den Erhalt des Lebensraums der Mönchsgeier eingesetzt, deren ­wichtigste Brutgebiete an der Felsküste von Ariant und im benachbarten

Ternelles liegen.

Die Landwirtschaft

Beim Turm beginnt der Abstieg zu den Obstplantagen. Evelyn Tewes geht der Gruppe voran und erzählt, dass die Plantagen, die Felder und der Garten ökologisch bewirtschaftet werden. Ariant ist im Besitz des Bio-Zertifikats des Inselrats. Zwei Mitarbeiter pflegen den gärtnerischen Teil des Anwesens, weitere zwei arbeiten in der Landwirtschaft.

Im Obstgarten arbeiten alle gemeinsam, zumal es dort viel zu tun gibt. Die Kirsch-, Apfel-, Birnen-, Aprikosen- und Kaki-bäume müssen beschnitten, das Unkraut über den Wurzeln gejätet und die Lockmittel in den Fallen gegen Fruchtfliegen erneuert werden. Stirbt ein Baum, wird ein neuer gesetzt. Das koste viel Geld, berichtet die Biologin Tewes. Die Stiftung suche deshalb für die Finanzierung der Neupflanzungen Baumpaten.

Ein breiter Weg führt dann an mehreren Wiesen vorbei. Ein Teil der Schafherde - insgesamt zählt sie 250 Tiere - weidet hier. Die nicht nur zu Ostern verkauften Öko-Lämmer sind eine der Einnahmequellen Ariants. Die Obstplantagen sowie die Felder sind nicht nur gut erhalten, sie sind picobello gepflegt. Die Stiftung hat auf der Finca trotz knappen Budgets hervorragende Arbeit geleistet.

Der Garten

Die Schafe weiden auch im Übergang zwischen Landwirtschaft und Garten. Sie halten das Gras kurz, haben jedoch keinen Appetit auf die riesigen, teilweise vom Sturm niedergedrückten, gelb blühenden aber giftigen Sträucher der Baumwolfsmilch. Wegen seiner dornigen Äste verschmähen sie ebenfalls den Weißdorn, dessen Blüten viele Bienen anlocken. Die Sträucher wachsen zwischen Zypressen und Felsbrocken vor einer imposanten steinernen Kulisse und dem jetzt - am späteren Vormittag - blitzeblauen Himmel.

Beim Eingang zum Garten öffnet Tewes eines der Bücher der Autorin Heidi Gildemeister und zeigt eine Weltkarte, auf der Klima­zonen markiert sind, die der des Mittelmeers ähnlich sind. „Hier am Berghang sind bevorzugt Gewächse aus Südafrika und Australien gepflanzt worden", erklärt sie. Bevor die Schweizerin vor gut drei Jahrzehnten, mit der gärtnerischen Gestaltung des Gartens begann, wuchsen hier ausschließlich Steineichen, Wildoliven und Macchia-Sträucher.

Obwohl wir zunächst der einheimischen pinkfarben blühenden Weißlichen Zistrose (Cistus albidus) begegnen, ist der erste Teil des Rundgangs Südafrika gewidmet. Neben einem heimischen blau blühenden Rosmarin wächst ein Verwandter mit graublauen Blättern, der Afrikanische Rosmarin (Eriocephalus africanus). Er bildet weiße Blüten, die wie kleine Baumwollbüschel aussehen. Ein Stück des Weges weiter steht eine hochwachsende Karanda (Carissa bispinosa), deren Früchte grün und noch nicht reif sind. In vielen Exemplaren wachsen hier duftende Freesien, die sich so zahlreich ausgesät haben, dass man ihnen immer wieder begegnet. An einem hohen Felsen breiten sich Aloe-Arten aus. Sie vermehrten sich selbst, bildeten auch noch in den schmalsten Felsspalten Wurzeln und haben sich nach und nach bis zur Felsspitze ausgebreitet. Mehr Platz beansprucht auf der anderen Seite des Weges die Rosetten bildende Aloe arborescens. Die spektakulärste unter ihnen ist die über zwei Meter hohe Aloe ferox mit riesigen traubenförmigen Blüten in Orange.

In der anschließenden „Australischen Sektion" wächst die im blassen Lila blühende Westringia. Sie wird auch Australischer Rosmarin genannt. Gelb blüht hier die Kronenwicke (Coronilla). Eine Myrtenheide (Melaleuca) ist indes fast vier Meter hoch. Bisher waren außer dem Vogelgezwitscher nur die Stimmen der Besucher zu vernehmen. Jetzt hört man ganz nah ein rhythmisches Geräusch: Da stutzt jemand Sträucher. Wenig später taucht Wilfredo Chávez auf, der hier seit über 30 Jahren arbeitet. Mit ihm gemeinsam durchqueren wir einen Abschnitt, der ursprünglich Weißer Garten hieß, weil hier weiß blühende Pflanzen wachsen sollten. Geblieben sind davon noch die weiß blühende, einheimischen Myrte, die zu stattlichen Hecken gestutzt wurde. Während wir Gladiolen und das blau blühende Echium bewundern, ­berichtet der Gärtner, dass er im April in den Ruhestand gehen wird, was jedoch kein Abschied für immer sein werde: „Ich komme auch weiterhin mindestens zwei Mal die Woche in den Garten." Evelyn Tewes fügt hinzu: „Mit der Wahl des Nachfolgers haben wir uns viel Zeit gelassen. Es ist eine Gärtnerin gefunden. Wir werden sie gleich kennenlernen".

Doch zuvor ist ein Areal bei einem Felsenbecken zu queren, das früher als Pool diente und noch immer Piscina genannt wird. Hier wächst der Östliche Erdbeerbaum (Arbutus andrachne), dessen rostrote Rinde sich samtweich anfühlt und dessen Früchte besser schmecken sollen als die des heimischen Erdbeerbaums.

Den Abstieg zum letzten Gartenabschnitt, dem Torrente, zieren Kolonien des winzigen balearischen Alpenveilchens (Cyclamen balearicum). Hier blühen auch vereinzelte Schwertlilien in Weiß und Blau. In den kommenden Wochen werden sie den Besuchern ein botanisches Farbenspiel bieten. Wie auch weitere Zwiebelpflanzen, die an den Rändern der schmalen Pfade wachsen, die wie ein Labyrinth durch den Garten führen.

Ganz am Schluss erleben wir noch eine Überraschung. Die Nachfolgerin von Chávez ist Susana Quintanilla, für MZ-Leser keine Unbekannte. Sie hat Bio-Landwirtschaft studiert, bereits auf mehreren Ökohöfen der Insel gearbeitet und im Landhotel Monaber Vell einen Gemüsegarten angelegt. Bei ihr wird der Garten von Ariant künftig in guten Händen sein. Fast wehmütig verlassen wir ihren paradiesischen Arbeitsplatz und kehren zum Coll d´Ariant zurück. Das Handy zeigt auf dem Pass 18 mittlerweile eingegangene Nachrichten und E-Mails an. Der Alltag hat uns wieder.

Führungen: freitags auf Deutsch für Gruppen von sechs bis zwölf Persinen; Turm, Obstgarten, Tal, Garten und Jause pro Person 50 Euro. Im Garten können Feste mit Bewirtung stattfinden, Anmeldung: Tel.: 661-212222 oder Email: info@procustodia.org