„Soltamos!", ruft Kapitän Nicolai Gebhardt seinen beiden Crew-Mitgliedern zu, und schon kurz darauf sind die Leinen los. Das knallrote Boot von „CitySightseeing" legt gegenüber der ehemaligen Seehandelsbörse Lonja in Palma zur Hafenrundfahrt ab.

„Uns gibt es erst seit vergangener Woche", erzählt der 47-jährige Kapitän. Fünfmal am Tag schippert er los, die Tour dauert 50 Minuten, Erwachsene zahlen 11,50 Euro, Kinder 6 Euro. „Bis zu 120 Passagiere passen bei uns an Bord", sagt Nicolai Gebhardt. Der gebürtige Hamburger begrüßt sie persönlich am Eingang.

Dass er überhaupt einmal auf der Kommandobrücke arbeiten würde, daran war vor 25 Jahren noch nicht zu denken. Als Flamenco-Tänzer zog es ihn nach Spanien, wo er nach Stationen in Madrid, in Murcia und auf Gran Canaria im Jahr 2000 auf Mallorca landete und hier auch seine Frau, eine Mallorquinerin, kennenlernte. Bevor er 2005 sein Schifffahrts­patent ablegte, drückte er dafür morgens die Schulbank und verdiente am Abend sein Geld als Künstler.

Je nachdem, was für Landsleute an Bord sind, erzählt Nicolai Gebhardt während der Rundfahrt auf Spanisch, Deutsch oder Englisch, oder auch in allen drei Sprachen, über den Hafen und die dort liegenden Schiffe. „Im Moment sind meine Ansprachen noch etwas improvisiert", sagt er. „Ich habe kein Drehbuch vorgelegt bekommen, aber das spielt sich noch ein." Bei den Kreuzfahrtschiffen müsse er seine Hausaufgaben

erledigen, damit er immer Bescheid weiß, welche derzeit im Hafen liegen. Er versuche, die Menschen so nah wie möglich an Schiffe wie die „Harmony of the Seas" heranzuführen. Das derzeit größte Kreuzfahrtschiff der Welt legt im Sommer jeden Montag in Palma an.

Auch Nicolai Gebhardt könnte größere Schiffe führen - bis zu 1.600 Bruttoregistertonnen, das entspricht den Ausmaßen einer größeren Yacht. Gebhardt hat schon Schlepper durch den Hamburger Hafen geführt und Katamarane bei Offshore-Einsätzen in der Nordsee. Seit einigen Jahren lässt er es etwas ruhiger angehen, zuletzt war er Kapitän von Ausflugsschiffen in Peguera. „Vor allem mit Familie ist das Seemannsleben verdammt hart und gar nicht so romantisch", sagt er. Der Vater von zwei Töchtern ist glücklich, jetzt mehr Zeit für sie zu haben und sogar zu Fuß zur Arbeit gehen zu können.

Mallorca ist für Nicolai Gebhardt zur Heimat geworden - weg möchte er nicht mehr. „Wir haben hier unseren Lebensmittelpunkt und unseren Freundeskreis." Sein Lieblingsort ist Llucalcari an der Westküste. Dort geht er auch seinem großen Hobby Apnoetauchen nach. Acht Minuten oder eine Strecke von 167 Metern kann der siebenfache Balearen-Meister ohne Luft unter Wasser aushalten. /bst