Wer früher – vor dem Verkauf vor zehn Jahren – auf Raixa vorbeischauen wollte, hatte es nicht allzu schwer: Man klingelte, zahlte 500 Peseten und durfte sich umschauen, die monumentale Freitreppe hinter dem Anwesen emporsteigen und auf den Spuren von Ángela Molina aus dem Film „Bearn" wandeln.

Seitdem das Landgut in der Gemeinde Bunyola am Fuße der Tramuntana in öffentlichen Besitz übergegangen ist, gab es dagegen nur noch wenige Gelegenheiten zum Besuch. Erst im September 2009 organisierte Mallorcas Inselrat Tage der offenen Tür. Und so mancher Besucher fand in den renovierten und ansonsten kahlen Innenräumen des Anwesens statt des Zaubers vergangener Jahre nur noch Büro-Atmosphäre.

Die Geschichte von Raixa reicht zwar weit zurück bis in maurische Zeiten. Bewegt waren aber vor allem die vergangenen zehn Jahre, nachdem Inselrat und Zentralregierung von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht und Raixa der deutschen Designerin Jil Sander vor der Nase weggeschnappt hatten. Immer wieder gab es neue Ideen für die Verwendung des idyllischen Landguts, eine millionenschwere Restaurierung lief an – und Raixa blieb geschlossen.

Jetzt erst sollen Mallorquiner und Ausländer in den Genuss von Raixa kommen: Die Restaurierung werde voraussichtlich im März beendet sein, heißt es im Inselrat. Im April oder Mai dann dürfte Eröffnung sein. Teile des Gebäudes werden derzeit als Museum hergerichtet, ein Teilbereich soll in die Serra de Tramuntana einführen und interaktiv gestaltet sein. Ein zweiter Bereich zeige das frühere Leben auf dem Landgut. Gespannt sein darf man besonders auf die Instandsetzung der weitläufigen Gartenanlagen: Dort soll ein halbstündiger Spaziergang zu einem der Pavillons führen, dem sogenannten Puppenhaus. Damit würde dann mit zehnjähriger Verzögerung wahr, was die damalige Inselratspräsidentin Maria Antònia Munar und der damalige spanische Umweltminister Jaume Matas versprochen hatten: Raixa gehört den Mallorquinern.

Raixa, das ist: ein 520.000 Quadratmeter großes Landgut, fruchtbare Felder, wildromantische Gartenanlagen im Renaissance-Stil, ein 98 Meter langer Teich, arabische Wasserläufe und ein dreistöckiger Prachtbau im Stil eines italienischen Palazzo. Raixa ist aber noch viel mehr: eine Art Identitätsstifter für die Insel, besungen von der Liedermacherin Maria del Mar Bonet, verklärt von Regionalpolitikern, und doch jahrzehntelang dem Verfall preisgegeben. Bis das Landgut 1993 unter Denkmalschutz gestellt wurde und vor zehn Jahren in die Mühlen der öffentlichen Verwaltung geriet.

Der Verkauf an Jil Sander war praktisch schon in trockenen Tüchern: Am 23. November 2001 wurde der Kaufvertrag für 1,4 Milliarden Peseten (8,414 Millionen Euro) unterschrieben. Die Designerin hatte sich Zeit gelassen mit dem Kauf: „Raixa ist mein Schicksal, die Finca hat zehn Jahre auf mich gewartet", so Sander damals im Interview. Immer wieder hatte sie Raixa besucht, Gutachten erstellen lassen und Pläne gemacht.

Doch aus ihnen wurde nichts. Maria Antònia Munar und Jaume Matas trieben kurzerhand dieselbe Summe auf, um vom Vorkaufsrecht der öffentlichen Hand Gebrauch zu machen. Vertreter von Inselrat und Umweltministerium unterschrieben am 17. Januar 2002 den Kaufvertrag. Die Pläne: Raixa sollte Sitz der Stiftung zur Verwaltung der Nationalparks werden, die Kulisse für den Empfang illustrer Gäste abgeben und vor allem für die Inselbewohner zugänglich sein.

Im Nachhinein erscheinen die Pläne der deutschen Investorin als interessante Alternative: So sicherte Sander seinerzeit dem Inselrat den Vorsitz einer Stiftung zur Verwaltung von Raixa zu. Sie selbst würde nur ein paar Monate pro Jahr auf der Finca zubringen. Auch wäre das Landgut nach ihrem Tod an die öffentliche Hand übergegangen. Hinzu kommt, dass Matas in seiner ersten Amtszeit als Balearen-Premier (1995-1999) Raixa schon für knapp die Hälfte des Preises hätte haben können. Doch erst als Umweltminister in Madrid konnte er großzügig Mittel für Mallorca freimachen.

Der erste Rückschlag kam mit dem Regierungswechsel in Spanien im März 2004. Die Nationalpark-Stiftung entschied unter neuer Führung, dass ein Hauptquartier auf der Insel zu unpraktisch und zu teuer wäre. Auch Pläne für die Einrichtung eines staatlichen Hotels (Parador) wurden auf Eis gelegt. Währenddessen ging die Sanierung des Gebäudes unter der sozialistischen Umweltministerin Cristina Narbona langsam, aber unaufhaltsam weiter: Aus vielen Zimmern wurden repräsentative, klimatisierte und funktionelle Büroräume.

Fünf Jahre nach dem Ankauf kamen neue Pläne auf den Tisch: Einziehen sollte nach dem Willen der Zapatero-Regierung der Sitz der Allianz der Zivilisationen – ein Projekt des Sozialisten zur Verständigung zwischen westlicher und arabischer Welt, das bald wieder in der Schublade verschwinden sollte. Als dann im September 2007 der Abschluss der inzwischen 14 Millionen Euro teuren Sanierung mit einem großen Feierakt begangen wurde, verkündete die Zentralregierung stattdessen den Einzug mehrerer Umweltstiftungen.

Immer dringender wurde unterdessen die Restaurierung der Gartenanlagen: Mauern der verstreuten Pavillons stürzten ein, Stürme rissen Kiefern um. Des Projekts nahm sich im Herbst 2008 ein Team der Balearen-Universität (UIB) an und stellte nach intensiver Archivarbeit, bei der auch Schätze wie ein früheres Hecken-Labyrinth auftauchten, einen Masterplan auf. Von diesen Arbeiten war allerdings noch kaum etwas zu sehen, als Besucher im September 2009 erstmals auf das Gelände gelassen wurden. Die Wochenend-Visiten fanden nach wenigen Wochen wieder ein Ende.

Trotz aller Anstrengungen wird Raixa ohnehin nicht mehr erstrahlen wie zu Zeiten von Kardinal Despuig. Der in Italien lebende Kunstliebhaber (1745-1813) richtete das Gebäude liebevoll her und sammelte wertvolle Gemälde und Skulpturen. In dieser Zeit entstand auch die charakteristische Säulengalerie. Der Niedergang setzte schon mit dem Tod von Despuig ein, besonders der Graf von Montecristo trug dazu bei. Der dekadente Adlige machte einen Großteil der einzigartigen Despuig-Sammlung zu Geld, der Löwenanteil wechselte bei einer Auktion im Juli 1900 in Paris den Besitzer. Einige Skulpturen konnte Palmas Stadtverwaltung erwerben, sie sind heute im Kastell Bellver ausgestellt. Das verbliebene Mobiliar wird derzeit restauriert.

Und auch unter dem neuen Besitzer ab 1906, Antonio Jaume Nadal, setzte sich der Niedergang fort. Arbeiteten zunächst noch Dutzende Angestellte auf dem Landgut, lief der Tourismus der Landwirtschaft allmählich den Rang ab. Raixa verfiel in einen Dornröschenschlaf, der nur ab und zu von Filmteams gestört wurde. Die Erbenfamilie zerstreute sich weltweit. Statthalter Francisco Colom und seine Frau öffneten Besuchern wie Kaufinteressierten die Tür. Darunter waren ein australischer Finanz-Magnat genauso wie ein arabischer Scheich.

Doch das Schälchen mit den schweren Schlüsseln für Raixa nahm im Januar vor zehn Jahren das Politiker-Gespann Matas und Munar entgegen. „Ich habe viel geweint", so der damals 81-jährige Colom. Die Öffnung von Raixa sollte der langjährige Statthalter nicht mehr erleben.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 26. Januar (Nummer 612) lesen Sie außerdem:

- interview mit Jaume Juan, Präsidialamtsleiter in Mallorcas Inselrat

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