Im Vogelgehege liegen mehrere große Scheiterhaufen, als Besucher fragt man sich, zu welchem Zweck hier wohl Feuer gemacht wird. „Das sind keine Feuerstellen, sondern Mönchsgeierhorste", sagt José Tapia. Der 39-jährige Spanier arbeitet seit 15 Jahren für die Stiftung zum Schutz der Mönchsgeier, die sich auf der 18 Hektar großen Finca Son Pons in Campanet in der Inselmitte von Mallorca befindet und besichtigt werden kann.

Bei der Black Vulture Conservation Foundation (BVCF) leben zurzeit zwölf Geier, davon neun Gänse- und drei Mönchsgeier – unheilbar verletzte Tiere, die in einem Gehege Dauerurlaub von der wilden Natur machen. Sie wurden von Wildtierauffang- und Pflegestationen auf dem spanischen Festland nach Mallorca geschickt. Die Vögel weisen zum Beispiel Schusswunden auf, sind gegen eine Stromleitung geflogen oder in ein Windrad geraten.

„Die Geier in dem ohne Überdachung angelegten Gehege können nicht mehr fliegen, daher bauen sie ihre Nester auf dem Boden", erklärt José Tapia. „Im Frühjahr kommen die lebenslang verbundenen Paare in Brutstimmung, dann brütet jedes Paar in einer Ecke des Geheges."

Aus einer Holzhütte, dem Observatorium, kann man die Geier mit bloßem Auge oder per Fernglas beim Baden, Balzen, Brüten, Streiten, Sonnenbaden und der Fütterung beobachten. Ein Gänsegeier-Pärchen macht sich über die letzten fleischlichen Reste eines Schafskadavers her, nach dem Frühstück säubert es die Schnäbel an kleinen Ästen auf dem Boden. Das Männchen macht anschließend einen Flugversuch und stößt krächzende Laute aus, hebt aber nicht vom Boden ab.

„Er kann seinen linken Flügel nicht mehr ausstrecken und daher auch nicht fliegen", so José Tapia. Ein paar Ziegen, die mit im Gehege leben, lassen sich von dem Lärm nicht stören. Sie bilden mit den Geiern, so wie in freier Natur auch, eine Lebensgemeinschaft. Unruhe in der Ziegenherde kündigt für die Geier Gefahr an und ist in der Natur ein wichtiges Warnsignal für die Vögel. Da die Ziegen hier zahm sind, beruhigen sie die Geier und halten den Unterwuchs im Gehege für die Fußgänger-Vögel kurz.

Seit ein paar Monaten kann man die Geier auch bequem vom Computer zu Hause aus sehen, denn dank einer privaten Spende wurde eine Web-Kamera im Gehege installiert. Gegen eine Gebühr von 1.000 bis 1.500 Euro (siehe auch www.webcamvultures.org) übernimmt man die Patenschaft für einen Geier und kann seinen Schützling jederzeit beim Fressen und Nestbau beobachten. Die Kamera lässt sich sogar fernsteuern.

Die Einweihung der Kamera traf mit einem glücklichen Ereignis zusammen: der Geburt des ersten Gänsegeierbabys. „Der junge Gänsegeier wird wohl im Zuchtprojekt bleiben, da er ein eher schwächliches Tier ist", erklärt die österreichische Biologin Evelyn Tewes (48), die das vierköpfige Team auf Mallorca leitet.

Die Stiftung zum Schutz der Mönchsgeier eröffnete zeitgleich zu ihrer Gründung 1986 in den Niederlanden einen Stützpunkt auf Mallorca. Das Gelände stellt die Stiftung Fundación Conservación Internacional de las Aves zur Verfügung.

Auf der Balearen-Insel war damals mit einem einzigen verbliebenen Brutpaar ein kritischer Punkt für die Mönchsgeierpopulation erreicht. Die Geier sind ein wichtiger Faktor für die Gewährleistung der Artenvielfalt, weil sie als Aasfresser an der Spitze der Nahrungspyramide stehen. Jetzt hat der in Europa und Afrika vielerorts ausgestorbene Mönchsgeier, mit 2,90 Meter Flügelspannweite gehört er zu den größten Vögeln Europas, auf Mallorca wieder eine feste Heimat gefunden.

Um die wild lebenden Geierpopulationen zu schützen, leitet die Stiftung eine europaweite Kampagne gegen das illegale Auslegen von Giftködern. Die sind zwar für Füchse, Wölfe, verwilderte Katzen und Marder bestimmt. Die vergifteten Tiere werden aber auch von Geiern gefressen, die dann ebenfalls sterben.

Die kontrollierten Fütterungen sollen dazu beitragen, dass die Geier von Giftködern ablassen. „Falls jemand ein möglicherweise vergiftetes Tier in der Natur findet, bitte nicht anfassen, wenn möglich fotografieren und das gebührenfreie SOS-Gift-Telefon (Nr. 900-71 31 82) der BVCF anrufen", so Evelyn Tewes. Dann kommen Forstwarte, die das vergiftete Tier mitnehmen.

Die auf Mallorca erfolgreiche Methode zur Aufstockung der fast ausgestorbenen letzten Inselpopulation Europas wenden die Geierschützer nun in zwei Wiedereinbürgerungsprojekten in den französischen Voralpen an. „Wenn im Laufe von zehn Jahren 50 Mönchsgeier an einem Ort ausgesetzt werden, kann sich die neu gebildete Kolonie normalerweise durch natürliche Vermehrung selbst vergrößern", so Evelyn Tewes.

Für die Projekte in Frankreich suchen sie und ihr Team Mönchsgeier in spanischen Auffangstationen und bitten um deren Übergabe an die Stiftung. Der BVCF untersucht die Geier, bestimmt das Geschlecht und beobachtet sie auf Mallorca in großen Fluggehegen. Für Tiere, die wieder in die Freiheit entlassen werden, müssen Exportpapiere angefordert werden. Mönchsgeiermännchen, die wegen Flügelbehinderung nicht freigelassen werden können, sind zum Beispiel für europäische Zoos mit alleinstehenden Weibchen bestimmt.

Ein weiteres Ziel der Station ist die Umwelterziehung für Schulklassen, Familien und Touristen. Es wird eine Führung in mehreren Sprachen angeboten, man besichtigt einen Lehrpfad und ein Museum, um die Zusammenhänge von Geier- und Umweltschutz zu verstehen. Keinen Zugang haben Besucher zu den Käfigen für die Geier, die wieder in der Natur ausgesetzt werden, da diese Tiere scheu sind und bleiben sollen. Der Eintritt für Familien und Touristen ist frei, die meisten geben eine Spende, da sie die Arbeit der Station unterstützen wollen.

Nachdem wegen der Finanzkrise im vergangenen Jahr mehrere Mitarbeiter entlassen werden mussten, weil Subventionen gekürzt oder komplett gestrichen wurden, arbeitet das vierköpfige Team unter Evelyn Tewes noch intensiver mit freiwilligen Helfern zusammen, die an der Horstbewachung im Gebirge mitwirken oder sich auf der Station nützlich machen.

„2011 haben wir zum ersten Mal weder den jährlichen Beitrag der Balearen-Regierung für unser Erziehungsprojekt noch für das Mönchsgeierprojekt bekommen", so die Biologin. Glücklicherweise leisteten die Holländische Zoogesellschaft und der Zoo Planckendael (Belgien) Unterstützung bei Horstkontrollen, Horstbewachung und Futterplatzbestückung auf Mallorca.

Einen Erfolg gibt es für das vergangene Jahr aber trotzdem zu melden: Im Tramuntana-Gebirge wurden zehn Geierküken geboren, die alle ausgeflogen sind – das ist ein Rekord, freut sich die Österreicherin. So kann man bei Wanderungen auf der Insel wieder öfter Mönchsgeier in freier Natur beobachten. „Wer an einer geführten Exkursion interessiert ist, kann sich gerne bei uns melden."

Das Zentrum zum Schutz der Mönchsgeier ist täglich von 9 -16 Uhr geöffnet. Anmeldung unter Tel.: 971-51 66 20. Eintritt frei, Spende erwünscht. Ctra. Palma-Alcúdia, ab Ausfahrt Campanet den grünen Schildern folgen. Konto-Nr. für Spenden: 0061 0012 09 0066370408. www.bvcf.org

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 19. Januar (Nummer 611) lesen Sie außerdem:

- 50 Dinge, die man auf Mallorca gemacht haben wollte, Teil 17

- Wasserwelten: Auf Oyster-Yachten steht der Captain in der Mitte

- Kindermenü: Kniffeln mit Zahlen und Linien

- Schöne Dinge: Design-Stiefel

- Wegweiser: Wanderung von Lluc zum Quarter de Carrabiners

- Abschlag Mallorca: Golftrends 2012

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