Es ist ein Schritt, der das Herz von Gartenliebhabern höher schlagen lässt: Man verlässt das Gebäude der Jardins d´Alfàbia bei Bunyola und betritt den Garten. Aus der Bibliothek erklingt ein Klavierkonzert, und gleichzeitig schaut man auf Hunderte hell­violette Blütentrauben eines Chinesischen Blauregens, auch Glyzinie genannt (Wisteria sinensis bot., glicina span.). Sie hängen am Dach einer Pergola und bei genauerem Hinsehen ist auch ein Stamm erkennbar, der sich immer gegen den Uhrzeigersinn um sich selbst dreht. Die Trauben sind etwa 30 Zentimeter lang, ihre Blüten öffnen sich von der Basis aus.

Der Rundgang

Auf dem Mosaik aus Natursteinpflaster unter den Blütentrauben wachsen in Keramiktöpfen die mallorquinischen Pflanzen­klassiker der Saison: orange blühende Klivien (Clivia miniata bot. clivia span., kat.), hier sogar in der eher seltenen, hellgelben Version. Weiter geht es auf einer Treppe abwärts zu einer weiteren Pergola links, sie verläuft parallel zur Fassade des Haupthauses.

Noch zeigen die Kletterpflanzen hier keine Blüten. Stattdessen geben sie den Blick frei auf einen mit einer immergrünen Hecke ornamental gestalteten Garten im Renaissance-Stil nach italienischem Vorbild. Rechter Hand befindet sich der Zitrusgarten, dessen Bäume Früchte tragen. Bald werden ihre weißen Blüten wieder aromatischen Duft verströmen.

Von hier aus trifft der Besucher auf eine weitere Pergola, die ebenfalls mit Kletterpflanzen bewachsen ist, im Sommer werden hier Trompetenbaumgewächse blühen und Schatten spenden. Im Mai befinden sich die Kletterer noch im Anstieg auf das Pergoladach, gut sichtbar sind deshalb die urnenförmigen Springbrunnen, die im Sommer Urlauber mit einer kalten Dusche erfreuen werden. Am Ende der Pergola - auch sie ist mit Mosaik gepflastert - steht das Gärtnerhäuschen, links führt der Weg zum Wasserspeicher.

Zurück durch die Pergola und an den ornamental gestalteten Beeten vorbei gelangt man zum Herzstück der Gärten: eine Sammlung von riesigen Laubbäumen wie beispielsweise einem Eukalyptus und einer Kastanie mit Blütenkerzen in Weiß, Nadelbäume sowie etliche Exemplare schlanker Zypressen.

Am dichtesten beieinander stehen die Gewächse im Palmengarten. Die palmeras konnten angesichts der Enge nur in die Höhe schießen, damit Licht und Sonne an ihr Blattwerk gelangen. Hier beherbergt Alfàbia einen botanischen Schatz, doch die Arten sind - nicht nur der Höhe wegen - nicht leicht zu bestimmen. Am leichtesten sind die Mexikanischen Washingtonpalmen, die als hochstämmig bekannten Priesterpalmen sowie die Kanarischen und Echten Dattelpalmen zu erkennen. An den Stämmen der Letzteren sitzen winzige ­Einfüllstutzen für Injektionen gegen den Palmrüssler. Ob die blattlosen Stammruinen des Palmengartens sich wieder erholen werden, muss sich zeigen. Bester Gesundheit erfreuen sich viele Exemplare des einheimischen palmitos, ebenso die Bambushaine, die in der Nähe eines Teichs am Rande des Palmengartens wachsen. Direkt am Teich genießt ein ganzer Horst von gelb blühenden Iris-Stauden den feuchten Untergrund. In der Nähe zeigt ein Echium blaue Blütenkerzen.

Von hier aus sind es nur wenige Meter bis zum Zaun, der den Blick auf Bunyolas Hausberg, den Puig de Son Nassi erlaubt. Dort beginnt das landwirtschaftliche Anwesen, zu dem Schaf- und Ziegen­herden sowie Geflügelscharen gehören. Das Vieh liefert Dung für den Ziergarten und hält sich in der Nähe des Zauns auf. 80 Hektar Land mit Wäldern, Oliven-, Mandel- und Johannisbrotbäumen sowie Wald gehören zum Gut, aber auch die Anwesen Biniatza und Honor.

Die Besitzer

Unter dem eingangs erwähnten Blütendach am Haupthaus wartet der Besitzer der Jardins d´Alfàbia Josep Zaforteza. Der senyor im eleganten grauen Anzug ist 88 Jahre alt und auf der Insel aus Wirtschaft und Politik bekannt. Unter anderem war er nach der Franco-Ära der erste Senator der Mitte-Rechts-Partei UCD auf der Insel. Ihn begleitet Tochter Cristina, sie verwaltet heute das Gut. Die beide nehmen auf der Service-Terrasse im Garten Platz. Es wird Orangensaft ausgeschenkt. Urlauber legen direkt nebenan die Füße hoch und genießen entspannt das Quaken der Enten und das Zwitschern der Vögel.

Die Geschichte

Josep Zaforteza verbrachte als Kind mit Großeltern, Eltern, Onkel und Tanten die Sommerfrische in dem Landhaus bei Bunyola. „Mein Großvater erlaubte schon im Jahre 1929 Schiffspassagieren die Besichtigung", sagt er. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts ist seine Familie im Besitz der possessió. Die Pergola mit den Springbrunnen wurde im Jahre 1730 gebaut. Die heutige Gartenanlage stammt aus dem 19. Jahrhundert. Auch die Bäume und Palmen wurden damals gepflanzt, als es Mode war, sich die Pflanzenarten, die rückkehrende Amerika-Auswanderer mit nach Hause brachten, in die Gärten zu holen.

Unter den heutigen Riesen sitzt Zaforteza, Vater von sechs Töchtern und drei Söhnen, und schlägt behutsam ein kleines Buch mit marmoriertem Einband an der Seite auf, an der ein Lesezeichen steckt. „Im September 1860 kam die spanische Königin Isabel II. zu Besuch", erklärt der Jurist, „hier sind die Ausgaben notiert." Die königliche Eskorte fuhr nach der Eröffnung des Teatre Principal mit Kutschen von Palma nach Raixa und Alfàbia.

Vor dem hohen Besuch führte der amo (Verwalter) mit Feder, Tinte und gestochener Schrift Buch über die täglichen Ausgaben. Für den standesgemäßen Empfang waren an einem Tag 36 Arbeitskräfte im Einsatz. Kurz nach der Abreise der Königin sind weitere 59 Tagewerke vermerkt. An „normalen" Tagen wurden nur sechs jornadas verzeichnet. Heute arbeiten acht Angestellte auf dem Gut, vier von ihnen in der Landwirtschaft und im Garten.

Schriftlich erwähnt wurde das Landgut erstmals nach dem Sieg der christlichen Eroberer 1229. Es gehörte damals dem Mauren Ben Abet und galt wegen seines Wasserreichtums als eines der wichtigsten der Insel. „Auch verkehrstechnisch lag es ideal", sagt Tochter Cristina. Vor dem beschwerlichen Aufstieg zum Coll de Sóller wurden in Alfàbia sowie im benachbarten Can Pennasso die Pferde gewechselt.

Das ist heute nicht mehr nötig, das Auto steht auf dem Parkplatz vor der Tür. Auf dem Rückweg dorthin begegnet den Besuchern eine riesige Morgenländische Platane, und nach dem Eingangstor tauchen linker Hand drei großartige Bäume auf: eine Echte Pinie mit schirmförmiger Krone, eine Kanarische Kiefer und die Libanon-Zeder, an der eine der Glyzinie in die Höhe klettert.

Jardins d´Alfàbia Öffnungszeiten: Täglich 9.30 bis 18.30 Uhr (bis 31. Oktober)Eintritt: Erwachsene 6,50 Euro, Residenten; 5 Euro, Kinder unter 10 Jahren gratisCtra. Palma-Sóller, Km 17

www.jardinesdealfabia.com