Die Sonne neigt sich beharrlich ihrem Untergang entgegen, doch der Tag will einfach nicht zu Ende gehen. Immer noch lauern ein paar Jugendliche mit ihren Surfbrettern im Wasser und warten auf die letzte Welle. Immer noch spielen Kinder am Strand Volleyball. Immer noch sitzen ihre Eltern auf Campingstühlen unter Steinkiefern und plaudern sich die Seele aus dem Leib. Immer noch laufen braungebrannte Beachboys und -girls über die Dünen zu ihren Wohnmobilen. Immer noch sind die Tische in den beiden Lokalen gegenüber rammelvoll. Immer noch brodeln sphärische Elektro-Beats aus den Boxen. Nichts besonderes eigentlich. Nur ein ganz normaler Sommerabend in Son Serra de Marina.

Die unscheinbare Ferienhaussiedlung am westlichen Rand der Bucht von Alcúdia, irgendwo zwischen Can Picafort und Artà, gilt seit Jahren als Geheimtreff einer verschworenen Community aus einheimischen Apartment­besitzern, langhaarigen Wind-, Kite- oder Wellen-Surfern sowie ausländischen Residenten und Individual­touristen. Ihr Treffpunkt ist der kleine, versandete Parkplatz am Ende des Ortes, dort wo die Zivilisation aus schachbrettartigen Straßen und wie Perlen aneinander ­gereihten Bungalows und Apartments abrupt aufhört, um in den weitläufigen, vor Jahren zum Naturschutzgebiet erklärten Dünenstrand überzugehen.

Gesellschaftlicher Dreh- und Angelpunkt von Son Serra ist das Chill-out-Lokal „El Sol", das erst nach Sonnenuntergang so richtig zum Leben erwacht. Dann füllen sich die Lounge-Möbel auf den zwei großen Außenterrassen mit Scharen von meist fremdländisch sprechenden Gästen, verwandeln abwechselnd aufleuchtende Led-Spots die Straße nebst dahinter liegendem Strand in ein psychodelisches Farbenspiel.

Der versandete Mittelstreifen des Strandparkplatzes gehört Héber Perpiña. Seit mehr als drei Jahren kommt der Franzose fast täglich nach Son Serra, um hier Strohhüte und geflochtene Einkaufstaschen zu verscherbeln. „Das Ambiente ist phantastisch und die Konkurrenz klein", schwärmt Perpiña, der sich den Parkplatz in der Regel nur mit zwei anderen Ständen teilen muss, an denen Pareos, Strandtücher und Ethno-Schmuck feilgeboten werden. Gerne würde er auch bis spät in der Nacht bleiben, doch seit ein paar Wochen ist die Straßenlaterne kaputt, unter der er seine Hüte verkauft. „Ich habe schon bei der Gemeinde in Muro nachgefragt, aber bisher keine Antwort erhalten", ärgert sich Perpiña. Und packt

zusammen.

Ein paar Meter weiter holt Kevin Riley zwei Campingstühle aus seinem Wohnmobil, um es sich zusammen mit seiner Freundin Lisa davor bequem zu machen. Seit fünf Jahren kommt das schottische Pärchen bereits nach Mallorca, um an der wilden Nordost-Küste zu surfen und Urlaub zu machen. Dass er und Lisa nicht drüben im „El Sol" sitzen, hat rein „wirtschaftliche" Gründe. „Früher war das eine echt gute Surfer-Location. Mittlerweile haben die Preise aber stark angezogen, und ohne Tischreservierung bekommt man dort selbst unter der Woche keinen Platz", so Riley.

Inzwischen sind nun auch die letzten Strandgäste gegangen. Der Parkplatz vor der Playa füllt sich dennoch merklich. Auch die

Musik wird lauter. Und die Sonne, so scheint es, hat mal wieder vergessen, ganz unterzugehen.