Zuerst das Zimmer beziehen, dann die Umgebung erkunden. So fühlt sich Urlaub an. Wir holen uns zwei Flaschen Bier aus dem Eisschrank an der Rezeption und steigen damit aufs Hoteldach. Der Ausblick ist ein langes „Ohhhhhh". Die Ostküste sieht aus wie ein grüner Teppich mit größeren und kleineren Dellen, die sich zum Meer hin glätten. Richtung Norden ragen die weißen Hochhäuser von Cala d´Or wie verirrte Bauklötze aus der Landschaft, im Süden erkennt man die Insel Cabrera. Wir setzen uns auf eine Steinbank, wollen dem Tag dabei zusehen, wie er sich langsam verzieht. Ob schon die Eremiten ihr Bier auf dem gemauerten Steintischchen abstellten?

Alles nur wegen der Pest

Wer spontan beschließt, eine Nacht Urlaub im Kloster Sant Salvador zu machen - der macht alles richtig. Denn es ist eine Sache, die wehrhafte Anlage sechs Kilometer östlich von Felanitx tagsüber zu besuchen. Viel aufregender fühlt es sich an, wenn man abends der Serpentinenstraße auf den 510 Meter hohen Berg folgt. Oben angekommen, sind die Tagestouristen weg und man hat Sant Salvador fast für sich.

Also noch mal von vorne: ankommen (im Petit Hotel Hostatgería), einchecken (in eine ehemalige Mönchszelle) und die mehrmals von Piraten belagerte Anlage erobern. Die Geschichte von Sant Salvador beginnt 1348 mit der schwarzen Pest, die Krankheit kostete 900 Bewohnern aus Felanitx das Leben. In sicherer Höhe errichteten die Angehörigen damals eine kleine Kapelle auf dem Hausberg und hofften, Gott damit gütig zu stimmen.

Heiliger mit Zauberstab

„Einen Heiligen Salvador gibt es nicht", erklärt uns Juan, der im Klosterladen Andenken verkauft. „Mit Sant Salvador, Heiliger Retter, ist Jesus Christus gemeint." Der siebenfache Familienvater aus Manacor zog im Dezember mit Frau und Kindern ins Kloster und kümmert sich seither um Besucher, täglich von halb acht in der Früh bis neun Uhr abends. Er kramt einen Schlüssel aus der Hosentasche und schließt eine schmale Holztür gegenüber vom Souvenirshop auf. „Hier befindet sich die ursprüngliche Kapelle von 1348."

Juan zeigt uns einen restaurierten Raum mit Gewölbedecken und hellen Sandsteinwänden. Anschließend führt er uns durch den Innenhof zur Klosterkirche, die erst 1716 entstanden ist. Den steinernen Altaraufsatz in der vorderen rechten Seitenkapelle fertigten Steinmetze Mitte des 15. Jahrhunderts in Flandern. Ebenfalls kostbar, weil äußerst beliebt ist eine Figur des Heiligen Judas Thaddäus in der mittleren Kapelle auf der linken Seite. „Zu ihm pilgern die Menschen in besonders aussichtslosen Fällen", weiß Juan, der nicht verrät, ob er gläubig ist. Nachdem man seine Bitte vorgetragen hat, dreht man drei Mal den Wanderstab in der linken Hand des Heiligen und schickt so sein Gesuch ab.

Touristen jagen Eremiten

Anekdoten vom Heiligen Berg weiß auch Catalina Mateu zu berichten, deren Familie seit 1927 die Bar und das Klosterrestaurant führt (Küche empfehlenswert!). „Während des Spanischen Bürgerkriegs blieb das Restaurant geschlossen", erzählt Catalina, „es wäre für meine Eltern viel zu gefährlich gewesen, hier oben wie eine Maus in der Falle zu sitzen."

Die Eremiten überstanden die Kriegszeit hinter den dicken Klostermauern unversehrt, vertrieben wurden sie erst viele Jahre später - von leicht bekleideten Touristen, die ab den 80er Jahren verstärkt für Unruhe im Wallfahrtsort sorgten. 1992 zogen die Einsiedler nach Valldemossa um, die kleine Klosterherberge neben der Kirche von Sant Salvador blieb nur noch kurze Zeit in Betrieb.

2004 eröffnete in den ehemaligen Wohn- und Schlafräumen der Eremiten ein neues Hostal. Je zwei Mönchszellen wurden zu einem Gästezimmer zusammengelegt, die Gewölbestruktur der Decken sowie das in einigen Räumen offen liegende Mauerwerk beim Umbau nicht verändert. Jedes der 22 Zimmer auf drei Etagen besitzt ein Duschbad, keinen Fernseher, dafür Meerblick. Wer doch mal in die Flimmerkiste statt in die Ferne gucken will, macht es sich in der Hotellobby bequem.

Große Stille, helle Sterne

Die meisten Gäste verbringen den Abend an der frischen Luft - die hier oben im August locker fünf Grad kühler ist als im Tal. Gegen 21 Uhr trifft man sich zum Fototermin am alten Klosterbrunnen, dann geht die Sonne hinter der Tramuntana unter. Nach einem Imbiss auf der Hotelterrasse oder einem leckeren Abendessen im Klosterrestaurant geht´s zurück aufs Aussichtsdach. Auf dem Rücken liegend sieht man sehr hell die Milchstraße am Sternenhimmel leuchten. Als uns fast die Augen zufallen, tappen wir durch die breiten Klostergänge zu unserem Zimmer. In der Zelle herrscht absolute Stille. Nur vor dem offenen Fenster raschelt etwas. Ein schlafloser Ziegenbock knabbert an Steineichenblättern. Beim Einschlafen nehmen wir uns fest vor, den Sonnenaufgang über dem Meer nicht zu verpassen. Denn wann hat man schon mal ein Zimmer mit solch einer Aussicht?

Einkehr

Petit Hotel Hostatgería Sant Salvador, 22 Zimmer, zwei Familienapartments. Übernachtung ab 45 Euro im Einzelzimmer, 69 Euro im Doppelzimmer, 117 Euro im Apartment jeweils mit Frühstück. Reservierung unter Tel.: 971-51 52 60, www.santsalvadorhotel.com