Sa Calobra an der Nordküste von Mallorca könnte man auch allein an seiner Geräuschkulisse erkennen: touristisches Sprachengewirr, Vogelzwitschern, ab und an ein Schiffshorn, wenn die Boote Richtung Port de Sóller ablegen. In dieses Konzert mischen sich in diesen Tagen auch Hammerschläge und das Kreischen einer Kreissäge: Arbeiter legen letzte Hand in einem Gebäude direkt am Ufer an, das in Kürze als Herberge dienen soll. „Mit den Arbeiten sind wir in einer Woche fertig", sagt Antoni Solivellas, Bürgermeister der Gemeinde Escorca. „In zwei Monaten dürfte der Betrieb anlaufen."

Solivellas kommt derzeit häufiger vom Rathaus, das sich oben in Lluc im Tramuntana-Gebirge befindet, herunter in die Bucht von Sa Calobra - ein Höhenunterschied von mehr als 500 Metern, der auf der berüchtigten Serpentinenstraße bewältigt werden muss. Der Bürgermeister überzeugt sich mit eigenen Augen vom Fortgang der Arbeiten, die der Gemeinde neue Einnahmen und den Urlaubern neue Angebote liefern sollen.

Es war die Haushaltskrise, die den Politiker der konservativen Volkspartei (PP) auf den Gedanken brachte, dass man einen Lagerraum direkt am Meer auch anders nützen könnte. Jetzt wird das zweistöckige Gebäude für rund 80.000 Euro umgebaut, wie der Bürgermeister bei einem Rundgang erklärt. Im Erdgeschoss mit Blick auf die Bucht und die ankommenden Schiffe entsteht nun die Herberge. „Hier kommt noch ein Kamin mit Grill hin", sagt Solivellas im größten der drei Räume. Nebenan verlegt ein Arbeiter gerade Fliesen für das künftige Bad. Bereits so gut wie fertig ist der Schlafraum, in dem fünf Stockbetten mit je zwei Etagen aufgestellt werden.

Das Konzept: Die Herberge soll ganzjährig an Gruppen ­vermietet werden, der Tagestarif bei 100 Euro liegen - egal, ob sich eine oder zehn Personen hier einmieten. Die Mindest­dauer liegt bei zwei, die Maximaldauer bei sechs Tagen. „Wir haben uns bei dem Umbau an den bestehenden Herbergen in der Tramuntana orientiert", so der Bürgermeister. „Es ist ein schlichter, aber ein wahrhaft privilegierter Ort."

Auch das Stockwerk über der künftig einzigen touristischen Unterkunft des Orts wird derzeit umgebaut. Hier befand sich ein überdimensioniertes Gesundheitszentrum, in dem in den drei Sommermonaten eine Krankenschwester die Stellung hielt, um Quallenverätzungen oder Stürze von Urlaubern zu verarzten. Nun wird der Warteraum verkleinert und ein Lagerraum umgewidmet, um eine Touristen-Info sowie öffentliche Toiletten unterzubringen. Die liegen dann praktischerweise direkt auf dem Weg zwischen Anlegesteg und Restaurants - die auf großen Schildern klarstellen, dass ihre WCs nur für Gäste sind.

Auch Sa Calobra habe ein Toilettenproblem, räumt Solivellas in Anspielung auf den Ärger mit Radtouristen in Port d´Andratx im Südwesten Mallorcas ein. Schließlich wollen nicht alle Urlauber, die mit dem Mietwagen, dem Fahrrad oder per Boot in die Bucht kommen, in den sechs Restaurants einkehren. Den örtlichen Recyclingplatz solle man sich besser nicht ansehen, meint der Bürgermeister. Aber auch die jetzt geplanten Toiletten sollen nicht kostenlos sein, mit einem symbolischen Preis werde man die Reinigung finanzieren.

Die Strategie der Gemeinde hat zwei Stoßrichtungen: Es geht nicht nur darum, Sa Calobra attraktiver zu machen, das Rathaus hofft auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auf neue Einnahmen. In diesem Jahr erwirtschafte man zwar wieder einen Überschuss, aber Subventionen gebe es deutlich weniger. Besonders die teure Müllabfuhr in Sa Calobra sowie in der benachbarten Cala Tuent macht dem Bürgermeister Sorgen. Sie allein verschlinge 20 bis 30 Prozent des Haushalts in Escorca. „Die Müllwagen müssen während der Hauptsaison jeden Tag hier herunterkommen, das sind Unmengen von Kilometern." Und auch die Kosten für anfallende Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten aller Art in Sa Calobra seien in Folge der oft heftigen Winterstürme höher als anderswo.

Wie alle anderen Gemeinden Mallorcas hofft auch Escorca auf Urlauber, die nicht nur in der Haupt­saison kommen. Im Gegensatz zu anderen Kommunen gelinge das mit Ausnahme von Dezember und Januar ganz gut, meint Solivellas: Neben den sommerlichen Urlauber­massen, die vor allem über den Seeweg in Sa Calobra einbrechen, und den einheimischen Ausflüglern, die etwa im Winter die Pilgerstätte Lluc aufsuchen, sind es im Frühjahr und Herbst immer mehr Wanderer und Radtouristen, auf die Escorca besonders setzt. Derzeit wird an der Website visitescorca.com gebastelt, bereits dreimal fand die Freizeitmesse Naturesport statt. Einen Namen will sich die Gemeinde zudem mit dem Etikett Nachhaltigkeit machen und dafür ein Zertifikat der Unesco beantragen.

Rund eine Million Touristen komme jährlich nach Escorca, so Solivellas - die meisten von ihnen schauen in Sa Calobra vorbei. Es gibt in der Bucht aber auch ein paar Einheimische, verteilt auf rund ein Dutzend Häuser. Es sind Angestellte der Restaurants, ein paar Senioren, einige wechseln je nach Jahreszeit zwischen Sóller und Sa Calobra.

Auch für diese Residenten sind derzeit Investitionen geplant, und zwar für die Trinkwasserversorgung. Bislang wird die Zufuhr aus einem von einer Quelle gespeisten Reservoir auf einem Privatgrundstück per Handschlag geregelt - wie seit Jahrhunderten, als die Menschen hier statt von den Touristen von der Landwirtschaft, von Oliven­anbau, Köhlerei, Schnee­häusern, aber auch Schmuggel lebten.

Nun sollen für 350.000 Euro auf einem 2.900 Quadratmeter großen Grundstück zwei Wasserspeicher mit Leitungen zu allen Häusern entstehen. Da dafür auch Erdarbeiten nötig sind, werde man aber erst nach dem Ende der Sommersaison beginnen, so der Bürgermeister. Zu Buche schlagen die Arbeiten mit 350.000 Euro, wobei in diesem Fall der Inselrat einspringen soll.

Das nächste Projekt, das der Bürgermeister angehen will, liegt dagegen in luftiger Höhe: Solivellas deutet steil nach oben, auf einen Wachturm über der Bucht von Sa Calobra. Dorthin soll in Zukunft ein Wanderweg führen. Das werde jedoch weder einfach noch günstig: Der Turm steht auf Privatgelände, und für die Arbeiten wird ein Hubschrauber vonnöten sein.

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