Die Immobilie, die Joaquín Vidal und seine Geschwister geerbt haben, stand die letzten 200 Jahre mehr oder weniger leer. Die Bausubstanz war auch nicht mehr im besten Zustand, in der Fassade hatten sich größere Löcher gebildet, Teile waren einsturzgefährdet. Aber die Lage des 4,26 Hektar großen Objekts südöstlich von Felanitx sticht noch immer so ziemlich jede Immobilie eines Verkaufsprospekts aus: In 420 Metern Höhe bietet sich ein imposanter Blick auf die Südostküste Mallorcas.

Der Familie Vidal gehört ein castillo roquero, eine von drei Felsenburgen auf Mallorca. Die Anhöhe und das umliegende Gelände, das im Mittelalter eine Schlüsselfunktion bei Eroberung und Verteidigung der Insel hatte und sich später zumindest noch landwirtschaftlich nutzen ließ, war in den vergangenen Jahrzehnten aber weniger Genuss als Dauer­problem für die Familie: Das Genehmigungsverfahren für die Restaurierung zog sich über Jahrzehnte hin, zwischendurch drohte der Inselrat mit Enteignung. In den vergangenen zwei Jahren konnte endlich restauriert werden - und nach vielen Verzögerungen steht jetzt die Öffnung kurz bevor.

Im Februar werde es soweit sein, sagt Vidal. Bei dem 49-jährigen Immobilienunternehmer, der seinen Firmensitz in Pollença hat und bislang stets diskret im Hintergrund geblieben ist, haben sich die Anfragen interessierter Einheimischer und Ausländer gehäuft, seit die Felsenburg auch eine eigene Website hat (www.santueri.org). Nicht umsonst handelt es sich um die besterhaltene Anlage dieser Art auf Mallorca.

Rund 600.000 Euro kosteten die Arbeiten, die den stärksten baulichen Eingriff seit dem 16. Jahrhundert darstellen. Sie gingen notgedrungen im Schneckentempo voran. Auf ganz Mallorca gebe es nur sieben Firmen, die autorisiert seien, auf derlei denkmalgeschützten Anlagen tätig zu werden, erklärt Vidal. Als besondere Herausforderung erwies sich auch das Aufstellen der Baugerüste in luftiger Höhe. „Das ist ein Unterfangen, als würde man eine Pyramide restaurieren."

Zu den Auflagen gehört außerdem, dass der Inselrat nicht nur die Pläne für die Arbeiten genehmigte, sondern auch jeden einzelnen Schritt überwachte. Die Inspektoren seien praktisch alle zehn Tage vor Ort gewesen, um die Fortschritte zu begutachten sowie das weitere Vorgehen abzusprechen. In den vergangenen Wochen verzögerten dann zusätzlich Regen und Wind die Arbeiten: Wird das Gemäuer feucht, lassen sich Farbtöne restaurierter Bereiche nur noch schwer mit denen der historisch erhaltenen Bausubstanz abgleichen.

Wer hat den Schlüssel?

Die Felsenburg war im Jahr 1811 in den Besitz der Familie Vidal übergegangen - der spanische Staat hatte die Verteidigungsanlage aufgegeben und veräußert. Die Vorfahren von Joaquín Vidal betrieben im 19. Jahrhundert auf dem weitläufigen Anwesen Landwirtschaft, die Felder wurden aber nach und nach aufgegeben. Das Santueri blieb bis auf kleinere Eingriffe zur Stabilisierung 1966 unangetastet und konnte durchaus erkundet werden - auf Nachfrage erhielten Besucher einen Schlüssel, den sie anschließend wieder ablieferten. Das habe ganz gut funktioniert, meint Vidal - auch wenn der Schlüssel immer mal wieder verschwunden sei.

Der Dornröschenschlaf der Felsen­burg sollte bis 2011 dauern. Vidal bestreitet, dass die Restaurierung erst in die Gänge kam, als der Inselrat mit Enteignung drohte. Sein Vater habe bereits den festen Plan gehabt, die Anlage herzurichten. „Wir haben dann 23 Jahre lang versucht, eine Genehmigung zu bekommen." Das Problem: Bis das Thema angesprochen und das Verfahren in Gang gekommen sei, habe die Regierung schon wieder gewechselt - und alles begann von vorne.

Inzwischen hat der 49-Jährige das Projekt von seinem verstorbenen Vater geerbt. Er kannte die entscheidenden Leute im Inselrat persönlich und bekam so endlich unter der Mitte-Links-Vorgänger­regierung (2007-2011) die Genehmigung zur Restaurierung. Zum Ende der Legislaturperiode leitete der Inselrat dennoch ein Enteignungsverfahren ein. „Bei den Sozialisten hieß es plötzlich, dass Madrid Geld für den Kauf zur Verfügung stellen würde", so Vidal. Die Familie forderte 6 Millionen Euro, die öffentliche Hand wollte 700.000 Euro zahlen. Das Enteignungsverfahren wurde eingestellt - schließlich lag die Genehmigung zur Restaurierung bereits vor.

Eine Rolle mag auch gespielt haben, dass sich die Politiker mit Aufkäufen der Vorjahre wie etwa dem Landgut Raixa übernommen haben: Nicht nur, dass damit Löcher in den Haushalt gerissen wurden, es fehlte auch anschließend an Geld und brauchbaren Ideen, um das Kulturerbe für die Öffentlichkeit zu erschließen.

Im Fall der Felsenburg haben diese Aufgabe nun zwei Architekten, ein Archäologe, zwei Restaurateure und eine Kunsthistorikerin übernommen. Das Expertenteam hat einen Besucher-Rundgang mit elf ­Stationen entwickelt. Wenn die restaurierte Felsenburg ihre Pforten wieder öffnet, ist das für Joaquín Vidal zudem der Startschuss für weitere Projekte, die aus den Einnahmen der Eintrittsgelder sowie durch Crowdfunding finanziert werden sollen. So werden etwa drei Archäologen aus Tarragona mit Ausgrabungen auf der Burg beginnen. Auch der Rundgang soll erweitert werden.

Marke Eigenanbau

Vor allem aber will Vidal das landwirtschaftliche Erbe des Landguts unter ökologischen Vorzeichen zu neuem Leben erwecken. „Mein Urgroßvater hatte für den hier angebauten Wein 1851 den ersten Preis überhaupt in ganz Spanien gewonnen", erzählt er. Die Familie hatte den Weinanbau jedoch aufgegeben, nicht zuletzt wegen der auf Mallorca um 1900 grassierenden Reblausplage. Geblieben von der Landwirtschaft ist eine possessió mit tafona (Ölmühle) am Weg zur Felsenburg, die Vidal restaurieren will. Wein, Öl, Lammzucht, Obst und Gemüse - der Mallorquiner hat ein Restaurant vor Augen, in dem praktisch ausschließlich Produkte aus eigener Herstellung auf den Tisch kommen. Bis hin zum Wasser aus dem eigenen Brunnen. „Hier ist schließlich noch nie Chemie ausgebracht worden." Auch eine eigene Herberge sei irgendwann denkbar.

Weil das ein Lebensprojekt ist, will sich der Unternehmer in der nächsten Zeit ganz aus dem Immobiliengeschäft zurückziehen und in Zukunft nur noch eine einzige Immobilie betreuen. Die Felsenburg wird schließlich seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen.

Rundgang: Per Handy ins Mittelalter

Die jetzt abgeschlossenen Restaurierungsarbeiten an der Felsenburg haben sich neben der Ausbesserung und Abstützung der Gemäuer auf elf Punkte konzentriert - es sind Stellen, die vergleichsweise gut erhalten waren, die frühere Funktionsweise der Anlage erklären und zudem gefahrlos für künftige Besucher zugänglich gemacht werden konnten. Entlang dieser elf Punkte kann die gesamte Burg umrundet werden. Neben mehrsprachigen Schautafeln und einem Faltblatt sollen auf dem Rundkurs Informationen auch per QR-Code abgerufen werden können - sobald der Code erfasst ist, bekommen Besucher Text und

Fotos direkt aufs Handydisplay.

Auch wenn das Santueri von Felanitx vergleichsweise gut erhalten ist, sind viele Elemente erklärungsbedürftig - von Resten sogenannter Maschikulis, also ausgesparter Wurf- oder Gussöffnungen zur Abwehr der Feinde, über Reste eines Brotbackofens, mit dem offenbar die Truppe versorgt wurde, bis hin zu einem ausgeklügelten Wasserspeichersystem, das aus Brunnen, Leitungen und mindestens sechs Speicherbecken (aljibes) besteht.

Ab Februar werde täglich ein Angestellter vor Ort sein, der den Eintrittspreis von voraussichtlich 4 bis 5 Euro kassiere und auch auf Englisch Auskunft geben könne, so Joaquín Vidal. Später werde das Personal dann aufgestockt, um Führungen anbieten zu können.