Wie war die Freude groß, als die UNESCO Mallorcas Serra de Tramuntana im Juni 2011 zum Welterbe erklärte. Von neuen Touristen­strömen, abseits von Strand und Sonnenschirm, die endlich die Nebensaison beleben sollten, war die Rede. Von uneingeschränkt passierbaren Wanderwegen und Finanzspritzen für verfallende Bau- und Naturdenkmäler.

Ein Jahr und gut acht Monate später gibt es immerhin eine, wenn auch nicht sonderlich liebevoll gepflegte Website - die Rubrik „Neuigkeiten" wurde zuletzt im Juli 2012 aktualisiert.

Das im September 2011 gegründete Welterbe-Verwaltungskomitee ließ sich mit der Ernennung eines hauptamtlichen Geschäftsführers bis Ende Januar Zeit. Erst in der vergangenen Woche konnte der aus Sóller stammende Bartomeu Deyà seinen Dienst antreten. „Als erste Amtshandlung ließ ich Aufsteller mit einem riesigen Foto von der Tramuntana für die ­Tourismusbörse in Berlin anfertigen", erklärt der Betriebswirt stolz am Rande einer Tagung über die Serra de Tramuntana am vergangenen Freitag (15.2.) im Hotel Son Brull.

Eine Rathausmitarbeiterin aus Pollença präsentierte daneben eine druckfrische Broschüre, in der die Wanderrouten der Gemeinde vorgestellt werden. Doch ansonsten beschränkte sich die Veranstaltung größtenteils auf die altbekannten Lippenbekenntnisse.

Inselratspräsidentin María Salom sprach salbungsvoll vom Schulterschluss von öffentlicher Verwaltung und Privatwirtschaft. Leichter gesagt als getan, meinte Tagungsteilnehmer Juan José Sánchez Artés. Der Leiter der Stiftung zum Schutz des in der Tramuntana heimischen Mönchsgeiers weiß aus eigener Erfahrung, dass die Mühlen der Behörden langsam mahlen, während Privatleute oft schnell mit ihren Ideen vorpreschen. „Sinnvoll wäre, wenn die einen etwas bedachter zu Werke gingen, und die anderen sich etwas beeilen würden." Während Hotels, Restaurants oder die privaten Betreiber von Parks und Höhlen die Berge längst mit ihren Hinweistafeln übersät haben, suche man offizielle Wegweiser oder auch Verbotsschilder meist vergeblich.

Damit die Landschaft die größer werdenden Touristenströme gut verkraften kann, müsse einiges her: angefangen vom Rastplatz mit Abfalleimern bis hin zu alternativen Wander­routen, damit sich nicht alle Urlauber auf den klassischen Wegen drängen.

Und noch ein anderes Damokles­schwert sieht Juan José Sánchez Artés über der Insel schweben: Die Sicherheit in der Tramuntana lasse zu wünschen übrig, an einem Wochenende seien auf den Wanderwegen gerade mal zwei Mitarbeiter der Umweltbehörde unterwegs. „Wenn das erste Mal ein schlimmer Unfall passiert, spricht sich das schnell rum und verursacht einen riesigen Imageschaden."

Matthias Soeder, Geschäftsführer einer Outdoor-Event-Agentur und Mitglied im Verband der im Aktivtourismus tätigen Unternehmen auf Mallorca, kann dem nur zustimmen: „Falls mehr Leute in die Berge gehen sollen, muss unbedingt die Unfallhilfe verbessert werden." Statt wie früher über zwei verfüge die Bergwacht aber mittlerweile nur noch über einen Rettungshubschrauber.

Auch sonst sieht Soeder noch viel Handlungsbedarf. „Der Zugang zu vielen Wegen ist nach wie vor schwierig", erläuterte er während der Tagung. Immer wieder stünde er mit Touristen vor verschlossenen Toren. Dass für viele Aktivitäten eine Erlaubnis erforderlich sei, erweise sich oft ebenso als Hindernis - etwa wenn ein Hotel anruft und spontan für ein paar Gäste eine Tour buchen möchte. „Die können nicht drei Monate warten, bis ich die Genehmigung bekomme."

Die gesamte Hotel- und Touris­musbranche setze auf Kleinst­unternehmer wie ihn, wenn es darum geht, Mallorca auch in der Winter­saison zum attraktiven Urlaubsziel zu machen. 80 Prozent der im Aktiv- und Outdoorbereich tätigen Firmen bestünden gerade mal aus zwei Mitarbeitern. „Wenn wir das schaffen wollen, wäre ein bisschen mehr Unterstützung nötig", appellierte Soeder an die versammelten Politiker und Tourismusvertreter. Bisher habe ihm aber nicht einmal einer der Verantwortlichen ein Logo des Welterbes zur Verfügung gestellt, das er gerne in seinen Werbe­flyern und Infobroschüren abgedruckt hätte. „Ich musste mir im Internet selbst was suchen."

Kein Wunder also, dass die Tramuntana auch 2013 noch nicht weltbekannt ist, wie es sich Ángel Morillas gewünscht hätte. „Wir müssen endlich mit den Stereotypen brechen und ein neues Mallorca-Image schaffen", sagt der Historiker aus Barcelona, der als Mitglied des internationalen Rats für Denkmalpflege mit dem Welterbe­komitee der UNESCO zusammengearbeitet hat. „Es ist jetzt an der Zeit, mit der Arbeit zu beginnen."

Davon ist auch Bartomeu Deyà überzeugt, der nun anfangen will, den der UNESCO vorgelegten Maßnahmenkatalog abzuarbeiten. Öffentlichkeitsarbeit und Vermarktung steht ganz oben auf seiner Liste. Als erstes will er an den Straßen große Hinweistafeln anbringen lassen, die auf das Welterbe Serra de Tramuntana aufmerksam machen. „Das ist so einfach, ich weiß nicht, warum das noch nicht geschehen ist." Schritt für Schritt will er dann auch all die anderen Baustellen angehen: Wanderwege besser ausschildern, Finanzhilfen für die Bauern schaffen, die Verwendung regionaler Produkte fördern. „Es gibt viel zu tun."

Inmaculada Benito, die Vorsitzende des mallorquinischen Hoteliers­verbands, hatte zum Ende der Tagung deshalb gleich noch die Gründung einer interdisziplinären Arbeitsgruppe angeregt. Diese wird innerhalb des Welterbe-Verwaltungskomitees angesiedelt sein und aus Vertretern aus Politik, Hotel- und übriger Tourismusbranche bestehen. Sie soll zunächst Informationen rund um die Serra de Tramuntana bündeln und eine „Produktpalette" erarbeiten, die man gezielt an Reiseveranstalter und andere Multiplikatoren weiter­geben kann.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 21. Februar (Nummer 668) lesen Sie außerdem:

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