MARTINA ZENDER Ein kulinarisch spannendes Jahr geht zu Ende, wenn auch die Michelin-Tester diesmal keinen neuen Stern verliehen hatten. Egal, auch ohne weiteren Stern können auf Mallorca jede Menge Restaurants Genießer begeistern, denn die Insel ist für Gourmets ein Mekka geworden. Zeit also für einen Rückblick auf interessante Neueröffnungen. Die Trends der letzten Jahre - regionale Produkte und Neuinterpretationen von traditionellen Inselgerichten - werden weiter intensiv gepflegt. Hinzu kommt, dass nach früherem Misstrauen der Mallorquiner in Bezug auf exotische Genüsse aus Asien, diese Küchenstile ebenfalls weiterhin boomen und man als Deutscher, Schwede oder Engländer nicht mehr alleine beim Inder, Thailänder oder Japaner sitzt. Und schließlich hat der Mercado Gastronómico San Juan einen ähnlichen Konkurrenten bekommen: den Mercat 1930.

Die neuen Highlights

Doch los geht's mit den besten. Da wäre das Sa Fábrica in der umgebauten früheren Lederwarenfabrik Can Ramis in Inca, in dem Ex-Topchef-Gewinner Marcel Ress sich kreativ auf hohem Niveau austobt wie aktuell beispielsweise als Tagessuppe im Mittagsmenü eine Karottensuppe mit Kaffee-Öl und konfiertem Kabeljau zeigt. Dabei wird das Portemonnaie seiner Gäste aber nicht zu stark belastet. Er startete im Frühjahr mit seinem jungen engagierten Team.

Im Sommer kam das Vandal hinzu, der wahrgewordene Restauranttraum von Chefkoch Bernabé Caravotta (früher Ombu) und seinem Maitre-Partner Seba Pérez. Die beiden Argentinier präsentieren an der Plaça del Progrés in Palma in urbanem Ambiente eine junge, frische Küche, die sich nicht auf Kochstile oder Länder festlegt. Es geht einfach nur um gutes Essen - und Trinken, denn die Idee, von einem Top-Barkeeper (Matias Iriarte) Cocktails, passend jeweils zu einem Gericht der Karte, kreieren zu lassen, ist Spitze.

Spitzenkoch Tomeu Caldentey wiederum eröffnete fast gleichzeitig sein drittes Lokal nach dem Bou in Sa Coma und dem Taronja Negre Mar am Hafen von Palma: das Tomeu - Restaurant amb arrels (Restaurant mit Wurzeln). Diesmal hat er sich im Erdgeschoss des neuen Boutiquehotels Sant Jaume in der gleichnamigen Altstadtgasse eingenistet und bietet in edlem Rahmen hochherrschaftliche Küche. Dies bedeutet: Man bekommt Gerichte, wie man sie früher durchaus auch in den Adelpalästen hätte servieren können. Es sind keine Original-Rezepte, sondern Kreationen von Caldentey in altem Gewand - mit modernen Techniken vom Tomeu-Küchenchef Juan Melis zubereitet und serviert von Kellnern mit Livrée. Das hat Stil!

Das Top-Quartett voll machte Ende Oktober das Fera in Palmas Mitte vom Ehepaar Levy mit Chefkoch Simon Petutschnig. Im Obergeschoss thront der altehrwürdige Círculo Mallorquín, darunter kann man inmitten von ausgewählter guter Kunst aus der Levy-Sammlung in den komplett renovierten und umgestalteten stylischen Räumen fein speisen, wobei man die Affinität zu Asien dem aus Österreich stammenden Koch anmerkt, wie man an folgendem Beispiel aus dem Mittagsmenü sieht: Caldo Dashi mit sautierten Pilzen, konfierten Shiitake- und Trompetenpilz-Gnocchi. Gehoben, aber nicht abgehoben

Im Carrer Cotoner gab's in den gegenüberliegenden Hausnummern 47 und 54 schon häufige Restaurant-Wechsel - in diesem Jahr probieren es wieder neue Betreiber hüben wie drüben und man wünscht ihnen Erfolg. Verdient hätten sie es. Da wäre zum einen das Taller de Mar von Gastronomensohn Riccardo di Loreto, ein kochender Italiener, der aber auch in Deutschland lange gelebt hat. Nach einem Pizzeria-Intermezzo mit einem Partner in Port d'Andratx wagt er es diesmal alleine und konzentriert sich in seinem Lokal auf - wie der Name schon sagt - alles, was aus dem Meer kommt.

Gegenüber bildet ein Geschwisterduo (Martha Arais, Claudio Gutmann) mit ihrem kochenden Freund (Héctor Marceló) das Betreiber-Trio, die mit dem Fulla d'Ostra an den früheren Erfolg mit ihrem gleichnamigen Lokal in Barcelona anknüpfen wollen: Gutmann, eigentlich Opernsänger, und seine Schwester Martha, eigentlich eine Marketing-Expertin, haben den elegant-stilvollen Rahmen geschaffen für die Kreationen von Marceló, der auf den Osterinseln, in Peru, Argentinien und Spanien nur bei den besten seines Fachs lernte.

Am Rand des Santa Catalina-Viertels hat der Kolumbianer Michel Guzmán samt seinem französischen Partner Loic Villepontoux ihr Lokal Millo eröffnet. Der Anteil traditionell kolumbianischer Gerichte hält sich jedoch in Grenzen, Guzmán nutzt seine Wurzeln lieber als Inspiration und Basis für neue Kreationen. Perfekte Geschmacksergänzung: Seine selbst angesetzten Essige wie Kokos-, Mais-, Bitterorange- oder Melassen-Essig, die tröpfchenweise bei den Gerichten zum Einsatz kommen.

Der weitgereiste dänische Restaurantmanager Michael Wilson eröffnete im April sein Wilson's an der Plaça Chopin, engagierte eine Topcrew und bietet seitdem ausgefallene Speisen auf hohem Niveau. Der Kochstil: ein Mix aus der angesagten nordischen Küche mit teils mediterranen Zutaten.

Ein absoluter Klassiker der Insel, das Bahía Mediterráneo an der Hafenpromenade, wurde in diesem Jahr von neuen Pächtern übernommen, der Zhero-Gruppe. Sie behielten den fantastischen Art Decó-Look des Lokals bei, ergänzten ihn mit modernen eleganten Möbeln und kaufen mit dem Österreicher Klaus Brunmayr den früheren Tristán-Küchenchef als Supervisor ein, der auch die anderen Lokale der Gruppe in Österreich und auf Mallorca betreut. Es gibt internationale Küche (gereiftes Fleisch, aber auch vegane Speisen), wobei das Wiener Schnitzel delikat herausragt - natürlich aus Kalbfleisch mit Preiselbeermarmelade - und der Hafenblick, der alles verschönt.

Im Eagle, dem Restaurant von Golf Bendinat, fliegen vor dem Haus die Bälle weit und hoch, und auch im Clublokal werden die Bälle nicht flach gehalten, wie es in der Redewendung heißt, sondern man kocht auf hohem Niveau. Dafür sorgt Iván de Crespo, der neben der "normalen" Golfküche abends im Eagle so richtig loslegt und Gerichte à la Fasanen-Brust, gefüllt mit Pilzen an Gemüsegratin zaubert, die auch ästhetisch begeistern. Die Menüs reichen von vier Gängen plus Getränk für 20 Euro bis hin um Eagle-Degustationsmenü mit drei Amuse Gueules, zwölf Gängen, vier Desserts und begleitende Getränke für 95 Euro.

Ein neues 5-Sterne-Hotel, das Grand Portals Nous geführt von der Iberostar-Gruppe, mit einem adäquaten Hotel-Restaurant namens Astir findet man in der kleinen Bucht von Portals Nous. Hier kocht Rubén Aguilar Bel, der sein Handwerk erstklassig beherrscht. Er wirkte zuvor unter anderen bei Meisterkoch Gordon Ramsay in London als Souschef und arbeitete auch auf dem Festland bei diversen Sterneköchen, in China und Ungarn. Seine Küche ist mediterran und international zugleich, schmeckt ausgezeichnet und ist - passend zum ausgefallenen Design von Design-Ikone Marcel Wanders - auch ästhetisch angerichtet.

In Ciutat Jardí erregte am Strand das „blaue Haus" früher Aufmerksamkeit. Mittlerweile ist es weiß gestrichen und beherbergt das Restaurant Villa del Mar. Geboten wird international-spanische Küche zu fairen Preisen. Man kann durchaus auf der hübschen Terrasse auch nur einen Drink mit Meerblick zu sich nehmen.

Fährt man weiter nach Campos bringt gleich zwei Restaurants in einem Haus, genauer gesagt, einem neuen Luxushotel, entstanden aus drei Liegenschaften an der Hauptstraße des Orts: Sa Creu Nova mit den Lokalen Tess de Mar, gehobene mediterrane Küche mit den mittlerweile üblichen kleinen Ausflügen nach Lateinamerika und Japan. Sowie das Kairiku im ehemaligen Weinkeller des Anwesens, wo man an einem 10-Personen-Tisch japanisch-kreative Menüs genießen kann.

Exotik mit Kick

Damit wären wir schon bei der Exotik: Ein Thailänder, zwei Japaner und zwei Lokale, die einen Mix aus mehreren asiatischen Küchenstilen bieten - so die Ausbeute der Autorin dieses Jahres in Bezug auf wohlschmeckendes Asien. Beginnen wir mit dem Isaan im Santa Catalina-Viertel. Hier kocht in diskret-asiatischem Ambiente ein thailändisches Paar authentisch delikate und gesunde Genüsse wie knusprige Ente mit Tamarinde. Tipp: das günstige Mittagsmenü für 15 Euro.

Das Izakaya am Rand des Viertels will mit seinem Angebot eine typisch japanische Kneipe imitieren, in der man Sake trinken kann und gute Hausmannsküche bekommt. Am Herd stehen zwei Japaner, deren Essen ein wenig stylischer einherkommt, als das Essen in einer japanischen Kneipe, aber das ist wohl dem Gusto der Europäer geschuldet. Und lecker ist es auf jeden Fall.

Dem Himmel so nah, kann man beinahe sagen, wenn man im komplett verglasten, schick eingerichteten Lokal (plus Terrasse samt Pool) Katagi Blau sitzt, denn es befindet sich im siebten Stock des 5-Sterne-Hotels Llaut Palace und man hat einen fantastischen Blick über die Playa de Palma und das Meer. Gekocht wird von Chefkoch Gunnar Blischke asiatisch auf hohem Kreativ-Level.

Bonnie, alle Welt nennt sie Bonnie, obgleich sie eigentlich Ser Ching Han heißt, ist die temperamentvolle, passionierte Köchin des Nama in Deià. Auch wenn das Lokal schon 2016 von Namali Schlehberger und Linus Gerdemann gegründet wurde, so ist es doch eigentlich erst mit Bonnie als neuer Partnerin lebendig geworden. Ihr Kochstil ist inspiriert von mehreren Ländern wie Thailand, Japan, Vietnam und China. Alles ist exzellent abgeschmeckt - nicht zu scharf, aber doch scharf genug - ist attraktiv angerichtet und vorzugsweise aus Bio-Produkten gekocht.

Leger-lecker-gesund

Informell, jung, teils auch hip oder gesund und immer sympathisch sind die folgenden Neueröffnungen des Jahres. Die Tapas im nett eingerichteten Contrabando in Llucmajor, das von einer jungen Holländerin (sie kocht) und ihrem mallorquinischem Freund (im Service) geführt wird, haben viele Fans, deren Kommentare sie auch bei Tripadvisor stets in die Top Ten aller über 5.000 dort gelisteten Restaurants bringen.

Verschiedene schmackhafte Burger, mal mit Brioche-Brötchen von Lluís Pérez oder veganen Brötchen von Tomeu Arbona, serviert man im legeren Kneipen-Restaurant Raimundo Burger von Alejandro Javaloyas an der Plaça Raimundo Clar in Palma.

Palmanova und Magaluf sind fest in englischer Hand, und das „Niveau" entspricht in etwa der Playa de Palma. Dies betrifft Touristen wie Angebote gleichermaßen. Aber es gibt auch Ausnahmen, die vor allem in der Vor- und Nachsaison interessante Anlaufpunkte sind. Wie etwa das The Olive Tree am Strand Son Maties, gegründet von vier sympathischen Engländern, die sich alle schon seit langer Zeit gut kennen. Aktuell gibt es winterlich angehauchte Küche, im Sommer dreht sich (fast) alles um Fischiges und Fleischiges vom Grill.

Fast ein kleiner Geheimtipp ist das Nonam in Campos. Eigentlich eher unscheinbar, zeigt es seinen wahren Charakter am Wochenende, wenn am typisch argentinischen Außengrill Spanferkel oder Schweinehälften brutzeln. Dazu eine lecker gefüllte Empanada und das Leben macht Spaß.

Vegane Küche ist in, schmeckt aber nicht immer. Im mymuybueno Deli ist das anders. Dahinter steckt die Britin Justine Murphy, ein nur 1,50 Meter großes Energiebündel mit großer Kreativität. Von Frühstück bis Mittagessen und Nachmittagskuchen gibt es in dem hellen Lokal gegenüber der Hauptpost und dort im ersten Stock des Gebäudes veganes, gluten- und zuckerfreies Essen. Die Theke quillt fast über vor Köstlichkeiten und man kann sich kaum entscheiden. Alles ist natürlich auch zum Mitnehmen geeignet.

Den Abschluss bildet der Mercat 1930. Im Sommer nach langen Vorbereitungen endlich vom ehemaligen Direktor des Mercado Gastronómico San Juan, Fernando Castellano, gestartet, bietet er drei Bars (Wermuth, Biere und Cocktails) sowie aktuell 11 Gastrostände unterschiedlichster Art - von baskischen Pintxos über italienische Schweinefleisch-Spezialitäten und Thai-Wraps bis zu Austern und Fleisch vom Josper-Grill. Direkt neben dem Tito's gelegen mit großer Terrasse, hat sich der Markt bislang gut entwickelt und ist speziell am Wochenende ein begehrter Treffpunkt.