Das bis heute mit Abstand erfolgreichste neue „Lokal" des Jahres hat an die 20 verschiedene Pächter - alle mit eigenen Genussideen und Konzepten, und trotzdem arbeiten sie harmonisch miteinander und unter einem einzigen Dach. Die Rede ist vom Mercado Gastronómico San Juan in Palma, der im Juni in einem Gebäude des alten Schlachthofs s´Escorxador eröffnet wurde. Zuvor mutmaßte man über Probleme der Akzeptanz, da ein wenig abseits vom Zentrum. Man meckerte am Namen, weil ja zuvor kein eigentlicher „Markt" in den Räumen angesiedelt war, aus dem sich - wie Beispiele aus Barcelona oder Madrid zeigen - ein gastronomischer Markt entwickelt hätte. Man befürchtete zu hohe Preise und einen zu elitären Anspruch fürs Viertel. Alles Quatsch! Es ist DER neue kulinarische Treffpunkt geworden und regelmäßig voll, was sogar speziell an Wochenenden und Abenden zu Platz­problemen führt. Eine absolute Bereicherung für die Insel.

Jung, dynamisch, kreativ

Eine der besten, wenn nicht gar die beste Neueröffnung 2015 war das Argos in Port de Pollença. Eingebettet in das komplett renovierte Hotel „La Goleta" und direkt an der Promenade gelegen, präsentiert der junge Chefkoch Álvaro Salazar Almansa seit Frühjahr dort seine überaus kreativen mediterranen Gerichte und Menüs wie beispielsweise den delikaten Meeresfrüchte-Fisch-Algensalat „El mediterranéo" mit einer Sauce aus filtriertem Meerwasser, Soja und Sake, angerichtet in einem spektakulären Marmorteller. Zu hoffen bleibt, dass das Konzept weiter existieren kann ohne zu viele Kompromisse an das in dieser Region vorherrschende touristische Publikum zu machen. Derzeit befindet sich das Lokal in der Winterpause (www.lagoletahoteldemar.com).

Sehr sympathisch ist das junge Trio (zwei Männer, eine Frau) im Restaurant Es Torrent de Son Carrió. Es hatte zwar schon 2014 eröffnet. Aber erst die Komplettrenovierung Anfang des Jahres plus eine Straffung des Konzepts machten daraus das Juwel, das es heute ist. Bei dem Trio gibt es mittags ein normales Drei-Gang-Menü und abends ein achtgängiges, wöchentlich wechselndes innovatives Degustationsmenü, das man bei kleineren Hunger­attacken auch auf eine Fünf-Gang-Variante kürzen, oder auch einzelne Gerichte daraus ordern kann (FB: Es Torrent de Son Carrió).

Ebenfalls die perfekte Kombination aus jung und sympathisch, lecker und günstig bietet Tomeu Lassio in seinem gleichnamigen Lokal in Lloseta. Er kocht nicht nur in der Tradition seiner Lehrmeister Joan Abrines (Celler Can Carrossa) und Santi Taura (Santi Taura), sondern auch in deren früherem Lokal an der Hauptstraße des Orts. Das Konzept ist den beiden anderen entlehnt: ein auf mallorquinische Produkte basierendes Fünf-Gang-Degustationsmenü für 27 Euro. Inseltradition, die Lassio kunstvoll modernisiert. Sein Vorteil: Nahezu alles - von Obst über Gemüse bis Fleisch - stammt von der eigenen Familienfinca. Da weiß nicht nur er, was er zubereitet, sondern auch wir, was wir essen (FB: Tomeu Lassio).

Tradition mit Herz

Köstlich gekochte Hausmannskost mit Pfiff - das kann Maria Salinas, die sich in Mancor de la Vall in einem alten Dorfhaus mit einem Restaurant, das ihren Namen trägt, selbständig gemacht hat. Seit der Eröffnung Ende September wächst ihre Fangemeinde stetig, was nicht nur an ihrem guten Essen und dem hübschen Ambiente liegt, sondern vor allem an der Köchin selbst, denn ihre Herzlichkeit toppt alles - selbst die fantastischen Wurstwaren ihres Lebensgefährten Xesc Reina, die ebenfalls in ihrem Restaurant serviert werden und beispielsweise Teil des abendlichen Fünf-Gang-Degustationsmenüs für 29 Euro sind (FB: Maria Salinas Restaurant).

Auch in Palma sorgt seit Mai ein junger Koch mit seinen innovativen Traditionsgerichten für Furore: Tomeu Ramis in seinem Vidre. Witzigerweise war er der Vorgänger-Koch von Maria Salinas im Hostal Cuba, in dem Salinas bis zu ihrer Selbständigkeit tätig war. Der 27-Jährige hat viel Herzblut in sein eigenes Lokal gesteckt, dass er als Hommage an seine Familie „Vidre" - auf Deutsch bedeutet das „Glas" - genannt hat, denn so heißt auch die familien­eigene bekannte Bar Cristal (Spanisch für Glas) an der Plaça Espanya. Serviert werden kreative mediterrane Speisen zu günstigen Preisen (FB: Vidre).

Schick und schön

Diese Begriffe treffen sicherlich auf das Mar de Nudos von Marco di Loreto zu, der sein Schmuckstück an der neugestalteten Hafenmole Ende vergangenen Jahres eröffnete. Hier trifft Design auf gute Küche, wobei der clevere di Loreto sowohl die Lust auf Asiatisches mit Sushi & Co befriedigen kann, als auch die weltweit beliebte Küche seiner italienischen Heimat und Klassiker der mediterranen Küche anbietet. Man sitzt perfekt mit Blick auf Yachten(www.mardenudos.com).

Ende März kam ein weiteres Design-Highlight in Palma dazu: das GP Café am Paseo Borne - eines der Lokale, für deren Erhalt der Außenbewirtung gerade erfolgreich gekämpft wurde. Dabei sitzt man im Inneren viel schöner angesichts der Innen­architekturkunst des Studios Lázaro Rosa-Violan. Die russischen Besitzer vertrauen auf die Kochkunst des Argentiniers Enrique Alvarazo Almarado, der international-mediterrane Gerichte auf der Karte hat, die er auch attraktiv - passend zum Ambiente - präsentiert

(FB: GP Café).

Zurück und wieder da

Viele Jahre verbrachte Adrian Quetglas, früher „Koch-Zögling" von Marc Fosh, in Russland, wo er sich zum erfolgreichen Geschäftsmann sowie Restaurantberater mauserte und selbst Lokale betrieb. Doch das Heimweh war stärker. Daher startete er im Juni auf dem Paseo Mallorca mit seinem Restaurant. Mediterran-­kreativ kann man die Küche nennen - mit dem Highlight der Karte, dem modern variierten russischen Eintopf Borschtsch (www.adrianquetglas.es).

Nachdem Gerhard Schwaiger dem Tristán nach dem Betreiberwechsel den Rücken kehrte, warteten viele auf die Rückkehr des früheren Sternekochs, der über 20 Jahre im Nobelhafen Puerto Portals Kochgeschichte geschrieben hatte. Ende Oktober war es dann soweit - allerdings an einem Ort, den viele für gewagt halten: Die Dachterrasse eines dreistöckigen Hauses am Kreisel von Sa Vileta - direkt neben dem Fußballstadion - beherbergt das neue eigene, dezent schick gestylte Domizil Schwaiger Xino´s, das er unter anderem gemeinsam mit seiner langjährigen Sommelière-Vertrauten aus dem Tristán, Cristina Pérez, leitet. Geboten wird Schwaigers Aromenküche, bei der nicht die Anrichtung, sondern das Produkt im Mittelpunkt steht. Darunter finden Tristán-Fans auch viele frühere Schwaiger-Klassiker (www.schwaiger.es).

Andere Länder, andere Küchen

Der Süden der Vereinigten Staaten, besser gesagt New Orleans, was im dortigen Sprachgebrauch liebevoll mit „Nola" abgekürzt wird, gibt das Konzept vor für das ebenfalls Nola genannte neue Lokal im Santa Catalina-Viertel: cajun-kreolische Küche. Geführt wird es von einem Halb-Amerikaner/Halb-Engländer und einer Deutschen (www.disfrutadenola.com).

Südamerika, konkret Venezuela ist das Heimatland der Familie Castañeda, die seit September das attraktiv designte Restaurant Tierra de Gracia in der Carrer Missió führt. Auf der Karte stehen sowohl venezolanische Speisen wie arepas (gefülle Teigfladen), fosforera (Meeresfrüchte-Fischsuppe) und tepui (Rinderfilet) als auch spanische Klassiker (FB: Tierra de Gracia).

Ihr Bibap gibt es schon länger an der Plaça de Mercat, in diesem Jahr eröffnete Besitzerin Yang-Soon Kang direkt daneben das Bimil. Während es im ersteren Lokal asiatische Gerichte aus verschiedenen Ländern gibt - mit Schwerpunkt Korea - konzentriert man sich im Bimil auf die gehobene koreanische Küche mit französischem Einschlag (www.bimil-mallorca.com).

Authentische italienische Küche bietet die Casa Michaela im Santa Catalina-Viertel. Da schmeckt es nach Umbrien, der Heimat des Besitzers Luca Dalla Torre. Selbstgemachte Pasta ist hier noch selbstverständlich, Rezepte aus der Familie werden in Ehren gehalten, und der Service ist mehr als herzlich (www.casamichaela.com).

Weltfusion-Food kocht der mit einer Mallorquinerin verheiratete Engländer Lee Kerly in seinem am Valentinstag eröffneten Restaurant Simply Kerly bei Buger. Der kreative Koch, der zuvor im Mr. Green in Sa Pobla die Gäste verwöhnte, rangiert fast von Anfang an in den vorderen Gesamt-Mallorca-Plätzen bei Tripadvisor (www.simplykerly.com).

Zum Zweiten und Dritten €

Der Trend zum Zweit- bzw. Drittlokal hält weiterhin an: Als da wären Emilio Castrejón mit seinem dritten Lokal (nach Emilio Innobar und Vinoteca) in der Carrer Bonaire, dem er den eher schrägen Namen Emi´s Wine House gegeben hat, auch wenn es in dem Lokal mit seiner auffallenden roten Bartheke eher feste Speisen als vergorene Traubensäfte gibt € (www.emilioinnobar.com).

Sternekoch Tomeu Caldentey, dessen Hauptlokal jetzt offiziell nur noch als Bou firmiert, reüssierte im Mai als Nachfolger von Benet Vicens im Club de Mar und konnte auch die konservativen Clubchefs von seinem unterhaltsam-köstlichen Konzept Taronja Negre Mar überzeugen. Seitdem weht dort ein neuer, frischer Wind mit Kochtöpfen und Tellern als Decken- und Wandschmuck, bunten Servierwagen und köstlichen Speisen zum Teilen. Die Gerichte erscheinen nur auf den ersten Blick klassisch, werden aber spielerisch variiert wie beispielsweise seine Pizzaimada: eine gepresste Ensaimada, belegt im Pizza-Stil (FB: Taronja Negre Mar).

Tomeu Torrens, der sein Hauptrestaurant Celler Can Amer in Inca weiterhin erfolgreich betreibt, hat nach dem S´Angel in Inca nun auch ein S´Angel in Palma eröffnet - und zwar in den Räumlichkeiten des ehemaligen Restaurants Es Baluard seines Bruders Joan. Anfang Januar war die Einweihung. Beide Lokale führt er mit einem Partner, Luis Suárez. Geboten wird günstige Weltküche mit thailändischen Reisnudeln, vietnamesischen Frühlingsrollen, japanischem Teriyaki-Huhn oder italienischen Pastaspeisen. Dazu natürlich klassisch spanisch-mallorquinische Küche gemäß Torrens´ Tradition und alles zu günstigem Preis-Leistung-Verhältnis (FB: Restaurante S´Angel Palma).

Die Peruanerin Irene ­Gutiérrez begann in den früheren Räumlichkeiten ihres Sumaq im Frühjahr mit dem Piruw. Dort präsentiert sie im Gegensatz zur modernen peruanischen Fusion­küche des Sumaq eher das klassische Peru mit Traditionsrezepten ihrer Heimat wie deftigen Eintöpfen, aber auch ceviches, causas und Rindergerichten. Das Mittagsmenü wird im Piruw für 15 Euro offeriert (FB: Piruw).

Leider schon geschlossen

Auch 2015 gab es wieder etliche Schließungen, wie beispielsweise das Es Somni in Campos mit der engagierten Köchin María Magdalena Font Vidal. Ihr Traum platzte - vor allem an der zu großen Diskrepanz zwischen ihren kostspieligen Qualitäts-Zutaten und dem günstigen Verkaufspreis. Nur ein kurzes Gastspiel gab der Schwede Johan Engström im Sisko an der Plaça Chopin in Palma, wo er opulent mit einer teuren neuen Küche und viel Styling aufzutrumpfen versuchte. Mit ihm ging auch der beste Rehrücken, den ich seit Langem essen durfte. Benet Vicens hatte mit seinem Zweitlokal, dem Bistro im Club de Mar, kein Glück, was vor allem an der Engstirnigkeit der Clubverantwortlichen lag. Sein Nachfolger Tomeu Caldentey konnte die starren Strukturen aufbrechen.