Wer Bier herstellen möchte, braucht keine riesigen Hallen mit ebenso riesigen komplizierten Apparaten. Er benötigt auch kein Heer von Arbeitskräften und Dutzende Lastwagen. Es genügen ein kleines Zimmer, ein paar erschwingliche elektrische Geräte, Zutaten wie Gerste und Hefe in überschaubaren Mengen, Wasser, Kronkorken, ein Artefakt zur Fixierung derselben, Flaschen, Etiketten und als Helferin die Freundin oder Ehefrau. Und wenn die auch noch ansehnlich ist, kann man auf Wochenmärkten vermehrt die Kunden anlocken.

So verfährt Guillermo ­Tamagni aus dem Dorf Selva am Fuß der Serra de Tramuntana. Wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, richtete der Argentinier einen lediglich etwa zehn Quadratmeter kleinen Verschlag für die Produktion von cerveza casera – zu Deutsch „Hausbier" – her. Tamagni benutzt allerdings lieber den Ausdruck cerveza artesanal. Das klingt edler, exklusiver. Das Getränk vertreibt er unter dem Namen „Tramuntana" in drei Varianten.

Es gibt ein Dunkelbier mit sechs Grad Alkoholgehalt, das herb ist und ein wenig nach Kaffee und sogar Schokolade schmeckt, sowie ein Helles, dessen Hopfenaroma besonders authentisch hervorsticht.

Und da wäre noch der Clou des Hauses, die cerveza roja, das rote Bier. Der MZ-Geschmackstest ergibt hier: Nach einem Schluck bleibt ein bitterer Nachgeschmack im Gaumen hängen, der nach einigen Minuten spürbar penetranter wird. Tamagni sagt es anders: Man schmecke das Malz besonders unverfälscht heraus. Gut vorstellbar, dass manch ein Bier-Fan das Aroma des roten Biers gar nicht mal übel findet.

„Wir produzieren 800 Liter pro Woche", sagt der professionell in einen weißen Kittel gehüllte Brauer, der seit zehn Jahren auf Mallorca lebt und sich anfangs mit der Einrichtung von Alarmanlagen über Wasser hielt. „Die Flaschen verkaufen wir in zwei Läden in Selva und einem in der acht Kilometer entfernten Stadt Inca", fügt der 40-Jährige hinzu und wirbelt seinen massigen Körper dynamisch um die eigene Achse. „Hinzu kommt Fassbier auf Wochenmärkten."

Tamagni füllt den winzigen Raum, der woanders als Besenkammer dienen würde, fast zur Gänze aus. „Jüngst waren wir in Cala Ratjada. Die deutschen Urlauber dort rissen sich um unser Bier." Im Direktverkauf kostet die Flasche zwei Euro. „Daran verdiene ich nur 20 bis 25 Cent", sagt Tamagni. Das liege daran, dass Flaschen, Etiketten und Kronkorken teuer seien. Um mehr zu verdienen, muss er mehr Flaschen auf den Markt werfen.

Und da das Geschäft momentan besser kaum laufen könnte, schmiedet der Machertyp, den es vor zehn Jahren aus dem von einer verheerenden Wirtschaftskrise gebeutelten Argentinien auf die Mittelmeer-Insel verschlagen hatte, große Pläne. „Wir wollen die Produktion deutlich erhöhen, dafür brauchen wir einen größeren Erhitzungsapparat und einen größeren Raum."

Das momentan noch kleine, an einen großen Eimer erinnernde Gerät, in das Tamagni gestoßene Gerste aus Deutschland und Wasser kippt, fasst nur 50 Liter. „Das muss sich ändern." 200 bis 300 Liter müssten in so ein Ding auf jeden Fall passen. Und eines müsse auch ersetzt werden: der sperrige Kronkorkenbefestiger. „Es ist ungeheuer umständlich, das mit der Hand zu machen."

In dem eimerartigen Apparat, der am Anfang des Produktionsprozesses steht, wird das Gebräu dreimal erhitzt – zunächst auf 63 Grad, dann auf 73 Grad und schließlich auf 78 Grad. Es bildet sich Most, der gekocht wird. Dann mischt Haus-Brauer Tamagni Hopfen bei, außerdem auch noch aus Belgien stammende Hefe, die den Most „auffrisst". Irgendwann kommt die Flüssigkeit in ein sogenanntes Fermentiergerät. Dort wird sie heruntergekühlt, und es bildet sich Alkohol. Das alles reift dann ein bis zwei Wochen. „Nach dem zweiten Fermentierungsprozess bleibt im Bier das Gas", sagt Tamagni. „Und dann füllen wir das Ganze in die Flaschen, die wir übrigens in Barcelona kaufen." Das Gebräu hält sich höchstens sechs Monate, dann wird es ungenießbar.

Der aus der Nähe der südwestargentinischen Stadt Neuquén stammende Tamagni erinnert sich fast ein bisschen wehmütig an die Anfänge vor etwa drei Jahren auf Mallorca, als er in rauen Mengen Fach-Literatur über Bier verschlang. Als er sich nächtelang im Internet über die verschiedensten Biersorten, die es auf der Welt gibt, informierte. Und als er Gerste plus Wasser noch wie eine Hausfrau in stinknormalen Kochtöpfen mühevoll auf dem Herd erhitzte.

Jenes Bier veräußerte er noch nicht. Er übte noch. Mit dem Verkauf ging es erst viel später los, im Juni dieses Jahres. Als er sein „Tramuntana"-Bier auf einer fira in Selva in Fässern feilbot, hätten sich die Menschen fast wie Heuschrecken auf den Gerstensaft gestürzt. „Bevor die fira endete, hatten wir alles verkauft", sagt Tamagni. „Verrückt", fügt er noch hinzu und verdreht fast ungläubig die Augen.

Jetzt steht er, wie Tamagni meint, besser denn ja da. So gut, dass er sich erlaubt, sein Produkt nicht jedem potenziellen Kunden anbieten zu wollen. Er habe nicht im Traum vor, Billig-Bier für Charter-Hooligans etwa aus Magaluf herzustellen. Weil er das angesichts seiner hohen Herstellungskosten gar nicht könne, und weil seine cerveza, davon ist Tamagni überzeugt, etwas Besonderes ist. Etwas für Leute, „die Bier mögen und Lust auf neue Geschmäcker haben".

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