„Erhofft, aber nicht erwartet"

Andreu Genestra (31) kann trotz seiner Jugend schon auf viele renommierte Stationen zurückblicken. Er arbeitete für Sterne­köche wie Marc Fosh und die Legende Ferran Adrià im El Bulli, für Oligarchen in Russland und für Scheichs in Kuwait. Ab 2009 leitete Genestra die Küche des Fünf-Sterne-Hotels Formentor und machte schließlich im Frühjahr 2012 sein erstes Restaurant auf, dem er seinen eigenen Namen gab. Es liegt zwar innerhalb des schicken Landhotels Predi Son Jaumell, gehört aber dem frisch gekürten Sternekoch.

Hatten Sie den Stern erwartet?

Erhofft ja, aber nicht erwartet. Ich denke zwar, dass ich ihn zu Recht bekommen habe, aber es gab im Vorfeld eine kleine Auseinandersetzung mit einem Michelin-Inspektor.

Ich dachte, die kommen unerkannt?

Einige ja, andere geben sich nach dem Bezahlen der Rechnung zu erkennen, um mit dem Koch zu reden. Dies war bei mir der Fall. Wir hatten ein gutes Gespräch, er lobte meine Küche im Allgemeinen, die Weinauswahl und das Ambiente, aber er kritisierte ausgerechnet eines meiner stärksten und meistbestellten Gerichte, das Span­ferkel mit Ensaimada.

Wieso das?

Es hätte ihm nicht wirklich geschmeckt, und er gab mir Änderungsvorschläge. Das fand ich nicht wirklich angemessen und entgegnete ihm, dass er - es war ein Engländer - nun mal einen anderen Geschmack habe. Alle meine mallorquinischen Gäste würden das Spanferkel genau in dieser Art der Zubereitung lieben und die ausländischen Gäste kämen ja gerade, weil sie den mallorquinischen Touch dieses Gerichts mögen. In­sofern würde ich es sicher nicht ändern.

Was passierte daraufhin?

Nichts. Er nahm es zur Kenntnis und zog von dannen. Aber ich dachte mir, das war´s mit dem Stern. Später kamen noch zwei weitere Inspektoren. Das gab mir wieder Hoffnung.

Kennt oder erkennt man die als Koch eigentlich?

Einige haben da ein Näschen für oder haben so wie ich Gespräche mit ihnen geführt, und dann gibt es einen kollegialen Rundruf nach dem Motto „Sie sind auf der Insel". Letztlich kocht aber jeder jeden Tag so gut, wie er kann, und die Equipe gibt in gehobenen Lokalen stets ihr Bestes, insofern spielt es keine Rolle, ob man sie erkennt oder nicht.

Wird sich mit dem Stern im Restaurant etwas ändern?

Nein, wir machen alles so wie bisher. Das hat uns ja gerade den Erfolg beschert. Natürlich werden wir in Zukunft noch intensiver auf guten Service und Perfektion achten, aber das Leben vor dem Stern ist das gleiche wie das Leben mit dem Stern. Und manche Dinge ändern sich nie, wie beispielsweise die Sicht meiner Mutter auf meine Koch­fähigkeiten. Sie gratulierte mir, aber meinte dann: „Du magst jetzt einen Stern haben, aber ich mache den arroz immer noch besser als du."

Aktuell ist Ihr Restaurant in der Winterpause, wann geht es weiter?

Wir werden wohl am 1. März eröffnen. Das Telefon steht seit der Sternverkündung nicht mehr still, wir sind tatsächlich schon den ganzen Monat März voll mit Reservierungen.

Verlangen Sie jetzt einen Sterne­aufschlag?

Nein, ich selbst mag keine Restaurants, in denen man 100 und mehr Euro fürs Essen zahlen muss, und das will ich meinen Kunden auch nicht antun. Wir werden lediglich die Menüpreise um ein paar Euro anheben, wie man es eigentlich jedes Jahr macht. Dafür werden die Menüs aber auch noch elaborierter und mit verschiedenen kulinarischen Überraschungen angereichert.

Ihr Lokal Aromata in Palma (MZ berichtete) wird ebenfalls überrannt. Erwarten die Gäste hier jetzt auch Sterneküche?

Nein, ich denke, das können unsere Besucher unterscheiden. Ich will die beiden Lokale auch nicht kreuzen. Jedes hat seinen Stil und soll diesen auch behalten.

LandsternAndreu Genestra, aktuell in Winterpause, Ctra. Cala Mesquida, 1, Capdpera.Tel.: 971-56 59 10,

www.andreugenestra.com

"Der Stern verändert mein Leben nicht"

Marc Fosh (51) kennt sich bestens aus mit dem Leben als Sternekoch, hatte er doch schon von 2002 bis 2008 die Michelin-Auszeichnung inne. Der Brite, der seine Karriere im Londoner Greenhouse Restaurant und im Sternerestaurant Chelsea Room begann, kam 1991 nach San Sebastián und fünf Jahre später nach Mallorca, wo er bis 2008 für das Hotel Reads arbeitete. Aktuell betreibt der MZ-Autor neben dem Simply Fosh noch die Misa Braseria und einen Catering-Service. Nach der Sterne-Vergabe macht er nun erstmal Urlaub und pausiert deshalb auch drei Wochen mit seiner Seite in der MZ.

Im letzten Interview 2013 meinten Sie noch, Sie legten auf einen erneuten Stern keinen Wert. Was hat sich seitdem geändert?

Großen Wert lege ich immer noch nicht auf den Michelin-Stern, er verändert mein Leben nicht. Aber er hat unbestritten wirtschaftliche Auswirkungen. Man wird anders wahrgenommen. Das haben wir uns Anfang des Jahres überlegt und daraufhin noch einen Gang zugelegt. Das komplette Team, von der Kellnerin bis zum Küchenchef Marcel Ress und dem Restaurantleiter Jaime Cáceres, ziehen harmonisch an einem Strang. Das garantiert nicht automatisch einen Stern, aber man kann schon viel dafür tun.

Und Sie haben den einzigen „Hauptstadt-Stern".

Ja, und ohne arrogant klingen zu wollen, sind wir auch einfach das beste Restaurant in Palma - mit großem Abstand zu den anderen Lokalen. Wir kochen nicht Fusion oder asiatisch, und das peruanische Modegericht Ceviche werden Sie auch nicht bei uns finden. Mallorca liegt im Mittelmeer, und das wollen wir kulinarisch präsentieren: mediterrane Küche mit erstklassigen Ausgangsprodukten. Das zeigt der Stern jetzt auch nach außen hin. Insofern macht es mich stolz, dass unsere Anstrengungen von Erfolg gekrönt wurden.

Haben Sie persönliche Erfahrungen mit den Michelin-Testern?

Ich habe mit einem der Tester nach seinem Besuch lange geredet. Es hat sich viel bei diesem Führer geändert, meine ich. Sie sind offener geworden, nicht mehr ganz so konservativ wie früher. Man legt auch jetzt noch Wert auf schickes Ambiente, die richtigen Gläser, eine gute Weinkarte und einen perfekten Service, aber es darf trotzdem legerer sein. Wir sind mittags ja eher ein bistroähnliches Restaurant ohne Tischdecken mit einem relativ günstigen Menü. Das gab es früher nicht in Sternerestaurants.

Gibt es weitere Veränderungen?

Diesmal waren die Tester teilweise auch Ausländer. Auch das eine Neuerung. Man denkt jetzt internationaler. Vielleicht kommt daher auch dieser neue, lässigere Anspruch. Aktuell zählt vor allem gutes Essen zu einem guten Preis.

Hat sich die gehobene Gastroszene Mallorcas ebenfalls geändert?

Ich sehe seit einiger Zeit das erste Mal, dass die Köche kameradschaftlich miteinander umgehen. Dieses frühere Konkurrenzdenken, die Eifersucht und das Abschotten sind nahezu weg. Sterne werden natürlich international gesehen am intensivsten wahrgenommen, aber ich denke, dass sich auf breiterer Ebene auch jenseits der Sterne eine sehr gute Gruppe von exzellenten Köchen herausgebildet hat. Jung, ambitioniert und beste Botschafter für die Insel. Nicht nur Strände und Golfplätze ziehen Besucher an,

Gastronomie kann ebenfalls viel bewegen.

Was sagen Sie zu Ihrem früheren Mitarbeiter Andreu Genestra, der mit 19 Jahren bei Ihnen arbeitete?

Er war damals schon engagiert, hat alle Erfahrungen aufgesaugt und war ein guter Koch. Andreu hat den Stern verdient, und ich freue mich für ihn. Als Rat kann ich ihm nur geben, jetzt auf dem Boden zu bleiben und sich Bescheidenheit zu bewahren.

HauptstadtsternSimply Fosh, geöffnet Mo-Sa 13-15.30 Uhr, 19-22 Uhr, Fr/Sa 19.30-22.30 Uhr, C/. de la Missió, 7a, Palma. Tel.: 971-72 01 14,

www.simplyfosh.com

Guide Michelin 2015: Sieben Sterne und drei Empfehlungen

Vergangene Woche (19.11.) wurden in Marbella im Rahmen einer Gala die Auszeichnungen für Spanien und Portugal des wohl prestigeträchtigsten und bekanntesten Restaurantführers der Welt verliehen. Auf Mallorca gibt es seitdem zwei neue Michelin-besternte Restaurants: Das „Andreu Genestra" in Capdepera vom gleichnamigen Koch und das „Simply Fosh" von Marc Fosh in der Inselhauptstadt Palma. Die übrigen fünf Sterneträger konnten ihre Auszeichnungen verteidigen (Fernando ­Arellano vom Zaranda in Es Capdellá, Rafa Sánchez vom Es Fum in Costa d´en Blanes, Josef Sauerschell vom Es Racó d´es Teix in Deià, Tomeu Caldentey vom Es Molí d´en Bou in Sa Coma und Macarena de Castro vom Jardín in Port d´Alcúdia).

Neben den Sternen vergibt die Michelin-Redaktion auch die Bib-Gourmand-Auszeichnung, welche die besten Restaurants mit dem attraktivsten Preis-Leistungsverhältnis kürt. Auch hier gab es kaum Änderungen: Weiterhin sind Bib-Träger Joan Marc vom gleichnamigen Restaurant in Inca und die deutsch-spanische Familie Picornell Funke vom Son Tomàs in Banyalbufar, die ihr Lokal mit traumhaften Blick auf Ort und Meer schon seit über 30 Jahren führt. Newcomer in dieser Sektion ist das Patrón Lunares im Santa Catalina-Viertel in Palma unter Führung von Javier Bonet. Als Bib wird in Frankreich übrigens das bereifte Michelin-Männchen bezeichnet - sein voller Name lautet bibendum (vom lateinischen nunc est bibendum, „Jetzt lasst uns trinken").