Das Leben ist voller seltsamer Zufälle. Währen eines Kochkurses im Fosh Food vor ein paar Jahren fragte mich mal jemand: „Wer hat den größten Einfluss auf Ihre Kariere gehabt, und welche anderen Köche bewundern Sie am meisten?"

Ich musste ziemlich lange über diese Frage nachdenken, da ich nie einen wirklichen „Maestro" hatte, der mich groß beeinflusst hätte - und bevor ich nach Mallorca kam, war ich auch nirgendwo lange genug. Wahrscheinlich hat mir die Tatsache, dass niemand meine Karriere beeinflusst und bestimmt hat, auf lange Sicht sogar geholfen, meinen eigenen Stil zu entwickeln. Obwohl es viele Köche gibt, die ich respektiere und bewundere - zu viele, um sie hier alle zu erwähnen -, gibt es nur wenige, die für mich herausragend sind.

Von der Frage im Kochkurs gedrängt erwähnte ich also, dass mein erstes Vorbild wahrscheinlich Michel Guérard war. In der Woche drauf kochten wir dann eine vereinfachte Version einer seiner Klassiker zu Ehren dieses großartigen Mannes. Das Seltsame ist, dass der Mann ein paar Tage später tatsächlich nach Mallorca kam - und ich das Privileg hatte, für ihn zu kochen und ihn dabei ein wenig kennenzulernen.

Vor ungefähr 20 Jahren reiste ich durch Frankreich und speiste in seinem Restaurant. Es wäre nicht übertrieben zu sagen, dass Michel Guérard einer der einflussreichsten und meist kopierten Köche der französischen Nouvelle Cuisine ist, und er gehörte zu einer unglaublichen Gruppe an Köchen, an deren Spitze unter anderen die Troisgros-Brüder, Roger Verge, George Blanc und Paul Bocuse standen. Ihm heute noch die schlimmen Ausrutscher (um nicht zu sagen Exzesse) dieser am Ende des 20. Jahrhunderts angesagten Art zu kochen anzulasten - beispielsweise die winzigen Portionen -, wäre nicht fair.

Wie auch immer, das Essen damals war hervorragend, und das Ganze ein unvergessliches Erlebnis. Es war Guérard, der damals in den frühen 70ern den Weg bereitete für eine Küche ohne schwere Milchprodukte, indem er klassische französische Gerichte für die moderne Küche adaptierte, sie leichter und weniger „arterienblockierend" machte. Er war auch einer der ersten französischen Köche, der sein Gemüse al dente kochte, eine der grundlegenden Techniken der Nouvelle Cuisine. Mit den Jahren erwarben sich seine Gerichte wegen ihrer Geschmacksintensität einen hervorragenden Ruf, den sie sich bis heute erhalten haben: sowohl auf der Speisekarte in seinem ersten Restaurant Les Prés d´Eugénie als auch in dem im Auberge-Stil gehaltenen La Ferme au Grives. Und es ist nicht nur sein Essen, das Michel Guérard Aufmerksamkeit beschert hat, es sind auch die hohen Standards, die er in der Küche wie im Gastraum setzt - in diesem manchmal verrückten Geschäft ist er eine Inspiration für uns alle.

Das Rezept: Poulet au vin/Huhn in Wein