Die Königin der Meere, die Languste, spielt auch in der Küche meines Restaurants eine Hauptrolle. Dieses Krustentier ist jedes Jahr ein Highlight unserer Degustations-­Menüs ­zwischen April und August - also nur zu den Zeiten, in denen das Tier auch gefangen werden darf. In diesem Jahr zolle ich einem ganz besonderen balearischen Rezept meinen Tribut: dem Langusteneintopf caldereta, der auf allen vier Inseln gekocht wird, seinen eigentlichen Ursprung aber auf Menorca hat. Dort habe ich gelernt, dass der Eintopf geschmacklich gewinnt, wenn man ein paar Garnelen mit anschwitzt. Darüber hinaus ergänze ich in meiner Neu-Interpretation das Gericht noch um einen knusprigen Garnelen­deckel.

Die caldereta entstand auf Menorca in einer Zeit, als es Langusten noch im Überfluss gab und sie nicht den kulinarischen Stellenwert hatten, den sie heute haben. Tatsächlich war es der Mangel an Fleisch und Kartoffeln, der die Leute dazu bewog, dieses Gericht in ihren ganz alltäglichen Speiseplan zu integrieren. Seine Ursprünge hat der Eintopf wohl im Hafendorf Fornells im Norden von Menorca, ganz konkret in den Pensionen Casa Garriga und Ca‘n Teti, die es beide seit langer Zeit nicht mehr gibt. Aber erst das Ende des 19. Jahrhunderts eröffnete und mittlerweile

ebenfalls nicht mehr existente Hostal Ca‘n Burdo machte dieses Gericht populär. Dort gab es neben dem Eintopf auch andere Langusten-­Gerichte - vom Grill, mit Reis oder auf amerikanische Art mit einer Tomaten-Weißweinsauce. Nebenbei bemerkt war einer der berühmtesten Gäste des Hauses der Schauspieler John Wayne.

Eigentlich ist die Basis des Ganzen ein anderes, sehr einfaches und beliebtes Gericht: eine köstliche Sommersuppe namens oli­aigua (Öl und Wasser). Dafür wird ein sofrito hergestellt, indem man Tomaten, Zwiebeln, grüne Paprika und Knoblauch in Olivenöl anbrät. Hinzu kommt Wasser. Diese Suppe wird mit Brotstücken angerichtet und im August und September mit frischen Feigen serviert.

Wie bei so vielen Gerichten gilt auch bei einer caldereta: Jeder hat da sein eigenes, ganz individuelles Rezept. Der eine ergänzt die Suppe mit einer picada (Mischung aus Knoblauch und Petersilie), der andere fügt noch einen Schuss Brandy oder Hierbas-Likör hinzu, und der dritte dickt die Suppe mit ein wenig Semmelbröseln oder Eigelb an. Auch Orangensaft verwenden viele zum Abschmecken. Für alle aber gilt: Der corail (Eierstöcke) und andere Innereien müssen unbedingt verwendet werden, denn die sorgen für den intensiven Geschmack. Außerdem sollte eine caldereta lange köcheln.

Den Bewohnern von Fornells zufolge stammen die besten Langusten aus einer Tiefe von 20 bis 40 Metern und sind von dunkler, fast schwarzer Farbe. Man fängt sie mit Trammelnetzen (mehrlagige Netze, in denen sich die Tiere verfangen) oder mit speziellen, zylinderförmigen ­Käfigen mit Trichteröffnung. Diese Käfige setzte man früher in der Nähe der Felsen ein: Nachts gaben die Fischer Köderfische hinein und in der Morgendämmerung holten sie den Fang aus der Tiefe.

In der für ihn so typischen ironischen Direktheit schrieb der katalanische Schriftsteller Josep Pla, dass die Beliebtheit von Krusten­tieren einzig auf dem Fehlen von Gräten beruhe und dass der Mensch sie deshalb entspannt essen könne - im Gegensatz zu Aalen oder Meerbarben. Ebenso wie ein weiterer schreibender Feinschmecker, der galicische Journalist Julio Camba, bevorzugte Josep Pla eine sehr einfache Zubereitung: die halbierte Languste wird auf dem Grill gebraten und dann direkt aus der Schale gegessen. Allerdings verzichteten die Spanier darauf, den Panzer gleich mit zu verspeisen - wie es der französische Schriftsteller Victor Hugo zu tun pflegte.

Apropos Poesie: Der valencianische Gastrokritiker Lorenzo Millo schreibt in seinem Buch „El banquete de mar“ (Das Meeres-­Bankett), dass „der bleiche Mond“ großen Einfluss auf die Krustentiere nimmt: „Mit zunehmendem Mond werden sie dicker, bei Vollmond sind sie in ihrem Idealzustand, bei abnehmendem Mond leiden sie und bei Neumond sind sie mager, fast ausgemergelt.“ Millo hält die menorquinische caldereta für eines der besten Gerichte, das man mit diesem auf Latein auch Palinurus vulgaris genannten Tier zubereiten kann. Zudem sei die Languste ganz und gar nicht „vulgär“, also gewöhnlich, - bei dem Namen handle es sich ­vielmehr um eine Art „wissenschaftliche Ironie“

Die spanische Sterneköchin Macarena de Castro präsentiert im zweiwöchentlichen Wechsel mit dem Briten Marc Fosh Zutaten, Rezepte und Küchentipps.

Das Rezept: Caldereta de langosta