Laura Ramis ist eine Rebellin, auch wenn ihr Werk erst einmal auf eine kindliche Seele verweist. Buntes Plastik ist ihr Material, geschenkt, gesammelt und aufbewahrt von Freunden und Verwandten oder billig erstanden bei Recycling-Vereinen wie Caritas. Zum Konzept der Low-Cost-Kunst mit billigem Material passt es eben nicht, massenweise Plastikformen zu kaufen. „Ich verarbeite Gebrauchtes und gebe ihm einen neuen Wert", sagt die 29-Jährige.

Dass die knallbunten, unschuldig wirkenden Werke auch das Konsumverhalten der Menschen kritisieren, das scheint nicht Ramis' Hauptanliegen zu sein. Sie will mit ihrem Billig-Stil provozieren, sich an der Ästhetik der Objekte erfreuen und dabei unsere Welt verrücken.

Ramis ist kein Messie. Was sie zusammenträgt, wird ordentlich und sauber in großen Gemüsekisten gestapelt und bei Bedarf eingesetzt. Die Kisten stehen in ihrer Wohnung in Madrid und bei ihrem Madrider Galeristen Rafael Pérez Hernando. „Er tut mir damit einen großen Gefallen", sagt sie, „ich wüsste sonst nicht, wohin mit den Sachen."

Nun ist das Atelier der Galerie Addaya in Alaró voll mit bunten Plastik-Objekten, Geschirr, Spielsachen, Verpackungen. Geschickt hat es Ramis mit einem Versandunternehmen, denn sie hat einen Monat lang gebaut, gebastelt und geklebt für die Ausstellung, die am 12. Januar eröffnet wird. Es ist die erste Einzelausstellung der Künstlerin auf der Insel. Hier wurde sie geboren, hier wuchs sie auf, doch seit sie mit 18 Jahren nach Salamanca gezogen ist, um dort Kunst zu studieren, hat sie nie auf Mallorca gearbeitet oder ausgestellt. „Mallorca, das war für mich bis jetzt nur Familienbesuche und Ferien", sagt sie.

Galerist Tomeu Simonet hat das jetzt geändert. Mit Unterstützung des balearischen Kultur­instituts Illenc hat er Ramis zu einem Arbeitsaufenthalt eingeladen. Gefördert werden hiesige Künstler, die außerhalb der Inseln leben und arbeiten und in ihrer Heimat kaum bekannt sind. Laura Ramis ist Simonet dankbar für die Initiative. „Das hat vor ihm noch niemand getan, ich habe mich als Künstlerin hier immer sehr allein gefühlt."

Simonet hat Laura Ramis nicht aus Sentimentalität eingeladen. Er hat bemerkt, dass sie Talent und Willen hat und ihr Weg nach oben führt. Galerist Rafael Pérez Hernando hat sie von der Galeristin Adoro Calvo in Salamanca abgeworben. Die hatte Ramis' Arbeit bei der Abschlussausstellung ihres Jahrganges in der Kunstakademie entdeckt.

Ramis fiel mit einer Plastik­installation auf: Sie war die Einzige, die keine Kunst zum Aufhängen fertigte. „Das Studium in Salamanca war sehr akademisch", erzählt Ramis, „aus Wut und Rache wollte ich zeigen, dass Kunst heute nicht mehr mit dem Pinsel gemacht werden muss." Sie platzierte und beleuchtete Plastikteile auf dem Boden, gruppierte sie zu einer Miniaturstadt. „Kapytal" hieß das Objekt, das nur für die Dauer der Ausstellung ­existierte. Der Anfang war gemacht. „Es war riskant", erzählt sie, „aber die Reaktionen haben mir gezeigt, ich war auf dem richtigen Weg." Seitdem lässt die Künstlerin ihrer Plastikleidenschaft freien Lauf. Sie ordnet, sortiert und sammelt es gern, keine Frage.

Andere hätten sich vielleicht zu scheinbar sinnvolleren Betätigungen gezwungen. Doch Ramis steht zu sich. „Ich habe eine große Schwäche für Spielzeug", erzählt sie, „und da ich zur Generation Plastik gehöre, assoziiere ich mit dem Material meine Kindheitsjahre." Denen trauere sie nach, erzählt sie, und tatsächlich wirken ihre Werke wie die Spuren von selbstvergessenen Spielen. Großflächig legt und ordnet sie mal Muster aus runden Elementen zu einem psychedelischen Bodenrelief. Mal legt sie Mandalas aus Kleiderbügeln, Bechern, Deckeln, Schnorcheln und Dosen, oder sie gruppiert gleichfarbige Elemente, die sie neuerdings auch auf Abtropfgitter näht und an die Wand hängt. Zehn solcher monochromen Bilder ­werden bei Addaya zu sehen sein. Sie klimpern ein bisschen, wenn man sie hochhebt, und man bekommt Lust, die gelb- und orangefarbenen Deckelchen anzufassen. Doch da versteht Ramis keinen Spaß: „Ich mache Kunst, kein Spielzeug", sagt sie und schiebt die Deckel wieder so zusammen, dass sie alle in dieselbe Richtung zeigen.

Dazu wird Ramis eine rosafarbene Bodeninstallation ausstellen, die sie, zum Erstaunen der Besucherin, als „einmalig, besonders schwierig" beschreibt. Tatsächlich sieht die Künstlerin in den Deckeln, Püppchen, Schweinchen, Rasseln, Döschen und Fläschchen aus Plastik keine Wegwerfprodukte. Rosa sei extrem selten in der Welt der Verpackungen und Gebrauchsartikel, erklärt sie. „Wenn ich mehr gehabt hätte, wäre die Installation größer geworden", sagt sie, „das Material setzt mir immer wieder Grenzen."

Ihr gesamter Alltag ist mittlerweile von der Plastikkunst bestimmt. Schampoos und ähnliche Konsumprodukte für den Eigenbedarf kauft sie mittlerweile nur noch nach Farbe und Form der Verpackung, nicht nach dem Inhalt. Und ab und zu geht sie dann doch in einen Chinaladen, um „besondere" Plastikteile zu kaufen. Ein lila Hamsterrad zum Beispiel, eine türkisfarbene Wäschespinne oder eine Salatschüssel in einem dunklen Rotton.

Die hat sie mit vielen anderen Dingen zu einer bunten Säule aufgestapelt und an einer langen Stange zusammengeschraubt. Die Kon­struktion steht in der Ecke der Galerie. Sie wirkt anziehend und zugleich billig. Sie scheint uns zu fragen: „Was glotzt du so, noch nie buntes Plastik gesehen?" Laura Ramis provoziert und verwirrt die Betrachter. Sie verschiebt den Wert, den wir Alltagsgegenständen geben. Und sie verschiebt deren Bedeutung. Damit hinterfragt sie auch unsere Welt, unsere Gewohnheiten, uns selbst.

Laura Ramis, Vernissage 12. Januar, 20 Uhr. Galerie Addaya, C/. Alexan­dre Rosselló, 10, Alaró. Bis 31. März. www.addaya-art.com