Einsern und unbeweglich steht der Mann im Scheinwerferlicht eines Autos. Sein Schatten fällt auf ein riesiges Tuch, das hinter ihm aufgespannt ist. Fünf Minuten passiert nichts, außer, dass sich langsam dichter werdender Rauch unter dem Auto entwickelt und zu den Seiten hin entweicht.Erste Ausstellung dieser Art in Spanien

„El ser y el nada" (Das Sein und das Nichts), so der spanische Titel, des Künstlers Chang Chao-Tang, ist eines von zehn asiatischen Videokunstwerken der vergangenen zehn Jahre, die zurzeit im Casal Solleric in Palma gezeigt werden. Laut Susana Sanz, der Kuratorin, ist es die erste Ausstellung dieser Art in Spanien. Das Genre der Videokunst habe in den vergangenen zehn Jahren, im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs Chinas und Südkoreas, einen unheimlichen Aufschwung erlebt, schreibt die Kuratorin im Ausstellungstext.

Nun ist Videokunst von jeher kein Genre für die Massen. Gerade deshalb ist es spannend, sich eine gute Stunde auf die äußerst bequeme, schwarze Ledercouch zu setzen, die das Solleric dem geneigten Zuschauer zur Verfügung gestellt hat, und die Filme, die in Dauerschleife laufen, auf sich wirken lassen.Einsamkeit in der Fremde

„Message to the future" (Nachricht an die Zukunft) von Ma Haijiao etwa ist ein melancholisches, neunminütiges Stück über die Einsamkeit in der Fremde. Während die Kamera in wenigen Einstellungen schwarz-weiße Landschaftsaufnahmen zeigt, rezitiert eine männliche Stimme einen Brief an die in der Heimat gebliebene Mutter. Der Brief schildert den Wintereinbruch am neuen Wohnort, lange Spaziergänge, bei denen die anderen Menschen beobachtet werden, und die Verwunderung darüber, an einem Ort zu sein, an dem es saubere Luft gibt. Der Film ist eine Referenz auf Andrei Tarkowskis Film „Nostalgia" aus dem Jahr 1983.

Ästhetisch äußerst ansprechend, wenngleich in der Botschaft eher düster ist Ding Shiweis „Goodbye Utopia". Er zeigt neun verschiedene Welten, allesamt animiert und in Schwarz-Weiß gehalten, in denen kopflose Menschen Opfer der Manipulation und der Vereinheitlichung werden. Das siebeneinhalbminütige Video ist eine ansehnliche Mischung aus Surrealismus und knallharter politischer Subversion. „Goodbye Utopia" aus dem Jahr 2015 ist die bekannteste Arbeit des 1989 in China geborenen Künstlers.Donuts am Hals des Babys

Doch es gibt auch Videos mit eher narrativer Struktur. Hsu-Che-Yu erzählt in „No News from Home" (Keine Nachricht von zu Hause) eine ­Familiengeschichte aus der Perspektive der ersten ­Lebensmonate eines Babys. Man erfährt, dass der Junge einen Onkel im höheren Staatsdienst hat und einen Vater, der einst Gangster war. Jetzt würde er gerne Polizist werden, darf aber nicht, weil sein Rücken voller Tattoos ist. Die Familie ist offensichtlich sehr von der Meinung eines Wahrsagers abhängig. So werden dem Baby an einer Stelle mehrere Donuts als Halskette um den Hals gebunden.

Das Ganze wird von stilisierten, fast willkürlich abgefilmten, in Dauerschleife laufenden Bildern begleitet.

Bemerkenswert auf den Westen fixiert erscheint Ju Anqis 17-minütiges „Grandes palabras", bevor es den Bezug zu China herstellt. Neben Aufnahmen von Mao zeigt es verschiedene Bilder aus dem Jahr 1968, den Einmarsch der Russen in Prag und die Studentenprosteste in Paris. Aber auch Andy Warhol und die Beatles sind zu sehen. Unterbrochen werden die historischen Bilder von Landschaftsaufnahmen, die sich mit der Zeit als über­dimensionale ­Buchstaben ­entpuppen, welche in die ­chinesische Landschaft gemalt worden sind. Es sind Botschaften, die den Willen des Volkes zur Veränderung unterstreichen.

Eher experimentell hingegen ist Cheng Rans „Circadian Rhythm", wo sich der Künstler in eine unwirkliche Mooslandschaft begibt, in der die Lichtspiele im Vordergrund stehen. Als circadiane Rhythmik bezeichnet man den Schlaf-Wach-Rhythmus, unter anderem auch den von Pflanzen. Begleitet werden die malerischen Einstellungen von puliserenden Rhythmen und wabernden, puddingartigen Synthezizer-Klängen. Ran ist ein international angesehener New-Media-Künstler, dessen Arbeiten sowohl in Galerien und Museen als auch bei Filmfestivals laufen.

„Vídeo Àsia", so der unprätentiöse Titel der Ausstellung, ist ein spannender Einblick in die Videokunst eines wirtschaftlich dominierenden, aber in künstlerischer Hinsicht immer noch größtenteils unbekannten Kontinents.

Vídeo Àsia, Casal Solleric, bis 28.1.