Alles muss man selbst machen, sogar als inzwischen zumindest in Spanien bekannter Pianist. David Gómez (42) sitzt auf der Terrasse seines Elternhauses in Palmanyola und muss das Interview unterbrechen, weil eine Frau anruft, die gerne Karten für sein Konzert am Abend in Pollença kaufen würde. Sie ahnt nicht, dass sie den Künstler selbst an der Leitung hat. „Lohnt sich denn das Konzert?", möchte sie am Ende noch wissen. Gómez bewahrt Haltung und sagt: „Die Leute kommen gerne, und es ist oft ausverkauft." Er legt auf und lacht. „Was hätte ich denn sagen sollen?", fragt er eher rhetorisch den Reporter. Gómez ist bekannt für seine Reihe „1 Piano & 200 velas" (Ein Klavier und 200 Kerzen). Das nächste Konzert auf Mallorca findet am 1. August im Bahnhof von Bunyola statt.

Sie sind kein Freund von herkömmlichen Auftrittsorten?

Nein, das habe ich knapp 20 Jahre lang gemacht. Ich habe nach dem Konservatorium in allen möglichen großen Theatern und Konzertsäle gespielt, war unter anderem im Concertgebouw in Amsterdam oder in der Carnegie Hall in New York. Aber für mich ist das nichts anderes, als im Theater deines Heimatstädtchens zu spielen. Und das soll jetzt nicht arrogant klingen. Solche Orte lösen nichts aus beim Publikum.

Aber muss man deswegen gleich auf einen Friedhof oder einen Autoschrottplatz gehen?

Gerade in Bezug auf den Friedhof in Terrassa bei Barcelona haben mich viele gefragt, warum ich das mache. Aber es gibt augenscheinlich viele Leute, die ein Konzert auf dem Friedhof hören wollten. Jeder Platz war belegt. Und drum herum haben tausend weitere Seelen zugehört. Ich glaube nicht, dass ich die Toten gestört habe. Im Gegenteil: Ich versuche ja, etwas Schönes zu machen.

Und der Gruselfaktor mit den Kerzen?

Klar, Friedhöfe werden immer mit Geistern und irgendwelchen übernatürlichen Gegebenheiten in Verbindung gebracht. Aber ich finde, es gibt kaum einen Platz, der mehr Ruhe ausstrahlt als ein Friedhof.

Was steht in Ihrer Hitliste der ausgefallensten Konzertorte oben?

Ich glaube, dieser Auftritt steht mir noch bevor. Am 2. September spiele ich im Geisterdorf Belchite nahe Zaragoza. Das Dorf wurde im spanischen Bürgerkrieg weitgehend zerstört, die Bewohner bauten in der Nähe Belchite Nuevo auf. Doch die zerstörten Häuser stehen noch, und sogar die Ruine der Dorfkirche. Inmitten der Ruine bauen wir das Klavier und die 200 Kerzen auf, die Leute müssen mit Laternen zum Konzert kommen, es gibt keinerlei elektrisches Licht an diesem Ort.

Wie sind Sie eigentlich auf die Idee mit den 200 Kerzen gekommen?

Das kam während meiner Studienzeit in Holland. Dort haben viele Leute im Herbst und Winter daheim statt elektrischem Licht Kerzen angezündet. Das erschien mir schon immer viel stilvoller als die typisch spanische Neonbeleuchtung. Ich habe dann mal ein paar Kerzen an das Klavier gestellt, und so wurden es irgendwann 200. Ich könnte nie mit einem elektrischen Strahler am Klavier auftreten. Die Kerzen sind immer echt, außer es ist, wie zum Beispiel im Castell Bellver in Palma, verboten. Dann nehme ich LED-Lichter, die flackern.

Sie spielen recht simple Eigenkompositionen, die ausschließlich verträumt sind. Ist das nicht ein Stück weit Verrat am klassischen Konzertpianisten?

Ich sehe es andersherum. Es wäre Verrat an mir, wenn ich es anders machen würde. Ich spiele in erster Linie Musik, die mir gefällt und nicht, damit die Leute kommen. Aber ich freue mich natürlich, wenn sie mir zuhören. Dann ist es das Größte für mich zu sehen, wenn Menschen etwas berührt, das ich selbst geschrieben habe.

Sie haben da offensichtlich mit Ihrer Musik und den Kerzen eine Marktlücke aufgetan.

Man muss sich immer mal wieder neu erfinden. Mit den klassischen Pianisten von heute kann sich kein normaler Mensch messen. Das sind alles Wunderkinder. Und dann gibt es so viele Pianisten, die perfekt Mozart spielen, aber zu den Konzerten kommen 30 Leute. Das ist doch traurig.

Auf Ihrer Website kann man auch Merchandising-Artikel wie Tassen bestellen. Gibt es für Sie Grenzen, was die Kommerzialisierung angeht?

Ich würde zum Beispiel nicht eines meiner Lieder hergeben, um etwa einen House- oder Techno-Sound drüberzulegen und es dann in den Discos auf Ibiza zu spielen, nur des Geldes wegen.

Sie haben gerade Ihr zweites Album aufgenommen, das „Pianographie" heißt - eine Mischung aus Piano und Pornografie?

Na ja, statt Pornografie würde ich lieber Erotik sagen. Wenn ich am Klavier sitze, stelle ich mir vor, auf dem nackten Körper einer Frau zu spielen. Das Klavier an sich ist nicht mehr als ein Möbelstück für mich, das aber voller Zauber steckt, wenn man es mit den Fingern berührt.

Im neuen Album gibt es das Stück „Der Einwanderer" - ein politischer Titel.

Das habe ich komponiert als Anti-Donald-Trump-Song. Ich bin nicht sehr politisch, aber wenn mich etwas wirklich schmerzt, dann sind das rassistische Menschen. Das Problem ist, dass Rassisten nicht reisen und wenig lesen. Ich bin sicher, dass Donald Trump am Ende seiner Amtszeit, wenn er viel gereist sein wird, ein anderer Mensch sein wird. Er mag ein Schwachkopf sein, aber er hat doch auch ein Herz. Das hoffe ich zumindest.