Es ist ein Kind, das am Anfang dieser getanzten Inszenierung von Bizets „Carmen" im Mittelpunkt steht. Weiß gekleidet und mit einem Ball in der Hand, ist es der unschuldige Beobachter einer Geschichte um Liebe, Eifersucht und Gewalt. Die Inszenierung des nationalen Tanzensembles Compañia Nacional de Danza, die am Samstag (10.6., 20 Uhr) und Sonntag (19 Uhr) im Teatre Principal in Palma gezeigt wird, ist 2016 mit einem Benoit de la Danse ausgezeichnet worden, einem der wichtigsten internationalen Tanzpreise. Ersonnen hat sie ein Schwede, der Choreograf Johan Inger.

Wer das Kind ist, will Inger nicht näher definieren: „Es könnte Don José als Kind sein oder das ungeborene Kind von Carmen und José. Es könnte aber auch ein jeder von uns sein", heißt es im Pressetext. Das Stück basiert auf dem dritten Teil von Prosper Mérimées Romanvorlage aus dem Jahr 1845. Es erzählt vom Soldaten Don José, der sich in die gitana Carmen verliebt und für sie seine Frau verlässt. Doch Carmen verliebt sich in den Torero Escamillo. Aus Eifersucht tötet José daraufhin seine einstige Geliebte.

Reflektion der Nachrichtenlage

Ein bisschen sei er schon überrascht gewesen, dass er als Schwede für die Inszenierung des Stücks ausgewählt wurde, sagt Inger, der seit einigen Jahren in Sevilla lebt. „Was kann ich dem Stück Neues geben?"

Die Antwort fand sich in den Nachrichten. Inger konzentriert sich in seiner Inszenierung auf die Themen Gewalt und Machismus. „'Carmen' handelt von einem Mann, der nicht in der Lage ist, das Nein einer Frau zu akzeptieren. Das ist immer noch ein hochaktuelles Thema", so der Choreograf in einem Interview mit dem Fernsehsender „La 2". Deshalb habe er auch seine Inszenierung weniger an der Bizet-Oper, denn an der literarischen Vorlage von Mérimée ausgerichtet, verriet er in einem Interview mit „El País". Im Buch sei Don José nämlich der wahre Protagonist. „Mich interessiert mehr die persönliche Reise des Don José und weniger die Darstellung der Carmen als femme fatale." Seine Carmen ist übrigens dunkelblond und Isländerin. Sie heißt Emilía Gísladóttir.

Storytelling mit Kostümen

Das Bühnenbild belässt der Szenograf Curt Allen schlicht, die Inszenierung soll für sich selbst wirken, nicht durch überflüssige Assoziationen ruiniert werden. Stattdessen wird anhand der Kostüme, die der vergangene Woche verstorbene Designer David Delfín entworfen hat, mit Farben für die entsprechende Atmosphäre gesorgt. Während der erste Akt heller und farbenfroher ist, werden die Kostüme im zweiten Akt dunkler, Grau und Schwarz dominieren.

Die Musik basiert auf einer Adap­tion der Bizet-Oper von Rodion Shchedrin aus dem Jahr 1967. Da diese aber nur für eine 45-minütige Inszenierung reicht und Inger anderthalb Stunden füllen wollte, ergänzte der Katalane Marc Álvarez die Partitur. Es sei ihm nicht darum gegangen, Schedrins Werk zu vollenden, sagte der Komponist der Zeitung „ABC". „Stattdessen wollte ich diesen weniger sichtbaren Teil wiedergeben, der sich in den Köpfen der Protagonisten abspielt."

Carmen, Compañía Nacional de Danza und die Balearen-Sinfoniker, Teatre Principal, 10.6. (20 Uhr), 11.6. (19 Uhr), Karten: 20 bis

45 Euro unter teatreprincipal.koobin.com