Phil Cummins und Joanna Mlynarczyk sieht man ihren Beruf an. Die Veranstalter des dritten „Traditional Tattoo & World Culture Festival" sind schwer dekoriert: Gesicht, Schädel, Hals, Schultern, Arme sind von schwarzen, abstrakten Mustern bedeckt. Das irisch-polnische Paar lebt seit einigen Jahren in Santa Ponça und betreibt dort ein Tattoo-Studio, wenn es nicht gerade auf Reisen ist, um vergessene Formen und alte Meister in fernen Regionen kennenzulernen.

Einen Teil ihrer Bekanntschaften haben sie nun nach Mallorca eingeladen, wo sich vom 17. bis 23. Mai 175 Tätowierer aus 26 Ländern treffen. Die beiden vorherigen Ausgaben des Treffens fanden in der irischen Stadt Cork statt. Handgestochene, tribale Muster stehen im Mittelpunkt der Messe: In kleinen Zelten kann man sich die Muster verewigen lassen, von Menschen aus dem indischen Bundesstaat Nagaland, aus Papua-Neuguinea, Bali, Borneo, von den Futuna-Inseln im Südpazifik, aus Norwegen, der Türkei oder Mexiko. Viele Künstler haben ihr Dorf noch nie zuvor verlassen. In ihrer Heimat bewahren sie mit ihrer Nadel oft eine vom Aussterben bedrohte Kultur. Ihnen bezahlen Cummins und Mlynarczyk die Reise, „denn sie sind unsere VIPs. Viele werden aus religiösen oder ethnischen Gründen verfolgt". Die philippinische Kalinga-Technik zum Beispiel beherrscht nur noch eine 102 Jahre alte Frau, die auf Drängen internationaler Tätowierer nun ihre Tochter und Enkelin unterrichtet.

Die restlichen Künstler bezahlen die Mallorca-Reise selbst, denn für sie ist es ein Arbeitsaufenthalt. Viele kommen mit einem Terminkalender, wie Iris Bley aus dem bayerischen Erding oder Brent McCown aus dem österreichischen Villach. Sie sind es gewohnt zu reisen, denn an ihren Standorten ist die Gruppe potenzieller Kunden überschaubar. Viele haben aus dem Reisen ihren Lebensstil gemacht, wie der Deutsche Lard Yao Peter, der mit einem Rohr tätowiert. Er hat seine Technik in den 1990-Jahren in einem thailändischen Gefängnis gelernt und reiste danach jahrelang als Tätowierer herum.

Bis zu 10.000 Besucher sollen zum „Traditional Tattoo & World Culture Festival" kommen. 8.000 Quadratmeter hat die Gemeinde Calvià zur Verfügung gestellt. Finanzielle Unterstützung leistet ­außerdem die ATB, die Balearische Agentur für Tourismus, denn sie freut sich über die Belebung der Nebensaison. Nati Francés, Stadträtin von Calvià, hofft, nun jedes Jahr die Tattoo-Szene auf dem Festgelände El Molino in Santa Ponça zu begrüßen. „Das ist etwas völlig Neues", sagt sie, „­anzestrale Traditionen, alternative Lebensformen, Weltkultur ansprechend präsentiert." Zwischen den Tätowier-Zelten werden Musikbühnen, Foodtrucks und Buden stehen.

Fast zwei Jahre haben Phil Cummins und Joanna Mlynarczyk an der Vorbereitung gearbeitet. Ihnen geht es nicht nur ums Dekorieren von Haut, sie wollen die kulturelle Vielfalt der Erde bewahren helfen. Kolonialismus, Religion, Verwestlichung der Gewohnheiten und Zerstörung von Lebensraum sind die größten Feinde traditioneller Tätowierkunst. Sie ist nicht materielles Kulturerbe, das kaum fixiert ist. „Tattoos findet man nicht in Geschichtsbüchern", sagt Cummins, „sie werden von den Menschen untereinander weitergegeben." Ein Status als Unesco-Welterbe brächte aber nichts, glaubt Cummins. „Wir sollten die Völker einfach in Ruhe lassen."

Die westliche Mode der tribalen, abstrakten Tattoos, die nur mit schwarzer Tinte und am besten mit Hand „gepeikert" werden, findet Cummins natürlich gut, „solange die Träger wissen, was sie da auf der Haut haben". Er betont, dass es beim Tätowieren nicht nur um die Ästhetik gehe. Gute Studios erklären ihren Kunden die Bedeutung der Muster, ihre Mythologie und was sie symbolisieren.

Auch Europa hat eine Tattoo-Tradi­tion: Skandinavische Tätowierer bringen trendige Wikinger-Muster nach Mallorca. Und die Kreuzritter pigmentierten ihre Haut mit christlichen Symbolen. Auch Ötzi, der vor rund 5.000 Jahren gelebt hat, war tätowiert. Seine Zeichen dienten entweder der Akupunktur oder sie legten die Stammeszugehörigkeit fest.

Joanna Mlynarczyk, die seit fast 20 Jahren tätowiert, rät interessierten Besuchern, sich genau zu überlegen, welches Motiv sie wollen. „Jugendliche schicken wir meistens weg", sagt Joanna, „solange man keine gefestigte Persönlichkeit hat, sollte man kein Tattoo haben." Festgelände El Molino in Santa Ponça Ctra. Santa Ponça-Calvià, Abfahrt 17 von der Ma-1, am Kreisel mit der Mühle. Täglich 12 bis 24 Uhr, Tagespass 10 Euro. www.traditionaltattoofestival.com