Nathalie Kollo wusste schon als Kind, dass sie auf die Bühne musste. Und wenn man sie heute so trifft, während sie genüsslich einen Gin Tonic in der Novembersonne trinkt und ihr Gegenüber völlig unverkrampft anstrahlt, kann man sich das einstige Mädchen, das mit vier Jahren auf den Tisch kletterte und Geschichten erzählte, bildhaft vorstellen.

Ein Leben auf der Bühne liegt nahe bei dieser Familie. Ihr Urgroßvater war der Komponist Walter Kollo, ihr Großvater der Komponist und Autor Willi Kollo, ihr Vater der Heldentenor René Kollo und ihre Mutter die dänische Schlagersängerin Dorthe Kollo. Doch gerade deshalb wollte Nathalie Kollo zunächst nicht singen. „Ich dachte, ich bin doch nicht verrückt und fange auch noch damit an. Jeder sprach mich darauf an, in die Fußstapfen meiner Eltern treten zu müssen, aber mir war das damals nicht wichtig", erinnert sie sich. Stattdessen beschloss sie, dramatische Schauspielerin zu werden.

So ganz entkam Kollo ihrer Familientradition dann aber doch nicht. Im Laufe der Schauspielausbildung legten ihr mehrere Lehrer nahe, mit dieser gewaltigen Stimme singen zu müssen. Irgendwann hörte sie auf, sich dagegen zu wehren. Sie nahm Gesangsunterricht und gründete 1989 ihre erste Band, eine Blues-Rock-Band.

Die Klassik hat die 49-Jährige hingegen früher wenig interessiert. „Als Kind habe ich manchmal meinen Vater zu Auftritten begleitet, aber ich wusste nie, worum es ging. Ich bin auch immer eingeschlafen. Das hält mir mein Vater heute noch vor", lacht Kollo. „Klassische Musik muss man wollen und lieben. Sonst hat man da nichts zu suchen. Jazz, Blues, Soul, Swing und Gospel haben für mich hingegen einen ganz anderen emotionalen Wert und eine stärkere Nachhaltigkeit."

Aus dem ersten Versuch wurde eine Karriere. Mit der Band spielte sie auf dänischen Festivals und Vorprogrammen, schon bald kamen Soloauftritte hinzu. In den darauffolgenden Jahren gab sie Big-Band-Konzerte und tourte mit Gospeln, erhielt mehrere Musikpreise und eine Live-Show im dänischen Fernsehen. Doch der Soul war noch nicht ganz in Europa angekommen. Sie lehnte viele Angebote aus Dänemark und Deutschland ab und ging 1996 schließlich ganz alleine nach Los Angeles, um Gospel zu singen. Drei Jahre schlug sie sich durch die Stadt der Musik- und Hollywoodstars, bis sie begriff, dass sie als weiße Frau im Gospel keinen Fuß fassen kann.

Andere wären enttäuscht vom eigenen Scheitern. Nicht Nathalie Kollo. Sie geht mit dem Flow. Das sagt sie immer wieder. Dinge, die sie straucheln lassen, wandle sie in Stärke um. „Es gibt ganz wenig, worüber ich weine oder verzweifle oder das mich sogar bricht. Ob man geschubst wird und hinfällt oder von alleine hinfällt - es entwickelt sich immer etwas Neues aus den Erfahrungen, die man macht", sagt sie. Also kehrte sie 1998 nach Berlin zurück und gebar im Jahr darauf ihren Sohn. Nach einer zweijährigen Babypause stand sie wieder auf der Bühne, trat mit internationalen Künstlern auf, manchmal mit ihrem Vater, am allerliebsten jedoch alleine mit Big Band. Auf großen und kleinen Bühnen, im Fernsehen. Nathalie Kollo macht das, was sie am liebsten tut.

2015 musste sie eine Pause einlegen. Nach einem verpfuschten Routineeingriff beim Arzt und anschließender Notoperation war sie gesundheitlich lange angeschlagen. Darüber hinaus brach sie mit einem Freund, der sich mit Lügen ihr Vertrauen erschlichen hatte und sie finanziell betrog. Auch daraus schöpfte sie etwas Positives. Eigentlich wollte sie aus der Geschichte mit der manipulierten Freundschaft einen Krimi machen. Das Buch liegt zwar erst einmal in der Schublade, aber das Schreiben hat geholfen, Dinge zu sortieren und zu verarbeiten.

„Früher habe ich viele Gedichte geschrieben, während meiner Schwangerschaft ein Kinderbuch", erzählt Kollo. „Ich habe immer mein kleines Buch und einen Kugelschreiber dabei. Oder mein Aufnahmegerät, auf das ich drauf spreche. Manchmal wird ein Text draus, manchmal rede ich auch einfach nur mit mir selbst." Und da ist wieder dieses kehlige Lachen. Ein Lachen, das klingt, als würde ihr das Leben nichts anhaben können. Weil´s eben so ist, wie´s ist.

Diese Energie zieht sie auch aus Mallorca. Kollo lebt seit vier Jahren in Port d´Andratx und genießt es: „Ich bin stolze Berlinerin. Meine Familie kommt von dort und hat über vier Generationen musikalische Erfolge gefeiert. Aber

Mallorca ist mein Zuhause geworden. Wenn ich im Landeanflug bin und von oben auf die Insel blicke, fällt alles von mir ab." Allerdings sei es schwierig, als Musikerin hier Fuß zu fassen, weil die Gagen deutlich niedriger seien als an anderen Orten. Sie selbst bezeichnet sich als faulen Workaholic. „Ich bin extrem", sagt sie. „Wenn ich arbeite, dann lange und zu hundert Prozent. Wie eine Maschine. Aber wenn ich eine Auftrittsphase überstanden habe, mache ich einen Wein auf und lege die Füße hoch."

Aktuell ist sie wieder Maschine. Nächste Woche steht am 10. Dezember (20 Uhr) ein großer Auftritt mit dem spanischen Tenor Pedro Granados im Teatre Artà an. Sie stehen zum ersten Mal gemeinsam auf der Bühne. Es wird ein Abend mit einer Mischung aus Jazz und Klassik, aus Duetten und einem Zwölf-Mann-Orchester. Mehr gehe zu Weihnachten nicht, freut sich Kollo. Eine Woche zuvor laden die beiden am 3. Dezember (20 Uhr) zu einem intimeren „Unplugged"-Abend ins Hotel Sant Salvador in Artà ein.

Auf 2017 freut sie sich schon jetzt. Die 17 sei ihre Zahl, deshalb könne es nur ein gutes Jahr werden. Man glaubt es ihr sofort. Auf die Frage, wie sie klingen würde, wenn sie ein Lied wäre, überlegt sie kaum: „Ich wäre eine Ballade, die ganz im Tiefen, im robusten Inneren beginnt und sich dann mit viel Kraft und Liebe in das Höchste der Gefühle steigert. In diesem Lied ist Kraft, Zerbrechlichkeit und Liebe drin. Ein Lied wie ein Vulkan."

Konzerte mit Pedro Granados, 3.12., 20 Uhr, Hotel Sant Salvador, Artà, 12 Euro, 10.12., 20 Uhr im Teatre Artá, 28 Euro.