Leopold Hager ist ein echter Ehrenmann. Der 81-jährige Dirigent und Musiker aus Salzburg, der eher wie 61 wirkt, wurde kurz vor dem Ende seiner 15-jährigen Regentschaft als Chefdirigent des Philharmonischen Orchesters in Luxemburg, dem RTL-Hausorchester, zum Ritter geschlagen. Der Österreicher hatte das Ensemble wie kaum ein zweiter geformt, als er sich 1996 aus dem kleinen Land verabschiedete, um sich verstärkt auf seine Aufgabe als Professor für Orchesterleitung an der Musikuniversität Wien zu konzentrieren. Am Donnerstag (17.11.) steht Hager gemeinsam mit den Balearen-Sinfonikern auf der Bühne, um das dritte Abonnementkonzert zu gestalten. Mit der MZ hat sich der vor allem aufgrund seiner Interpretationen der Wiener Klassik weltweit anerkannte Dirigent vorab am Auditorium unterhalten.

Ihr Engagement auf Mallorca könnte man mit „was lange währt, wird endlich gut“ zusammen­fassen.

Ich hatte tatsächlich schon lange vor, mal ein Konzert auf Mallorca zu dirigieren. Mit der Idee an sich gehe ich seit Jahrzehnten schwanger, spätestens seit ich mir mit meiner Frau im Jahr 2000 in Camp de Mar eine Wohnung am Meer gekauft habe. Wir besuchten oft die Konzerte der Sinfoniker. Es wurde zwar über ein Engagement meinerseits gesprochen, aber irgendwie ist nie etwas draus geworden. Dann habe ich vergangenes Jahr gehört, dass die Sinfoniker mit Pablo Mielgo einen ­neuen künstlerischen Leiter haben, und ich habe mir ein Konzert von ihm angesehen, bei dem das Ensemble Rachmaninov gespielt hat - ein sehr anspruchsvolles Werk. Das hat mich beeindruckt, und ich habe noch einmal angefragt, ob Interesse bestünde, dass ich ein Konzert übernehme. Innerhalb von ein paar Tagen hatte ich die Einladung.

Sie haben eine hohe Meinung von Pablo Mielgo.

Sowohl von ihm als auch vom Orchester an sich. Das Ensemble schien mir früher ziemlich auf große Romantik und frühe Moderne ausgerichtet zu sein. Als Mielgo vergangene Saison anfing, legte er ein sehr ausgewogenes, vielfältiges und gut durchdachtes Programm vor. Ich dachte mir: Da ist ein Orchester-Erzieher am Werk, mit klaren Ideen.

Das Orchester ist sehr international besetzt, ein Vor- oder Nachteil beim Arbeiten?

In Luxemburg hatte ich auch Musiker aus 14 verschiedenen Nationen. Es kommt dabei sehr auf den Dirigenten an, ob er es versteht, die unterschiedlichen Strömungen zu bündeln, um sie als Vorteil für das gesamte Orchester zu nutzen.

Sie haben schon öfter mit spanischen Musikern zusammengearbeitet. Gibt es da Unterschiede zu den Kollegen in Mitteleuropa?

Bei den Musikern selbst nicht unbedingt. Hier in Spanien oder auch in Italien kann es aber sein, dass die Orchestermitglieder mit einzelnen Komponisten weniger anfangen können. Bruckner wäre so ein Fall, zu ihm hat man im Süden Europas einfach keine große Beziehung.

Sie stehen seit 50 Jahren auf der Bühne. Wie haben sich in dieser Zeit die Musiker verändert?

Es gab einen deutlichen Generations­wechsel. Die jungen Leute sind technisch alle hervorragend ausgebildet, besitzen aber zumeist musikalisch nicht mehr das gleiche Wissen wie die älteren Musiker. Da ist doch einiges verloren gegangen.

Woran liegt das?

Ich glaube, das kommt von der Vertechnisierung unserer Zeit. Es ist sehr wichtig geworden, etwas technisch einwandfrei zu spielen. Außerdem wird heute alles schneller gespielt als früher, vieles zu schnell. Heute geht mir zum Beispiel die Betonung des Einserrhythmus zu weit. Ich suche eher Wärme und Volumen im Klang.

Eigentlich erstaunlich, denn gleichzeitig hat man das Gefühl, das Publikum versteht heute teilweise nicht mehr, brillante von mittelmäßigen Vorführungen zu unterscheiden.

Das Publikum war eben früher auch bewanderter in der klassischen Musik. Das führt dazu, dass es heute für ein durchschnittliches Konzert auch mal wahre Jubelorgien gibt. Ich merke außerdem, dass die Leute keine Ruhe mehr haben. Mehr als eine gute Stunde kann sich niemand mehr auf die Musik konzentrieren. Das Opernpublikum nehme ich da mal aus, das ist eine andere Klientel.

Sie sind jetzt 81. Warum turnen Sie immer noch auf der Bühne herum, anstatt sich in Camp de Mar in die Sonne zu legen?

Ich habe das Glück, dass der Körper funktioniert und dass ich mir meine Energie erhalten konnte. Aber ich mache nicht mehr alles. Opernproduktionen zum Beispiel lasse ich sein. Ich habe keine Lust mehr auf die ewigen Streitereien mit den Regisseuren, die aus den Opern heutzutage ein großes Schauspiel machen, das dann nicht mehr mit der Musik zusammenpasst. Außerdem ist das für mich Sport, wenn ich auf der Bühne stehe. Das hält mich fit.