Das Restaurant im Ikea an Palmas Ringautobahn ist - zumindest darf man davon ausgehen - kein Ort, an dem häufig Interviews geführt werden. Aber Steven Appleby ist gerade gelandet, hatte Hunger, und außerdem mussten noch ein paar Bilderrahmen für die Ausstellung gekauft werden. Doch vielleicht ist Ikea auch genau richtig für ein Gespräch mit einem Zeichner, der einen Sinn für das Absurde hat und der gerne alltäglichen Situationen einen fantasievollen Twist gibt. Neben britischen Medien wie dem „New Musical Express" oder „The Guardian" sind seine Comicstrips auch in Deutschland in der „Zeit" („Captain Star") und der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" („Normales Leben") erschienen.

In der Galerie ArteArtesania in Sóller zeigt Applebyzurzeit seine Ausstellung „Real/Unreal". Es ist bereits das dritte Mal, dass er seine Arbeiten - Bilder, Cartoons, ein Video - hier zeigt, zuletzt vor vier Jahren. Die Idee für die Ausstellung stammt aus einem anderen Projekt. Vor zwei Jahren illustrierte Appleby das Buch „The Good Inn" von Black Francis, dem Sänger der legendären Indierockband Pixies. Dabei entstand eine Zeichnung mit dem Titel der Schau. „Ich habe Black Francis um seine Erlaubnis gebeten, den Gedanken weiterspinnen zu können." Das Spiel zwischen realer und irrealer Welt sei ein allgegenwärtiges Motiv in seiner Arbeit, aber auch in seinem Leben, sagt der Transgender-Künstler. „Es spiegelt wider, wie ich die Welt betrachte. Aber es ist sicherlich auch ein Ausdruck dafür, dass ich als Mann aufgewachsen bin und es seit Jahren nicht mehr bin."

Früher, erzählt er, habe er seinen Söhnen 20 Pfund bezahlt, wenn sie ihm eine Idee geliefert hätten, die er für seine Comics verwenden konnte. „Mein älterer Sohn etwa hat einmal erzählt, er wolle nach seinem Tod ´superkremiert´ werden - also nicht zu Staub, sondern zu Gas werden,

sodass er um die Welt fliegen könnte." Schon hatte Appleby eine Idee für seinen Comic. „Jetzt muss ich aufpassen. Mein Sohn fängt an, Kunst zu studieren. Ich kann ihm nicht mehr einfach so seine Ideen klauen", sagt der 60-Jährige lachend.

Ohnehin hat er seit Mai erst mal eine Pause eingelegt mit den Arbeiten für Zeitungen - nach 25 Jahren. Im Moment arbeitet er an seiner ersten Graphic Novel „Dragman", einer Idee, die er seit Jahren mit sich herumträgt. Darin geht es um einen normalen Typen, der sich als Frau verkleidet und so zum Superhelden wird. Den Minimalismus, den Applebys Arbeiten auszeichnet, wird er dabei ein bisschen auflockern - ein kleines Zugeständnis an die Ästhetik der Graphic Novel. „Aber auch nicht viel. Man erkennt schon, dass es von mir ist."

Als er Anfang der 80er-Jahre anfing, für den „New Musical Express" den putzbesessenen Raumschiffskapitän „Captain Star" zu zeichnen, habe er keine Ahnung gehabt, was er da eigentlich mache. „Es waren häufig vier Kästen, die unabhängig voneinander entstanden sind. Erst später habe ich gelernt, wie man so einem Comic Strip eine Pointe gibt oder zumindest einen Abschluss." Er macht eine kurze Pause. „Leider."

Sich nicht so an die Regeln zu halten, das ist für Appleby wichtig, genauso wie geistig offen zu bleiben. Er wuchs auf einem alten Hof in England auf, in einem der Ställe hatten die Eltern ein Bühnenbild aufgebaut. Der junge Steven spielte häufig in dieser Theaterwelt. „Als ich klein war, war die Welt voller Wunder. Mit der Zeit ist sie so normal geworden. Ich wollte mir dieses Fantasievolle aus meiner Kindheit erhalten, es wiederbekommen."

Es gibt ein Youtube-Video, in dem Appleby erzählt, es gebe drei verschiedene Herangehensweisen für seine Comics: das Nachdenken, die Inspiration und die Eingebung. Häufig seien es aber Gespräche mit Menschen, etwa einem befreundeten Priester und die Lektüre. „Ich lese unheimlich gerne Wissenschaftsartikel. Nicht, dass ich alles verstehen würde. Aber manchmal erfährt man dort Sachen, die genauso faszinierend sind wie die Fantasiewelt eines Kindes."

Die Zeitungen hätten ihm meist freie Hand gelassen, seine Gedanken umzusetzen. „Nur bei der FAZ stand ich vor einer schwierigen Herausforderung: Ich habe sieben Monate lang fünf bis sechs Tage die Woche gezeichnet. Und sie wollten jeden Tag einen neuen tiefgründigen philosophischen Gedanken, der unabhängig von den bereits erschienenen Comics funktioniert." Das sei dann doch etwas schwierig, sagt er lachend.

Ob er noch mal für eine Zeitung zeichnen wird? „Ich sage nicht Nein, aber mich muss das Projekt begeistern." Gerade sei er mit anderen Dingen beschäftigt, unter anderem mit einer Fernsehserie für Kinder. Und zudem müsse er sich überlegen, ob er nach dem Brexit noch in London bleiben könne. „Die Söhne sind langsam erwachsen, vielleicht wäre es ein guter Zeitpunkt, um etwas Neues auszuprobieren." Normale Fragen, die man sich so stellt.

Steven Appleby, Real/Unreal, Galerie ArteArtesania, C/. de sa Lluna, 43, Sóller