Als Catalina Font Nadal am 23. Juli erfuhr, dass sie dieses Jahr bei der großen Prozession in ihrem Heimatort Santa Margalida die heilige Catalina Tomàs geben darf, ging für sie ein Kindheitstraum in Erfüllung. „Ich war hin und weg, fast alle Mädchen im Dorf träumen ihr ganzen Leben davon", sagt die 24-Jährige auf der rechteckigen Plaça de la Vila in Santa Margalida dem MZ-Reporter und nippt an ihrem Tonic-Wasser. Die Supermarkt-Mitarbeiterin, die sich auch zur Labor-Technikerin ausbilden lässt, wurde im ehemaligen Augustinerinnenkloster des Ortes unter diesmal 38 Bewerberinnen ausgelost. „Manch eine schafft es nie, die beata zu sein."

Tatsächlich ist das Auswahlverfahren für die Darstellerin der Heiligen bei der Prozession, die am Sonntag (4.9.) um 21 Uhr beginnt und zu den größten und schönsten der Insel zählt, streng geregelt. „Um sich zu bewerben, muss man zunächst schon mal als Kind mehrfach bei der Prozession mitgegangen sein", sagt Catalina Font, die von allen hier nur Cati genannt wird. Mit anderen Worten: wiederholt als Bauernmädchen oder Engel die Tugend verkörpert haben.

Cati bringt es auf sechs Teilnahmen. Außerdem muss man von klein auf in Santa Margalida gelebt haben, mindestens 18 Jahre jung, unverheiratet und kinderlos sein. „Ab dem nächsten Jahr sind die Auflagen sogar noch strenger", sagt Cati. „Wer über 30 ist, darf sich dann nicht mehr bewerben."

Wer es nun geschafft hat und die Ordensschwester und Mystikerin Catalina geben darf, ist wer in dem verschlafenen Dorf im Nordosten der Insel. Die diesjährige beata wird denn auch während des Gesprächs in einer Bar von den Einwohnern man möchte fast sagen ergeben begrüßt. „Es stimmt, ich werde von einigen inzwischen etwas anders behandelt", sagt die junge Frau.

Was nachvollziehbar ist, denn Hunderte Augenpaare werden auf ihr ruhen, wenn sie am Sonntag als Nonne verkleidet und begleitet von zwei Adjutantinnen durch den Ort schreitet. Vor und hinter ihr werden Hunderte weiterer Darsteller zugange sein, die mit zwölf Wagen ebenso viele Szenen aus dem Leben der Heiligen nachstellen. Dazwischen: Musikkapellen, Dorfhonoratioren, als Bäuerinnen und Bauern verkleidete junge Menschen - und auch eine Hundertschaft dimonis, Teufelsdarsteller. Die ist damit beschäftigt, durch die Prozession zu wieseln und zu tänzeln und dabei den Bauern die von ihnen mitgeführten Tonkrüge zu entwenden.

Im Mittelpunkt aber wird sie stehen, die beata, und alle Zuschauer werden dabei darauf achten, wie Cati darauf reagiert, wenn immer wieder vor ihr ein Oberteufel erscheint, sie umkreist und in die Luft springt, sobald sie das Kreuz erhebt - um dann mit aller Kraft vor der Heiligen einen Tonkrug zu zerschmettern. Cati darf dann mit keiner Wimper zucken, muss ihr Holzkreuz heben und unbeeindruckt weiterziehen. „Ich stelle mir das großartig vor", sagt Cati. „Das Gute besiegt das Böse."

Das Spektakel geht darauf zurück, dass die 1531 in Valldemossa geborene und 1574 in Palma ­verstorbene Catalina Tomàs in ihrem frommen Leben dem Leibhaftigen mehrfach erfolgreich widerstanden haben soll. Konkret wird ein Zwischenfall nachgespielt, in welchem Tonkrüge eine Hauptrolle spielten. Catalina brachte in jungen Jahren armen Bauern der Überlieferung nach nahe Valldemossa immer mal wieder Wasser und Essen. Eines Tages soll ihr der Teufel die Krüge und die Speisen entrissen und wutentbrannt auf die Erde geschleudert haben. Catalina las alles wieder in aller Ruhe auf, und die göttliche Vorsehung wollte es wohl, dass die Speisen viel besser als vorher schmeckten.

In den Himmel hinauf fuhr die asketische Augustinerin Catalina Tomàs mutmaßlich nach ihrem Tod im Kloster Santa María Magdalena in Palma. Die Mystikerin wurde 1792 selig und 1930 heilig gesprochen. Catalina entsagte den Verlockungen der Macht und wollte nicht Äbtissin werden. Dafür schrieb sie auf Mallorquinisch ihr Glaubensbekenntnis, die „Cartes espirituales". Der in Rom aktive, in Palma geborene Kardinal Antoni Despuig i Dameto (1745-1813) sprach von „himmlischer Weisheit". Dass dessen Familie Ländereien bei Santa Margalida gehörten, erklärt laut dem Historiker Gaspar Valero, dass man Catalina hier fast noch inbrünstiger als in Valldemossa huldigt.

Das Religiös-Hingebungsvolle ist der diesjährigen beata eher einerlei. Cati geht nicht jeden Sonntag in die Kirche und hat auch einen Freund. Beata ist man hier nicht, weil man Nonne werden will oder allzu fromm ist, sondern weil das seit Ende des 18. Jahrhunderts Tradition ist. Weil die Eltern und Großeltern fast aller Mädchen hier immer von der großen Ehre gesprochen haben, Catalina sein zu dürfen. Und „weil es schon angenehm ist, wenn einen alle ein wenig neidisch angucken", wie Cati sagt.

Aufgeregt, wie sie ist, sucht sie dieser Tage oft das Klostergebäude auf, weil einige Frauen des Dorfes dort - Nonnen gibt´s in Santa Margalida seit 2015 nicht mehr - die Kleider für die meisten Teilnehmer nähen. „Mein Kostüm muss ja wie angegossen sitzen", sagt sie und nippt wieder an ihrem Tonic-Wasser. Zwei jüngere Mädchen begrüßen sie scheu und kichernd. „Auch die wollen bestimmt irgendwann die beata sein", sagt Cati dann halblaut. „Neun von zehn jungen Frauen hier im Dorf wollen das."