Vom Madrider Altstadtviertel La Latina in die Welt: Der 47-jährige Flamenco-Sänger Ramón Jiménez Salazar, alias Diego el Cigala, vertritt wie kein Zweiter Spaniens ureigene Gesangskunst im Ausland. Dabei sucht er auch immer wieder die Nähe zu anderen Genres. So bewies er vor 13 Jahren, dass eine raue Flamenco-Stimme auch für kubanischen Son taugt: Das Album „Lágrimas negras", eingespielt mit dem mittlerweile verstorbenen kubanischen Pianisten Bebo Valdés, wurde ein internationaler Erfolg. Seitdem wird der „cantaor" nur noch herumgereicht. Egal, was er macht, puren Flamenco, Tango-, Son-Fusionen, seine Konzerte sind ausverkauft. Am 31. Juli tritt er mit der legendären kubanischen Sängerin Omara Portuondo im Port Adriano in Calvià auf. Es ist der vorletzte Auftritt einer Europa-Tournee, die die beiden anlässlich des 85. Geburtstags der Diva - unter anderem bekannt vom „Buena Vista Social Club" - gestartet haben. Das Interview führten wir am Telefon.

Sie haben in diesem Monat zehn Konzerte in neun Ländern gegeben. Wie hat sich Omara gehalten?

Perfekt, wie eine Zwanzigjährige.

Warum hat Omara Portuondo Sie auf Tournee mitgenommen?

Sie hat nicht mich ausgewählt, ich habe sie ausgesucht.

Warum?

Weil Omara eine der letzten großen Stimmen ist, solche Stimmen gibt es heute nicht mehr. Sie hat die Stimme, die mich interessiert. Sie singt wunderbar.

Was vereint Sie als Musiker?

Wir haben dasselbe Feeling, haben beide dunklen Teint und Rhythmus im Blut.

Worin unterscheiden Sie sich, abgesehen von der 38 Jahren Altersunterschied?

Wir unterscheiden uns eigentlich gar nicht. Wir harmonieren wunderbar.

Mit welchem Gefühl haben Sie in den vergangenen Wochen die Bühne verlassen?

Unsere Musik trifft die Seele der Menschen, egal in welchem Land wir auftreten. Das Gefühl ist vor allem Freude, wir sind dankbar und freuen uns darüber.

Sie haben in Ungarn, Polen oder Belgien gesungen. Ist Ihnen etwas Besonderes beim Publikum aufgefallen?

Wir bringen Lebensfreude. Das Publikum kennt uns mittlerweile schon, es ist heute viel einfacher, mit ihm in Kontakt zu treten. Wenn wir auf Mallorca sind, werde ich übrigens als Erstes ein Sobrassada-Brot essen, das ist gut für die Kehle (lacht). Sie können es schon mal streichen, bitte (lacht).

Wie haben Sie das Repertoire zusammengestellt?

Viele kubanische Klassiker, etwas aus dem Album mit Bebo, sentimentale Boleros, Romantisches ? Ich habe die schönsten Stücke für Omara ausgesucht.

Was haben Sie von Omara gelernt?

Man lernt eine Menge von ihr, vor allem musikalisch. Sie lebt für die Musik.

Was haben Sie von Bebo Valdés gelernt? Auch er war 85, als Sie das Erfolgsalbum „Lágrimasnegras" eingespielt haben.

Solche Künstler gibt es heute nicht mehr. Bebo und Omara sind Genies. Ihre Musik bewegt Berge, mindestens so wie der Glaube.

Was bedeutete die Zusammen­arbeit mit Bebo Valdés für Sie?

Das war sehr wichtig in meiner Karriere. Als ich Bebo kennenlernte, traf ich meinen Superhelden. Sein Piano hat mich verändert. Ich war nicht mehr länger der typische Flamenco-Sänger mit Gitarre. Ich bemerkte plötzlich, wie viel in mir steckte.

Sie leben seit vier Jahren in der Dominikanischen Republik. Warum?

Das hatte vor allem praktische Gründe. Ich habe früher genauso viel gearbeitet wie jetzt, aber ich muss nicht mehr so weit fliegen. Ich trete sehr viel in Lateinamerika auf, in Kolumbien, in der Dominikanischen Republik, in der Karibik. Das ist jetzt alles nur noch ein Katzensprung.

Wie sehen Sie das Kulturleben Spaniens?

Das stagniert meiner Ansicht nach. Es gab wirtschaftliche Probleme, und das Erste, was sie gestrichen haben, war die Musik. Das ist genau das Falsche. Menschen, die Probleme haben, brauchen Musik. Damit vertreibt man jede Depression.

Der Flamenco ist seit 2010 Unesco-Weltkulturerbe. Hat das irgendwelche Auswirkungen auf die Flamenco-Szene?

Nein. Wir tragen einfach das weiter, was uns die Großen hinterlassen haben. Sie haben den Flamenco schon vor langer Zeit zum Welterbe gemacht. Dank ihnen ist heute der Flamenco kein Hinterzimmer-Genre mehr, sondern eine universelle Kunst.

Sie singen in Guatemala und Neuseeland. Wie berührt man dort das Publikum?

Es überall dieselbe Vibration. Die stellt der Künstler her, das hängt vom Künstler ab.

Fühlen Sie sich manchmal ausgelaugt?

Neuseeland, 24 Stunden Flug. Das erschöpft, klar. Aber die Belohnung ist, wenn man auf die Bühne tritt und sofort mit dem Publikum kommuniziert.

Sie wollen demnächst einen Tribut an die Salsa-Musik präsentieren, mit Musikern des legendären Fania-Labels. Wie kommt´s?

Ich liebe Salsa-Musik. Wir haben das Album in Kolumbien aufgenommen, mit Musikern, die damals in den 70er- und 80er-Jahren die Salsa berühmt gemacht haben. Alles echte Originale, plus eine Flamenco-Stimme, klar. Am 30. September ist das Album auf dem Markt. In Spanien werden wir dann im Oktober auftreten, in Barcelona und Madrid.

Sie machen also keine Pause?

Nein, ich mache immer weiter, Gott sei Dank habe ich genügend Arbeit.

Omara Portuondo & Diego el Cigala, Konzert der Europa-Tournee „85 Tour". 31. Juli, 22 Uhr, Port Adriano (El Toro, Calvià). Eintrittskarten zwischen 35 und 120 Euro. Vorverkauf: portadriano.koobin.com