Noch bevor man durch den riesigen grauen Vorhang in den Ausstellungssaal im Untergeschoss des Es Baluard tritt, wird man von Adrian Villar Rojas beeindruckendem Gemälde „Mi abuelo Daniel" (Mein Großvater Daniel) begrüßt. Es zeigt einen Wal, der scheinbar tot in einem Wald liegt.

Es ist das eine Ende der künstlerischen Bandbreite, die in der Ausstellung „El torment i l´extasis" (Die Qual und die Extase) präsentiert werden. Quer durch verschiedene Stilrichtungen, etwa von naiver Kunst bis hin zu ultrarealistischen, gesellschaftskritischen Arbeiten, werden zeitgenössische lateinamerikanische Künstler ausgestellt. Die Werke stammen meist aus privaten Sammlungen auf der Insel und zu einem kleinen Teil aus dem Fundus des Museums.

Besonders beeindruckend sind die Fotografien. Es-Baluard-Leiterin und Kuratorin Nekane Aramburu hat unter anderem Arbeiten von Magnum-Fotograf Miguel Rio Branco, Marcos López, Alexander Apostol, Carlos Garaicoa, Alfredo Jaar und Ángel a Bonadies ausgewählt. Letztere hat erst kürzlich in der Galerie Addaya in Alaró ausgestellt.

Bemerkenswert sind auch die Videoarbeiten, die generell im Es Baluard in jüngster Zeit viel Raum einnehmen. Glenda León etwa kratzt in ihrer clever betitelten Arbeit „Inversion" (Investment, Umkehr) etwa mit einer scharfen Klinge die Schrift von einem 100-Dollar-Schein, um die

Krümel dann durch ein Koka-Blatt zu schnupfen. Die guatemaltekische Künstlerin Regina José Galindo prangert die Vergewaltigung schwangerer indigener Frauen im Bürgerkrieg ihres Heimatlandes an. Im beklemmenden Video „Mientras, ellos siguen libres" (Währenddessen sind sie frei) ist sie nackt und schwanger mit Nabelschnüren an ein Bett gefesselt.

Auch die fantasievollen Zeichnungen der in Berlin lebenden Chilenin Sandra Vázquez de la Horra werden gezeigt, allerdings haben sie nicht die gleiche Ausdruckskraft wie die großformatigen Werke, die im vergangenen Jahr in der Galerie Kewenig ausgestellt wurden.

Die 92 Werke von 59 Künstlern sind lose in vier Kategorien aufgeteilt: belleza, ideología, conflicto, passión (Schönheit, Ideologie, Konflikt, Leidenschaft). Diese Gliederung, die auf den ersten Blick alle Klischees zusammenfasst, die man mit Lateinamerika verbindet, wirkt sich aber nicht negativ auf die beinah verspielte Hängung aus.

So schafft es die Ausstellung, ein breites Spektrum der zeitgenössischen Kunst Lateinamerikas zu präsentieren, ohne jedoch für sich in Anspruch zu nehmen, eine definitive Auswahl zu sein. Vielmehr schafft sie einen Überblick über das, was mallorquinische Kunstsammler an lateinamerikanischer Kunst interessiert.

El torment i l´éxtasis, Es Baluard, bis 2.10.