Es ist Oktober 2007, zwei Jahre vor seinem Tod, als Baltasar Porcel wohl seinen größten Auftritt in Deutschland hat. Die Frankfurter Buchmesse hatte Katalonien als Gastland eingeladen, und der Mallorquiner, damals 70 Jahre alt, ist einer der Autoren, die bei der Abschlusszeremonie auftreten. Dort spricht er über das Leben der Schriftsteller. Diese folgten auf der Suche nach Erkenntnis dem „Ruf des intensiven Lebens, der üppigen Vielfalt". Die Sprache verleihe dieser Suche ihre künstlerische Dimension, sie sei „Trägerin des literarischen Genies".

Der Suche des 1937 in Andratx geborenen Porcel nach dem intensiven Leben und der üppigen Vielfalt widmet nun das CaixaForum ab dem 2.6. die Ausstellung „Baltasar Porcel. Mallorca, Barcelona, el món" (bis 8.1.2017). Ein Leben am Mittelmeer, über das er in Frankfurt sagt: „In diesem Meer, diesem Universum gibt es so viele unterschiedliche Ufer, die sich so nah sind, wie die Wellen." Und er fragt sich weiter: „Was wären wir denn, wenn wir nicht auch paradox wären? Steine."

Palma ist die zweite Station, nachdem die Ausstellung seit Ende vergangenen Jahres bereits im Palau Robert in Barcelona gezeigt wurde. Kuratiert hat sie der katalanische Literaturkritiker und Essayist Julià Guillamon, der am 2. Juni um 19 Uhr auch einen Vortrag über Porcel halten wird. Guillamon schreibt über den Autor: „Porcel ist ein außerordentlicher Schriftsteller, für den sich eine Ausstellung allein schon wegen der großen Zahl der Welten lohnt, die er in seinem literarischen Werk vorkommen lässt. Sie reichen vom Schmuggel auf Mallorca bis hin zu den Erfahrungen der Mallorquiner auf Mallorca. Die Ausstellung versucht diesen ganzen Reichtum seines Schaffens darzustellen.

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Das literarische Schaffen Porcels und sein Verhältnis zu Mallorca wird vor allem anhand seines ersten Romans „Solnegre" erzählt, einer Kriminalgeschichte in Sant Elm, die 1961 erschien und für die Porcel mit dem Preis der Stadt Palma ausgezeichnet wurde. Seine Heimatinsel kommt in einigen seiner Romane vor, auch wenn er die meiste Zeit seines Lebens in Barcelona arbeitete. „Als Intellektueller und Schriftsteller kann ich nicht auf Mallorca leben", sagt er im Jahr 2002 in einem Interview mit der MZ. „Mir fehlt hier der notwendige kulturelle Rahmen. Den habe ich in Barcelona. Dort kann ich mich besser verwirklichen."

Gerade in Zeiten, wo jedes Jahr auf Mallorca Rekorde im Tourismus gebrochen werden, wäre eine gewichtige, mahnende Stimme wie seine wichtig. Immer wieder kritisiert er den Ausverkauf der Insel und die exzessive Anwesenheit von Menschen, die für Kultur und Sprache Mallorcas nichts übrig hätten. Die Vorwürfe richteten sich dabei auch an die Mallorquiner, die er als gehorsam und passiv charakterisiert. „Die Menschen hier haben nur ans Überleben und nicht an die Kultur gedacht. Ihnen fehlte dafür die Reife. Darum waren sie auch nicht in der Lage, den Tourismus in Schach zu halten."

Porcel bezeichnet sich als „kulturellen Nationalisten", der davon ausgeht, dass die mallorquinische Kultur untergeht, wenn sie sich nicht mit der katalanischen vereint. Gleichzeitig fremdelt er aber im Gegensatz zu anderen katalanischen Autoren nicht mit dem Spanischen, verfasst auch Artikel und Bücher in der Sprache Madrids. Er hält die Öffnung gegenüber anderen Kulturen für überlebenswichtig.

Von seinen zahlreichen Reisen in die ganze Welt, von denen er mit lebhaften Reportagen nach Hause kam, zeugen auch viele Exponate in der Ausstellung. Oftmals reiste er mit dem Fotografen Toni Catany, ebenfalls ein Mallorquiner, der in Barcelona lebte. Ihm wird zurzeit in seinem Heimatdorf Llucmajor ein Museum errichtet.

Seine journalistische Arbeit, die er in den 50er-Jahren bei der MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca" beginnt, reicht aber viel weiter. 1982 fängt er an, für die Tageszeitung „La Vanguardia" eine tägliche Kolumne zu schreiben. Bis zu seinem Tod schreibt er Tausende dieser Stücke, in denen er sich mit ­Gesellschaft und Politik auseinandersetzt. Er gilt als einer der besten Kolumnisten des Landes.

In einem Videointerview, das in der Ausstellung zu sehen ist, wird er gefragt, wie er denn als Linker für ein konservatives Blatt wie „La Vanguardia" schreiben könne. Porcel fragt zurück, wa­rum er sich weigern sollte, für eine der besten Zeitungen des Landes zu schreiben. Im Übrigen ist es ein kurioses, fast boulevardeskes Video, bei dem der Autor von den Journalisten zu Hause besucht wird, seine Familie herzeigt und sich sogar dabei filmen lässt, wie er im Bett liegt und Zeitung liest.

Trotz seines Auftritts in Frankfurt hat es Porcel, der seinen dichten Bart bis zu seinem Tod nicht ablegte, noch nicht sehr weit ins Bewusstsein der deutschen Verleger geschafft. Von seinen 16­ Romanen und über 20 Sachbüchern, Sammelbänden und anderen Büchern sind nur drei übersetzt worden. Die Ausstellung im CaixaForum ist eine gute Gelegenheit, diesen wortgewaltigen, meinungsstarken, immer unterhaltenden Autoren wiederzuentdecken.