Die Jahre 1550 bis etwa 1680 sind turbulente Zeiten in der spanischen Geschichte. Ein Imperium gerät unter die Räder, während Kunst und Literatur aufblühen. Es ist unter anderem das Zeitalter von Cervantes, der mit dem Don Quijote einen der bekanntesten, melancholischen Figuren der Literaturgeschichte ersinnt (S. 28). Im Individualismus der Kunst jener Zeit lasse sich der moderne Mensch verstehen, nirgendwo sei die Melancholie tiefer gewesen als damals in Spanien, heißt es in einem Buch namens „Saturn und Melancholie" von 1964.

Hier setzt nun die am Mittwoch (2.3.) in Palmas CaixaForum vorgestellte Ausstellung „Temps de malenconia. Creació i desengany a l´Espanya del Segle d´or" an. Es ist eine einzigartige Schau mit Kunst des „Siglo de Oro" (goldenen Jahrhunderts) mit dem Leitfaden Melancholie. Im Mittelpunkt stehen Werke von Meistern wie Murillo, Velásquez, Ribera und El Greco sowie Skulpturen von Berruguete und Pedro de Mena.

Die Leihgaben stammen aus 20 verschiedenen Sammlungen, unter anderem aus dem Prado in Madrid, dem Museo Nacional de Escultura (Nationales Skulpturenmuseum) in Valladolid und dem Germanischen Museum in Nürnberg. „Hier zeigt sich, was man alles erreichen kann, wenn staatliche Museen und private Ausstellungshäuser kooperieren", sagt die Kuratorin María Bolaños vom Museo Nacional de Escultura.

Zur Einleitung gibt es eine auch mit medizinischen Büchern illustrierte Erklärung der Melancholie, die aus der Sicht der damaligen Humoralpathologie von schwarzer Gallenflüssigkeit herrührte. Eines der Symptome sei der Schmerz im linken Ohr - in dieser Ausstellung wird man noch viele Menschen sehen, die den Kopf auf die linke Hand gestützt haben. Behandelt wurde die vermeintliche Krankheit mit Musik, die mit ihren strengen mathematischen Grundlagen und ihrer inneren Logik und Ordnung das Chaos im Geiste des Melancholikers beruhigen sollte.

In einem weiteren Raum sind Drucke Albrecht Dürers zu sehen, die aus der Spanischen Nationalbibliothek aus Madrid stammen. Diese dienen vor allem der Verdeutlichung der Einflüsse, welche die Maler des „Siglo de Oro" im Umgang mit der Melancholie geleitet haben. Im Zentrum steht hier „Melencolia I" von 1514, ein Stich, der mit Elementen wie der Sanduhr, dem auf die linke Hand gestützten Kopf und dem intelligenten, aber introvertierten Blick wesentliche Aspekte späterer Arbeiten vorgibt.

Der Hauptteil der Ausstellung untersucht die Darstellung der Melancholie und ihrer Ursachen in den Gemälden und Skulpturen jener Zeit. Der politische und finanzielle Niedergang Spaniens unter König Philipp II. wird hier als Ursprung für die Verzweiflung in der spanischen Gesellschaft und damit auch bei ihren großen Künstlern verstanden.

Es sei eine undurchsichtige Zeit gewesen, erklärt Bolaños. Darstellungen von bärtigen Frauen zeugten von der Verzweiflung darüber, dass nicht mal in der Natur etwas gesichert sei. Ebenso symbolisch für diese Verwirrung sei das aus dem Prado entliehene Gemälde von Juan van der Hamen y León, das einen kleinwüchsigen Soldaten darstellt. „Hier zeigt sich der Widerspruch zwischen der Anmut des tapferen Soldaten in einem Körper, der nicht zum Idealbild seiner Zeit passt", so Bolaños.

Es sei aber gerade diese Unsicherheit gewesen, welche die Künstler zu Höchstleistungen angetrieben habe. Kaum ein Gemälde drückt diese kreative Energie dramatischer aus als das Bild „Un filòsof escrivint" des „Meisters der Verkündung an die Hirten" aus Neapel. Hier sieht man einen Mann, der konzentriert in ein Buch schaut, während er gleichzeitig selbst schreibt, dass ihm der Kopf zu ­platzen droht.

Ein weiterer, wohl der eindrucksvollste Teil der Ausstellung widmet sich im ersten Stock des Museums dem Verhältnis von Melancholie und Christentum. Durch die kluge, reduzierte Hängung lassen die Kuratoren die Werke atmen. Im Mittelpunkt steht hier neben Dürers leidendem Christus vor allem Jan Bruegels dels Velluts Darstellung der Versuchungen des Heiligen Antonius durch den Teufel im Mittelpunkt. Den Abschluss bildet eine Reihe von Werken, die sich mit der Allgegenwärtigkeit des Todes beschäftigt. Hier wirft die Ausstellung einen Blick auf die europäischen Nachbarn jener Zeit. Auf einem Stich des Niederländers Hendrick Goltzius ist ein Kind zu sehen, das an einen Totenschädel gelehnt eine Seifenblase zerplatzen lässt. Im viel, viel kleineren Maße lässt sich dieses Bewusstsein für die Einzigartigkeit des Moments auch auf diese Ausstellung anwenden. Denn, so sagt die Kuratorin Bolaños bei der Präsentation: „Das Tolle an solchen Ausstellungen ist, dass es sie nur einmal gibt. Und wer sie verpasst, kriegt nie wieder die Chance." So weit sollte man es nicht kommen lassen.

Veranstaltungsinfos: Öffnungszeiten und Adresse