Sie hat ihren Job gleichermaßen mit Sachlichkeit und Sinnlichkeit erledigt. Die Schriftstellerin Carme Riera, eine der besten Autorinnen der Balearen, bekam vor rund einem Jahr von der Regionalregierung den Auftrag, eine Ausstellung über den Erzherzog Ludwig Salvator und Mallorca zu gestalten. Der 1847 in Florenz geborene Habsburger ist vor hundert Jahren gestorben.

Der Titel der Ausstellung „Jo, l´Arxiduc. El desig d´anar més lluny" (Ich, der Erzherzog. Der Wunsch, immer weiter zu ziehen) ist programmatisch. Der Satz „Ich, der Erzherzog" verweist auf die Art, wie Könige und Kaiser von sich sprechen, „und tatsächlich hat der Erzherzog hier ein kleines Reich geschaffen", sagt Riera. Elf zusammenhängende Anwesen kaufte er mit zumeist zusammengebetteltem Geld. Es ist das 16 Kilometer lange Herzstück des heutigen Unesco-­Welterbes Serra de Tramuntana.

Zum anderen fasziniert Riera die Unruhe, die der Erzherzog einmal so beschrieb: „Aber der Dämon des Wandertriebes gönnt mir keine Rast! Hinaus führt er, hinaus in die Ferne, die mich mächtig anlockt." Die meiste Zeit seines Lebens hat er an Bord seiner Schiffe Nixe I und II auf dem Mittelmeer verbracht. An dessen Gestaden hatte er verschiedene Unterkünfte. Auch an der Westküste Mallorcas verbrachte er viele Jahre, forschend und schwärmend, aber auch als tatkräftiger Veränderer sozialer Realität.

Der materielle und emotionale Nachlass des Österreichers ist auf Mallorca enorm. Von goldenen Herzen für seine Geliebten über Blätter- Blüten-, und Algensammlungen bis zu Briefen, Landkarten und detaillierten Beschreibungen gibt es auf der Insel sehr viele, bislang unsortierte Dinge.

Dazu kommt eine ähnlich unstrukturierte Mischung aus Geheimnistuerei, Halbwissen und Verherrlichung, die sich in Mallorcas Kollektivseele festgesetzt hat. Alles zusammen wirft ein diffuses Licht auf einen ungewöhnlichen Mann.

Carme Riera hat zunächst das Vertrauen der Mallorquiner gewonnen. Die 67-jährige Philologin bat sie, alles aus den Truhen und Schränken zu holen, was sie seit Jahrzehnten verwahrt hatten. Das taten sie. Gezeigt werden Familien­schätze, Erinnerungsstücke von Menschen, die einen Teil ihres Lebens mit dem „Arxiduc", dem Erzherzog, verbracht haben. Auch ihnen zollt die Schau Tribut. Gutsverwalter, Treuhänder, Künstler, Forscher, Mitarbeiter und Freunde werden vorgestellt.

150 Exponate, teils nie ausgestellte Liebesbriefe, Schmuck­stücke, Gemälde und Fotos sind im ersten Stock des Casal Solleric in Palma ausgestellt. Wären sie nicht hinter Vitrinen, würde man sie ­gerne anfassen, an ihnen riechen. Es sind zarte Zeugnisse längst erkalteter Gefühle.

Der heutige Betrachter kann sie schwer deuten. Nachkommen hatte der zeitlebens ledige Habsburger keine. Wie intim der Umgang mit Catalina Homar, Tischlerstochter aus Valldemossa war, wie eng er sich der venezianischen Kinderfrau Antonietta Lanzerotto verbunden fühlte und welcher Art die innige Freundschaft zu seinem ersten Sekretär Wratislaw Vyborny war ... Wir wissen es nicht. Kommissarin Riera bleibt diskret und zeigt Respekt. „Für manche war sein umherschweifender Lebensstil das Besondere, für andere seine Sexualität, wieder andere betonen seinen Dienst an der Wissenschaft", sagt sie lapidar.

Ludwig Salvator durfte nichts preisgeben. Sein Vater war ein Cousin von Kaiser Franz Josef. Das Kaiserhaus kontrollierte den Lebenswandel der Angehörigen, eine nicht standesgemäße Heirat hätte Wien nicht autorisiert. Seine adelige Herkunft war also auch ­eine Krux, an der Ludwig Salvator schwer trug.

Die multimediale Ausstellung zeigt den getriebenen und geselligen Menschen, den Naturwissenschaftler und Liebhaber, den Lebemann und Intellektuellen. Sie wendet sich an Mallorquiner und Auswärtige. Es gibt Schautafeln mit kurzen und lediglich katalanischsprachigen Texten und mehrsprachige Faltblätter. Stimmen aus dem Off, Filme mit Untertiteln und persönliche Gegenstände sollten ihren Landsleuten helfen, so Riera, „Kenntnisse zu vertiefen und das Erbe zu wahren."

Für uns Auswärtige sei der Habsburger Vorbild, sagt sie. „Er war Mäzen, liebte unsere Sprache und Kultur, war Umweltschützer und zeigte echtes Interesse an der Insel." Carme Riera hat keine Zweifel: „Der Erzherzog war der bislang wichtigste Besucher der Balearen."

„Jo, l´Arxiduc. El desig d´anar més lluny". Casal Solleric. Bis 14. Juni. casalsolleric.palmademallorca.es

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