Er ist wohl der am meisten geschätzte Ausländer in der Geschichte Mallorcas: Dass Erzherzog Ludwig Salvator nicht nur ein umfassendes Werk über die Balearen verfasst hat, sondern durch den Kauf mehrerer großer Fincas zum Erhalt der Kulturlandschaft in der Serra Tramuntana beigetragen hat, weiß auf der Insel jedes Kind. Doch wie genau es den damals 20-Jährigen nach Mallorca verschlug und wo er eigentlich her kam, ist so gut wie unbekannt: „Die Mallorquiner denken ja immer, er sei 1867 einfach vom Himmel gefallen", scherzt Erzherzog-Expertin Helga Schwendinger.

Das will die Österreicherin, die einst über den Habsburger-Spross promovierte, nun ändern: Sozusagen als Auftakt zum Gedenkjahr von Ludwig Salvators 100. Todestag im kommenden Jahr hat sie mit zahlreichen Helfern eine Ausstellung auf die Beine gestellt, die seit Dienstag (23.9.) im Stadtarchiv von Palma zu sehen ist. Schon der Titel sorgt bei Erzherzog-Laien für Verwunderung: „Von Florenz über Prag nach Mallorca" heißt die Schau. „Wir wollen eine Brücke schlagen zwischen den verschiedenen Orten, die in seinem Leben wichtig waren: In Florenz ist er geboren, seine Jugend verbrachte er in Prag und einen Großteil seines Lebens auf Mallorca", sagt die 54-Jährige.

In dem tschechischen Nationalarchiv in Prag befindet sich heute praktisch das gesamte Archiv des toskanischen Zweiges der Habsburger. Bei einem ihrer regelmäßigen Besuche dort kam Schwendinger auf die Idee mit der Jubiläums-Schau. Die tschechische Archivarin Eva Gregorovicova hatte in diesem Frühjahr bereits eine Ausstellung über die Habsburger in der Toskana zusammengestellt (Ludwigs Vater Leopold II war der letzte Herrscher des Großherzogtums, bevor es 1861 im italienischen Königreich aufging). Schwendinger war hellauf begeistert und schlug dem Leiter des Stadt­archivs von Palma Pedro de Montaner vor, eine erweiterte Version dieser Schau in Palma zu zeigen.

„Wir wollten, quasi als Auftakt zum Gedenkjahr 2015, das zeigen, was hier nur wenige wissen - beispielsweise, dass Ludwig eigentlich Italiener war." Noch im hohen Alter wurde er von seinem nahen Umfeld liebevoll „Luigi" genannt. Die ursprüngliche Ausstellung wurde um fünf weitere Informa­tionstafeln ausgebaut, die sich konkret mit Ludwig beschäftigen: Da finden sich Kinderzeichnungen und das erste vom arxiduc, wie Ludwig Salvator auf Mallorca genannt wird, geschriebene Alphabet, Familienfotos, eine Tafel zu seinen ersten Reisen, eine weitere zu den ersten Publikationen. „Und dann kam er nach Mallorca - hier endet die Ausstellung," sagt Schwendinger.

Die Infotafeln, die auf Spanisch geschrieben und mit katalanischer, englischer und deutscher Übersetzung versehen sind, zeigen Informationen, Dokumente und anderes Material, das für Normalsterbliche sonst nicht zugänglich ist, weil es in Archiven unter Verschluss gehalten wird. Der zweite Teil der Ausstellung zeigt eine Sammlung der vom Erzherzog verfassten Bücher, die zum größten Teil aus Schwendingers privaten Beständen, aber auch aus der Biblioteca March stammen. Sein monumentales, zweibändiges Werk über die Balearen ist bei Weitem nicht das einzige Buch, das der leidenschaftliche Natur- und Geisteswissenschaftler verfasst hat: 76 seiner Werke sind im Stadtarchiv ausgestellt.

Wie umfassend sein Oeuvre war, wird in den sieben nach geografischen Gesichtspunkten geordneten Vitrinen nicht ganz so deutlich wie auf einem Foto, das der Gründer der Ludwig-Salvator-Gesellschaft in Wien, Wolfgang Löhnert, angefertigt hat: Für ein Projekt stapelte der Rechtsanwalt einen Großteil aller Erzherzog-Bücher aufeinander und fotografierte den 2,35 Meter hohen Turm - auch dieses Bild ist Teil der Ausstellung.

Unter Ludwig Salvators Schriften finden sich Kuriositäten wie der großformatige Band mit dem Titel „Zärtlichkeitsausdrücke und Koseworte in der friulanischen Sprache" - es handelt sich dabei um die eigene Sprache des italienischen Fraul, die noch heute von etwa 600.000 Menschen gesprochen wird. Das Besondere an dem Werk sei sein Erscheinungsdatum, so Schwendinger: „Er hat es 1915 veröffentlicht. Seit einem Jahr sprachen alle nur vom Weltkrieg, und er kümmerte sich um Liebesworte einer Minderheitensprache" - typisch für den überzeugten Pazifisten.

Zwar handelt ein Großteil seiner Bücher von Ländern, Regionen und Inseln an und im Mittelmeer, doch es zog ihn auch viel weiter in die Welt hinaus: „Sommerfrische in den Antipoden" lautet der Titel eines weiteren Werks, das er über das australische Hobart Town (Tasmanien) verfasste. Ludwig Salvator war anlässlich einer Weltausstellung nach Australien gereist. „Weltausstellungen waren für ihn eine ideale Gelegenheit, damit sich die Völker kennenlernen. Denn wen man kennt, vor dem hat man keine Angst mehr - und gegen den führt man auch keinen Krieg", erklärt Schwendinger. Ludwig Salvator verfasste gar einen eigenen Band über Weltausstellungen.

Doch nicht nur um die Anfertigung von Texten und Zeichnungen, auch um die Auswahl von Schrifttypen oder Einbänden kümmerte sich der Erzherzog selbst: Für den Einband seines Buchs über seine mallorquinische Vertraute und Gutsverwalterin Catalina Homar ließ er sich verschiedenfarbige Muster zur Auswahl schicken, die in einer eigenen Vitrine zu sehen sind. Ergänzt werden die Original­ausgaben der Bücher durch zahlreiche Fotos, Zeichnungen des Erzherzogs und nur schwer zu entziffernde Original-Handschriften: „Er schrieb Zeit seines Lebens mit lila Tinte," erklärt Schwendinger.

Über zwei Monate lang hat sie gemeinsam mit Stadtarchivar Pedro de Montaner die Ausstellung vorbereitet. Die bescheidenen Mittel dafür - das Budget belief sich auf gerade einmal 4.000 Euro - stammen aus dem Topf des Stadt­archivs. Von den 300.000 Euro, die der Inselrat zum Erzherzog-Gedenkjahr bereitgestellt hat, haben sie nichts gesehen: „Für die restlichen Kosten sind wir betteln gegangen", so Schwendinger. Neben dem tschechischen Honorarkonsul und dem österreichischen Kulturattaché ist Schwendinger vor allem Stadtarchivar de Montaner dankbar, für den es die letzte Ausstellung vor dem Ruhestand ist: „Er hat alle Strippen gezogen, die nur irgend möglich sind."

Florenz - Prag - Mallorca

Arxiu Municipal de Palma /

Can Bordils, C/. Almudaina, 9

Mo-Fr 9-14 Uhr, Mo und Mi 16-19 Uhr, Eintritt frei.

Bis 23.2.2015

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