„Eigentlich sind diese Plätze so, wie sie meine Bilder zeigen, in der Realität mit dem menschlichen Auge nicht zu sehen", sagt Gerd Neysters, deutscher Fotokünstler mit Teilzeit-Wohnsitz in Banyalbufar. Gut ein Jahr lang hat er immer wieder die Tramuntana durchstreift und mit Kamera, Computer und Kreativität nach Wegen gesucht, die alten Köhlerplätze des Gebirgszuges detailreich abzubilden.

Die Ergebnisse seines Projekts sind jetzt im Club der Mallorca Zeitung zu sehen. Oder zumindest ein Teil davon: Mit einer Vernissage wurde am Freitag (7.10.) die Ausstellung „Sitjas" eröffnet, bei der sechs großformatige Bilder zu sehen sind. Die nach dem mallorquinischen Wort für Köhlerplätze betitelte Schau ist auf eine stille Art spektakulär – erst beim näheren Hinsehen offenbaren die Hochqualitäts-Abdrucke der digital erstellten Fotos ihre Besonderheit: Vom Kieselstein im Vordergrund bis zum hintersten Ast ist jeweils die gesamte Szenerie dieser „mythisch anmutenden Orte" (Neysters) in kompletter Schärfe abgebildet, und auch perspektivische Verzerrungen existieren nicht, nur „der Raum scheint sich rund um den Platz zu krümmen".

Neysters suchte monatelang nach einer Methode, um die Faszination dieser Plätze fotografisch zu transportieren und machte dieselbe Erfahrung wie wohl Tausende Fotografen vor ihm: Was dem Auge gefällt, verweigert sich zuweilen der Fotolinse.

Schließlich begann der 60-jährige Deutsche, der seit 30 Jahren im Bildungswesen im Raum Essen wirkt, mit einem Spezialobjektiv für Architekturfotografie zu experimentieren, dessen vertikal bewegliche Linse Oben-Unten-Aufnahmen ohne perspektivische Verzerrung erlaubt. So schoss er im Panorama-Verfahren in zwei horizontalen Durchgängen mit einem Stativ 12 bis 14 Aufnahmen, die er am Computer zu einem Bild zusammensetzte.

Die Datenmenge von 400 bis 500 MB resultierte in einer Feinkörnigkeit und Schärfe, „die das Bild nur im großen Format vollkommen zur Geltung kommen lässt, also im Rahmen einer Ausstellung". Trotzdem hat Neysters im Eigenverlag auch einen Bildband mit 33 Fotos erstellt, die er über das Internet anbietet. Geld verdienen wird er mit den Fotos jedoch nie: „Würde ich alle meine Arbeitsstunden verrechnen, wären die Bilder unbezahlbar. Mir geht es vor allem darum, meine Faszination für diese Plätze mitzuteilen."

Auch die historischen Hintergründe interessierten Neysters. Auf den sitjas verwandelten einst Waldarbeiter Steineichen in Holzkohle, indem sie mit einer kontrollierten Glut dem Holz alles Wasser entzogen und den Brennstoff somit auf ein transportables Gewicht herunterschwitzten.

Seit einem halben Jahrhundert werden die Steinkreise nicht mehr genutzt und wirken deshalb geheimnisvoll, „wie Kultstätten", meint Neysters, der manchmal einen ganzen Arbeitstag einsetzen musste, um einen einzigen sitja bei für seine Zwecke optimalen Lichtbedingungen (bewölkt, ohne direkte Sonneneinstrahlung) abzufotografieren.

Mit dem digitalen Zusammensetzen von Fotos hatte Neysters bereits Erfahrung gesammelt, als er für eine 2009 organisierte Ausstellung mit dem Titel „Dimensionen" im Kulturzentrum Sa Taronja in Andratx die Landschaftsveränderung porträtierte, die der damalige Bauboom mit sich brachte, und enorme Panorama-Fotos von Baustellen schuf.

www.neysters.de

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