Es sind durchdringende, durchtrainierte und zugleich melodiöse Stimmen, die vom Bürgerhaus Casal de Barri in Palmas malerischem Stadtteil Terreno aus in alle Winde klingen und sich fast an den Außenmauern des nahen Castell Bellver verlieren.

Wer hört, wie gefühlvoll die rund 40 Sänger des im vergangenen Jahr gegründeten Mallorca Gay Men‘s Chorus Lady Gagas Superhit „Bad Romance“ performen, kann ihren bisherigen Erfolg mit 20 Auftritten vor insgesamt 5.000 Zuschauern nachvollziehen. Zumal sie nicht einfach wie angewurzelt auf der Bühne stehen, sondern verkleidet tanzen, sich theatralisch, witzig und exaltiert geben, gute Laune verbreiten, von bunten Scheinwerfern angestrahlt werden - also kurzum ein Spektakel abliefern, was man so auf der Insel nicht alle Tage sieht.

„Zuletzt im Auditorium Manacor haben die rund 800 Gäste nach zwei Stunden wie entfesselt getanzt“, erzählt begeistert Pianist Joan Lainez, der den Chor leitet. „Ist ja auch klar: Wir sind alles andere als konventionell.“ Bei ihrem Auftritt in Manacor stellten die Sänger, die in der Tradition von Vorreiter-Chören in San Francisco oder Los Angeles stehen, ihr neues und bereits drittes Programm „The Sound of Music“ vor - ein Klang- und Tanzpotpourri, das von Musicals wie „Hello Dolly“ über Filmmusik wie „Sister Act“ und „König der Löwen“ bis hin zu Monty Python‘s König-Arthur-Persiflage „Spamalot“ reicht.

Bei ihren locker-flockigen, beschwingten Auftritten, die die Goldkehlen im März auch schon ins staatliche spanische Fernsehen TVE führten, werden sie von spanischen Stars wie der von der Insel stammenden Muse des Wow-Regisseurs Pedro Almodóvar, „Terremoto“ Alcorcón (eigentlich Pepa Charro), der Sängerin Bilonda und dem Schauspieler Carlos Gramaje unterstützt. „Wir sind alles andere als unzufrieden mit dem, was wir in so kurzer Zeit erreicht haben“, sagt Joan Lainez fröhlich strahlend. Man brauche Vergleiche mit den wenigen anderen spanischen Gay-Chören wie etwa dem aus Barcelona beileibe nicht scheuen.

Es wird nicht nur gesungen im Casal de Barri, die Chormitglieder probieren auch ihre Verkleidung. Dabei wird lauthals gelacht, gekichert, ab und zu gezüngelt, geknutscht und zuweilen mit den Augen gerollt. Die Mitglieder streifen sich schwarzweiße Nonnenkostüme über und setzen breitkrempige russische Militärmützen auf. „Mit diesen Kopfbedeckungen protestieren wir gegen die immer schwulenfeindlichere Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin“, erklärt Gallego. „Die hatten sich doch noch vor nicht allzu langer Zeit als so wahnsinnig liberal und fortschrittlich verkauft.“ Und auch in Spanien sei „ja ebenfalls nicht alles in Butter, da es noch immer zu Übergriffen kommt“.

Gegen Ungleichbehandlung zu protestieren, sei jedoch nicht das einzige Anliegen des Chors: „Wir wollen auch gegen Stereotypen über Homosexuelle angehen“, sagt Rafa Casado. Es sei nun mal nicht so, dass alle in der Gay-Gemeinde - wie das medial insinuiert werde und wie das viele glaubten - so hochmodisch gekleidet oder so übermäßig dem Körperkult verfallen seien. „Bei uns machen überhaupt nicht überkandidelte Leute mit, es sind Studenten, Angestellte der öffentlichen Verwaltung, Friseure.“

Zudem wolle man sich nicht vom Rest der Welt abkapseln, weswegen auch heterosexuelle Männer im Chor ausdrücklich willkommen seien - so sie über ein gewisses Gesangstalent verfügten und selbstredend für die Gleichberechtigung der Homosexuellen und gegen Gewalt gegen Frauen seien.

Bei ihrem erfolgreichen Durchmarsch über die Bühnen haben die Sänger des Insel-Gay-Chors inzwischen auch schon das Ausland im Blick, besonders Deutschland. „Dass wir bald dorthin kommen, steht fest“, sagt Chorleiter Lainez optimistisch, „wo wir jedoch auftreten, noch nicht so ganz“.

Der „Mallorca Gay Men‘s Chorus“ tritt das nächste Mal am Donnerstag (18.7.) um 21 Uhr im Auditorium in Peguera in der Gemeinde Calvià auf. (C./ Mil Pins, 17, Tel.: 971-13 92 07) Danach geht es nach Pollença, wo am 29.7., um 22 Uhr im Kloster Santo Domingo (C./ Guillem Cifre De Colonya) gesungen wird.

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