Als Elger Esser in Rom ehedem als junger Mann heranreifte, waren die Gärten von Ninfa ein verbotener Ort. Der spätere deutsche Kunst-Fotograf träumte in jener Zeit davon, diese auf Privatgrund im Latium gelegene Landschaft, die schon von Plinius dem Älteren besungen wurde und die 65 Kilometer von der ewigen Stadt entfernt liegt, dermaleinst in sich einsaugen zu dürfen: „Es war für mich eine verbotene Frucht."

Im vergangenen Jahr bot sich dem heute 47-Jährigen endlich die Gelegenheit, in diesem mit Wasserläufen und Bäumen durchsetzten Areal aktiv zu werden. Mit einem Kofferraum voller komplexer Technik und einem Assistenten („man benötigt auch mal jemanden mit einer Taschenlampe") rückte er dort fünf Monate lang jeden Monat einige Tage an. Und er tat dies grundsätzlich in der Vollmond- und Neumondzeit, um der Wirkung seiner zum Teil mehrere Stunden lang belichteten Werke eine geheimnisvollere Note beizufügen. So erklärt sich auch, dass man auf den riesigen Negativen im Din-A-4-Format und dann auf den Abzügen etwa die Wege der Karpfen im Wasser erkennen kann oder Mond und Sterne als Streifen am Himmel.

Und dann ließ sich Elger Esser an diesem geheimnisvollen Ort inspirieren, mal von einer Blume, die leuchtend hinter Ästen hervorlugte, oder vom fast betäubend leisen Geräusch des plätschernden Wassers. In dieser von den Nymphen - göttlichen Wesen im römischen Glaubenskosmos - zu einer vergänglichen Kulturlandschaft geküssten Natur wurde dem Künstler einmal mehr klar: „Alles ist ein Kommen und Gehen." Und alles findet in „einer Eigenzeit" statt, die nur er, Elger Esser, als solche empfindet und andere ganz anders spüren mögen.

Das Vergängliche und Lebendige mit der Kamera einzufangen, sieht der geborene Stuttgarter als seine Aufgabe. Wobei dies nur dann gelingen kann, wenn der Künstler das Abzubildende auch im wahrsten Sinne des Wortes begreift („man kennt die Steine"), also eine Beziehung herstellt. „Man ist Teil davon, weil eine Art Empathie entstanden ist, also Gefühle eine Rolle spielen", sagt der Schüler der berühmten Fotografen Bernd und Hilla Becher, der in Düsseldorf ein großes Atelier unterhält und dessen Werke nicht selten für einen fünfstelligen ­Betrag verkauft werden, auch die ein oder andere von ihm in seinen Anfangsjahren deutlich vergrößerte alte Postkarte.

Einige beeindruckende Ergebnisse dieses ­Dialogs zwischen Künstler und Natur („es sind emotionale Bilder") sind bis zum ­20. Juli in der Ausstellung „Nimfees i Ondines" (Nymphen und Nixen) im Casal Solleric in Palma zu sehen. Dabei handelt es sich keinesfalls nur um Fotos aus Ninfa, sondern auch von anderen Orten vor allem in Frankreich. Pate standen hier unter anderem die berühmten ­Wellenbilder des Vor-Impressionisten Gustave Courbet (1819-1877) und der Garten des Impressionisten Claude Monet (1840-1926), der sich dort eigens für seine Bilder Motive schuf. Auch vom Garten des Käfersammlers Jean-Henri Fabre (1823-1915) in Orange ließ sich Elger Esser bis tief in seine Seele hinein betören.

Es sind vor allem monumentale Werke, die da im ersten Stock des Casal Solleric hängen. Die Wirkung auf den Betrachter ist dennoch nicht wuchtig oder gar erdrückend. Im Gegenteil: Man wird durch die Lieblichkeit des Ganzen gebannt. Dazu tragen auch Videos bei, die vor allem Wasser zeigen, und dessen plätschernde Geräusche.

Derartige Kunst-Fotos kann nicht machen, wer, wie andere Fotografen, „in irgendeinem Fünf-Sterne-Hotel absteigt und die Natur nur virtuell, also von außen, ablichtet", da ist sich der Künstler sicher. Weil er immer mittendrin sein will, ist er auch nicht außerhalb von Europa aktiv. Zu anderen Ecken der Welt fehle ihm einfach die Beziehung, sagt er. Seinen Weg sieht er vielmehr unter anderem darin, das ihm so nahe Frankreich weiter zu erkunden: „Département für Département".

Wenn Esser irgendwo ein Kreativitätsschub packt, bleibt er „jeden Tag dran". Und dann kann es sein, dass er irgendwann „von der Muse geküsst" wird. Das sei so wie bei einem Mönch, der sieben­mal pro Tag bete, um irgendwann erleuchtet zu werden. „Ich bearbeite einen Acker", sagt der Künstler.

Dabei gehe es ihm darum - und da sei er ein moderner Romantiker - das bei einem selbst „zu Hause" befindliche Erhabene im Sinne des deutschen Philosophen Friedrich Schleiermacher (1768-1834) empfindbar zu machen. In dieser Hinsicht unterscheide er sich von dem tiefreligiösen, dem Transzendenten zugewandten Romantik-Maler Caspar David Friedrich (1774-1840), dessen aufwühlende Werke einem sofort einfallen, wenn man sich auf seine Bilder einlässt.

So sehr der Künstler mit ­Mallorca verbunden ist - 1996, am Ende seines Studiums, hatte er hier in einer Galerie seine erste Insel-Schau veranstaltet -, ­Fotos wie die im Casal Solleric ausgestellten will er hier nicht unbedingt machen. „Hier wurde bereits zu oft fotografiert", sagt er. Zumal er lichttechnisch gemeinhin einen bewölkten Himmel vorzieht.

„Nimfees i Ondines", Casal Solleric (Passeig del Born, 27, Palma). Di bis Sa von 11-14 Uhr und 15.30-20.30 Uhr. So und an Feiertagen: 11-14.30 Uhr. Mo geschlossen. Eintritt frei.

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