Schwitzende Körper wälzen sich auf dem mit Matten abgedeckten Boden des Fitness-Centers „Arte Sport" in Palma hin und her. Die Körper gehören zu jungen Männern, die mal ringen, mal treten und auch mal ein bisschen würgen. Die Szenerie erinnert an eine wilde Rauferei unter pubertierenden Jungs. Lediglich die durchtrainierten Muskelpakete und die zahlreichen Tätowierungen der meisten, die hier gerade die härteste aller Modalitäten üben, die Mixed Martial Arts (MMA), deuten darauf hin, dass die Männer alle schon volljährig sein dürften.

Aber was nach äußerster Brutalität aussieht, folgt doch Regeln. Der Betreiber des Studios, José Giménez, der weniger wie ein Schlägertyp als wie ein Informatik-Student wirkt, erklärt, dass in Mixed Martial Arts prinzipiell zwar alles erlaubt ist. Er schiebt aber sofort nach, dass der Schiedsrichter einen Kampf natürlich unterbreche, wenn einer der Beteiligten am Boden liege und auf die Matte klopfe. Das ist das Zeichen für „Ich kann nicht mehr".

Bis man aber zu den Mixed Martial Arts vordringt, gibt es noch zahlreiche andere Modalitäten, die weniger gewalttätig wirken. Das beginnt beim Boxen, geht über Full Contact, Kickboxen, K-1 und Thai-Boxen. Während beim Boxen nur Schläge mit der Faust auf den Körper oder das Gesicht erlaubt sind, kommen beim Kickboxen und K-1 auch Fußtritte auf Beine, Bauch und Knie zum Einsatz, beim Thai-Boxen auch Ellbogenschläge. Am Ende der Skala stehen dann die Mixed Martial Arts.

Ganz so deftig wird es beim K-1 World Max Final 16 am Samstag (14.9.) in der Palma Arena nicht zugehen. Die 16 besten K-1-Kämpfer der Welt werden in Paaren gegeneinander antreten und die acht Männer ermitteln, die zum entscheidenden Finale nach Japan fahren. Die Kampfnacht wird aus der Palma Arena in 185 Länder quer über den Globus live gesendet.

Giménez ist mit seinem Studio an der Organisation beteiligt. Er sitzt hinter dem PC, plant und nimmt Reservierungen entgegen. Zwischendurch schaut er in seinem Studio nach dem Rechten, wo die jungen tätowierten Männer trainieren. Ein klein gewachsener Übungsleiter treibt seine Schützlinge an: „Stürz dich auf ihn." Viele Männer wirken unsicher, man blickt sich kaum in die Augen.

Jeder hat seine eigene Geschichte, wie er in den Bann des Kampfsports geraten ist. Der gebürtige Menorquiner Jan, der sich gerade seine Boxhand­schuhe überstreift und auf einen von der Decke hängenden Sack eindrischt, scheint nicht so recht in diese Welt der schlagenden Argumente zu passen. Sein Gesicht hat eher feine Züge, er ist redegewandt. Bis vor wenigen Tagen war er Sicherheitschef der legendären Discothek „Tito´s" an Palmas Ausgehmeile Paseo Marítimo, wie er sagt. „Doch das habe ich gelassen, die Schichtarbeitszeit war nicht vereinbar mit meiner Beziehung. Ich wollte ab und zu meine Freundin sehen."

Früher habe er Fußball gespielt, wie sein Vater, aber das sei ihm zu langweilig geworden. „Dann habe ich mit Judo und Karate angefangen, das war schon spannender." Ihn habe ein Sport gereizt, in dem er völlig auf sich alleine gestellt ist. Mannschaftssportarten sind deswegen nicht sein Ding. Irgendwann haben ihm dann auch Judo, Karate und Boxen nicht mehr gereicht. „Das war alles zu stereotyp. Ich war gefangen in einem Katalog von Regeln, die Schläge waren immer die gleichen. Ich brauche viel mehr Freiheit bei dem, was ich tue." Diese Freiheit hat er in Kickboxen, K-1 und vor allem den Martial Arts gefunden. Und nebenbei, so sagt er, habe ihm der Sport mehr Selbstbewusstsein gegeben.

Wie Jan sind viele aktive Kampfsportler im Dunstkreis des Nachtlebens anzutreffen. Bodyguards, Türsteher - das sind die typischen Jobs, die Boxer oder Kickboxer ausüben. Die glatzköpfigen und tätowierten Körper sorgen natürlich für das wiederkehrende Klischee von brutalen Schlägern. Studio-Betreiber Giménez streitet nicht ab, dass es solche Menschen unter den Kampfsportlern gibt. „Leider haben wir auch die unter uns, das lässt sich nicht vermeiden. Aber 80 Prozent derjenigen, die diesen Sport ausüben, machen das, um sich in Form zu bringen und sich im Wettkampf mit anderen zu messen." In sein Fitness-Studio kämen Kinder und Jugendliche genauso wie Erwachsene aus allen sozialen Schichten und allen Gegenden der Insel. Sogar eine korpulentere ältere Dame übe mit Begeisterung die kontaktintensiven Sportarten aus. Nichtsdestotrotz bestätigt Giménez, dass die Hauptzielgruppe junge Männer seien.

Das zeigt auch der Blick ins Studio. Auch wenn an diesem Tag zwei junge Frauen, ebenfalls tätowiert, munter mitmischen. Angst vor den Gefahren des Sports scheint niemand zu haben. Alle stürzen sich mit Vergnügen auf den Kontrahenten. „Ich habe mir früher beim Fußball mehr Verletzungen geholt als jetzt bei Kickboxen oder den Martial Arts", sagt Giménez grinsend. Und auch Jan, der immer noch auf den Boxsack eindrischt, sagt, dass er sich noch nie ernsthafter verletzt habe. „Natürlich kommt es mal zu kleineren Verletzungen, klar fließt da auch mal Blut. Aber schwere Blessuren sind sehr ungewöhnlich."

Und doch kann es einem schon etwas anders werden, wenn Damián García das Studio betritt. Der große, ebenso rundum tätowierte Mann mit den durchdringenden blauen Augen flößt Respekt ein, er ist ein richtiger Schrank. Wenn er aber anfängt zu erzählen, wirkt er eher schüchtern und umgänglich. García ist die mallorquinische Koryphäe auf dem Gebiet der Kampfsportarten. Mit seinen 36 Jahren muss er an die Zukunft des Sports denken und ist deshalb gerade dabei, einen Kreis zukunftsträchtiger Nachfolger aufzubauen.

Auch García muss am Samstag in den Ring steigen, um in seiner Lieblingsmodalität K-1 das Ticket für das World Final lösen. „Wer am Ende dort gewinnt, kassiert eine Million Euro", sagt er mit einem Leuchten in den Augen. Doch dieses Ziel ist nicht realistisch. So wird García wohl auch weiterhin bei Palmas Stadtwerken Emaya kaputte Rohre reparieren und den Kampfsport eher als Hobby betreiben. Doch die Welt schaut ihm dabei zu. Über 200 Millionen Menschen werden mit García und den anderen Kämpfern - darunter mit Enriko Kehl auch ein Deutscher aus Wetzlar - mitfiebern. Auch wenn, oder gerade weil dabei vielleicht ein bisschen Blut fließt.

K-1 World Max Final 16 am Samstag (14.9.) in der Palma Arena. Es gibt noch Karten für 22,80 bis 38,20 Euro beim Fitness-Studio „Arte Sport" in der Calle Joan Pons i Marqués in Palma und im Internet unter www.ticketmaster.es

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